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Stimmung schlecht, Lage ok

Andreas Becker28. Dezember 2012

Mit welchen Erwartungen startet die deutsche Wirtschaft ins neue Jahr? Ein Forschungsinstitut hat die großen Branchenverbände gefragt. Ergebnis: Gute Geschäfte, miese Stimmung.

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Container im Hamburger Hafen (Foto: Angelika Warmuth /dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die deutsche Wirtschaft ist gut organisiert, wenn es um die Vertretung ihrer Interessen geht. Für jede Branche gibt es einen Verband, der seine Mitgliedsunternehmen berät und versucht, Einfluss auf die Politik zu nehmen.

Verbände und Unternehmen finanzieren auch das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW), ein Forschungsinstitut, das wirtschaftsliberale und arbeitgebernahe Positionen vertritt. Institutsdirektor Michael Hüther fragt einmal im Jahr die Verbände, wie denn die Stimmung bei ihren Mitgliedern ist.

Mehrheitlich pessimistisch

Auf den ersten Blick war das Ergebnis ernüchternd. Jeder zweite Branchenverband ist pessimistisch und erwartet, dass sich die Lage im neuen Jahr verschlechtert. Der Rest meint, alles bleibt wie es ist. Dass es aufwärts geht, glaubt niemand. "Zum ersten Mal seit 2009 erwartet keine Branche, dass es besser wird als im zurückliegenden Jahr", so Michael Hüther.

Sorgen macht den Unternehmen vor allem die Schuldenkrise in der Eurozone. Trotzdem bedeutet die schlechte Stimmung nicht auch automatisch schlechtere Geschäfte. Die erwarten nur elf der 46 befragten Verbände. Dagegen rechnen 20 Verbände im neuen Jahr mit besseren Zahlen. Die Stimmung ist schlechter als die Lage, folgert Hüther. "Denn die tatsächlich relevanten Indikatoren - die Erwartungen für die Produktion, die Investitionen und die Beschäftigung - sind außerordentlich robust."

Klagen auf hohem Niveau?

Robuste Geschäftsaussichten, aber schlechte Stimmung - das klingt nach präventiver Klage, um Lohnforderungen der Arbeitnehmer abzuwehren und die Politik daran zu erinnern, sie müsse mehr für Unternehmen tun. Für Hüther ist die düstere Stimmung dagegen "nicht ungerechtfertigt". "Die Unternehmen sind außerordentlich vorsichtig. Die Erfahrung vom Jahresende 2008 und Jahresanfang 2009, als alles aus den Händen glitt und die Weltwirtschaft zum Stillstand kam, das ist ja noch nicht lange her."

Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln (Foto: Karlheinz Schindler)
IW-Direktor Michael HütherBild: picture alliance/ZB

Elf der 46 Verbände rechnen mit einem Abbau von Arbeitsplätzen in ihrem Wirtschaftszweig. Dazu gehören der Bergbau, die Druckindustrie, Banken und die Energiewirtschaft. Gerade bei Energieunternehmen trage die Politik Mitschuld an der schlechten Stimmung, glaubt Hüther.

"Die Regierung hat eine Energiewende beschlossen, ist aber offensichtlich nicht in der Lage, sie umzusetzen." Das verunsichere Unternehmen, die größere Investition planen. "Politik ist trotz Globalisierung hoch bedeutsam, denn sie entscheidet über die Rahmenbedingungen. Davon hängt ab, ob wir im globalen Wettbewerb erfolgreich sind und hier Beschäftigung und Einkommen schaffen können."

Wachstum im Maschinenbau

Positiver als die Energiefirmen blicken klassische Industriebetriebe in die Zukunft, etwa die Automobilbranche, aber vor allem Elektrotechnik und Maschinenbau. "Die Industrie, der Motor unserer Konjunkturentwicklung, ist durch die Bank gut aufgestellt und robust. Beim Maschinenbau haben wir sogar die Erwartung, dass die Produktion ansteigt und die Investitionen höher liegen werden. Das Tal bildet sich, und wir gucken aus dem Tal eher nach oben", so IW-Direktor Hüther.

Das wiederum passt zur Konjunkturprognose des IW. Nachdem 2012 stark begonnen hatte und dann schwächer wurde, soll die Entwicklung 2013 umgekehrt verlaufen: ein schwacher Start, gefolgt von einem Anziehen der Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte. Unter dem Strich erwartet Hüther für 2013 ein Wirtschaftswachstum von 0,7 Prozent, etwas weniger als im Vorjahr.

Es bleibt die Frage, wem diese Verbandsumfrage dient. Hüther sagt, sie biete Orientierung - für Unternehmen, aber auch für die Politik. "Im Grunde ist es ein Signal: Auch in einem Wahljahr darf man nicht dem Nichtstun verfallen."