Zurück aufs Rad
10. September 2008Er will es noch einmal wissen: Der siebenfache Tour-Gewinner Lance Armstrong. Auf seiner Internet-Homepage kündigte der Amerikaner am Dienstag (09.09.2008) an: "Nach Gesprächen mit meinen Kindern, meiner Familie und engen Freunden bin ich glücklich über die Ankündigung, dass ich in den Profiradsport zurückkehre, um auf die Last der Krebskrankheit aufmerksam zu machen". Allein in diesem Jahr, so Armstrong, "sterben acht Millionen Menschen weltweit an Krebs. Es wird Zeit, Krebs auf globaler Ebene anzugehen."
Dem Magazin "Vanity Fair" sagte der bald 37-Jährige, er habe sich durch seinen zweiten Platz beim Leadville 100 im Monat zuvor bestätigt gefühlt. Das Mountainbike-Rennen geht über 160 Kilometer durch die Berge von Colorado.
Kampf dem Krebs
Armstrong hatte sich 2005 vom Profiradsport zurückgezogen, bereits zum zweiten Mal in seiner Karriere. Er pausierte bereits einmal von 1996 bis 1998. Im Oktober 1996, kurz nach der Vertragsunterzeichnung beim Team Équipe Cofidis, wurde bei ihm Hodenkrebs im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert.
Er wurde zweimal operiert und wählte eine aggressive Form der Chemotherapie, um zu gesunden und seine Leistungsfähigkeit langfristig zu erhalten. Während der Genesungsphase kündigte ihm Cofidis den Vertrag. 1998 nahm ihn das amerikanische Team US Postal Service unter Vertrag (2005 in Discovery Channel umbenannt). Er revanchierte sich mit seinem ersten Tour de France Sieg 1999. Weltweit wurde der Sieg als "Comeback des Jahrhunderts" gefeiert.
Armstrong wurde bis 2005 nicht vom Thron gestürzt; bis dahin hatte er die Tour de France sieben Mal hintereinander gewonnen. Er übertraf damit die bisherigen Rekordhalter Jacques Anquetil, Eddy Merx, Bernard Hinault und Michel Induráin.
"Tourminator" und Doping
Das strahlende Image bekam jedoch immer mehr Kratzer. Von der Presse und anderen Fahrern wurde Armstrong ob der Art und Weise, wie er um den Sieg kämpfte, als "Tourminator" bezeichnet.
2005 kamen die ersten Dopingvorwürfe auf. Die französische Sporttageszeitung "L'Équipe" schrieb damals, dass in Urinproben aus dem Jahr seines ersten Tourerfolges 1999 das Dopingmittel EPO (Erythropoetin) nachgewiesen wurde. Armstrong wies die Vorwürfe zurück; eine Untersuchungskommission des Radsport-Weltverbandes UCI entlastete ihn.
Die Vorwürfe hielten sich jedoch hartnäckig. In dem 2004 erschienen Buch "L.A. Confidential - die Geheimnisse des Lance Armstrong" bezichtigten ihn unter anderem frühere Teamkameraden und der frühere Tour-Sieger Greg LeMond, mit EPO gedopt zu haben.
"Privatmann fordert sein Recht ein"
2005 beendete Armstrong seine Profikarriere. Über die Gründe wurde viel spekuliert. Auf einer Pressekonferenz im April 2005 begründete er seinen Rückzug mit familiären Motiven. Er wolle mehr Zeit mit seinen drei Kindern verbringen. Ein paar Tage später ließ er vor der Tour noch einen anderen Grund durchblicken: "Im kommenden Jahr würde ich fünf Minuten Rückstand haben, da bin ich mir ziemlich sicher. Wenn ich krank bin, will ich nicht sterben. Wenn ich Rennen fahre, will ich nicht verlieren. Sterben und verlieren ist das gleiche".
Er scheint sich trotz seines Alters - er wird am 18. September 37 Jahre - jetzt wieder fit zu fühlen. In dem "Vanity Fair"-Interview erwiderte er auf sein Alter angesprochen, dass es auch andere außergewöhnliche Sportler gebe, die trotz ihres Alters noch erfolgreich seien. Als Beispiele nannte er die amerikanische Schwimmerin und dreifache Silbermedaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen in Peking, Dara Torres. Sie sei 41 Jahre. Oder die Rumänin Constantina Tomescu, die mit 38 Jahren olympisches Gold im Marathon geholt habe.
Warum tut er sich das an?
Die Fachwelt sieht die Rückkehr Armstrongs verhaltener. Sein früherer sportlicher Leiter Johan Bruyneel, der maßgeblich für Armstrongs sportlichen Erfolg verantwortlich ist, sagte, er "finde das ziemlich seltsam". "Er hat vor drei Jahren mit den Wettkämpfen aufgehört und er ist jetzt in einem gewissen Alter. Er muss nichts mehr beweisen, und er braucht sich finanziell keine Sorgen zu machen."
Dopingexperte Werner Franke sagte dem Sport-Informationsdienst: "Das ist eine Showeinlage, eine weitere Spirale der Volksverdummung. Wenn er zurückkommt, gehört er ganz klar gesperrt."
Deutsche Radprofis reagierten unterschiedlich. Der frühere WM-Dritte Stefan Schumacher freut sich darauf, "gegen so eine Legende zu fahren". Obwohl Armstrong eigentlich nur verlieren könne, wäre es doch eine Sensation, wenn er die Tour de France noch einmal gewinnen würde. Markus Fothen, der künftig mit Erik Zabel zusammen im Milram-Rennstall fährt, warnte davor, dass Armstrong "an seinem eigenen Denkmal herummeißelt". Allerdings habe er jetzt auch die Chance, allen Radfans zu beweisen, "dass damals wirklich alles regulär ablief".
Tour-Organisatoren: Die Tür ist offen
Die Organisatoren der Tour de France erklärten am Mittwoch, er könne gerne im kommenden Jahr teilnehmen. Die Tür stehe offen, so Tour-Direktor Christian Prudhomme, aber "er muss sich wie alle anderen Radfahrer auch den heutigen Regeln unterwerfen, die sehr viel strenger sind als früher".
Armstrong hat sich zumindest schon im Pool bei der amerikanischen Anti-Dopingagentur angemeldet - Voraussetzung für die Aufnahme des Profi-Rennbetriebes. Das amerikanische Fachmagazin "VeloNews" meldet, Armstrong wolle seine Blutwerte im Internet veröffentlichen, "um totale Transparenz zu gewährleisten und zu zeigen, dass er ein sauberer Athlet ist."
Weltverbandspräsident Pat McQuaid sagte, das neu eingeführte Anti-Doping-Programm mit der Einführung biologischer Pässe der Fahrer könnte Armstrong helfen, "zu beweisen, der Athlet zu sein, der er nach seinen Beteuerungen immer war".
Teamfrage noch offen
Am 24. September soll dann feststehen, für welchen Rennstall der Amerikaner fährt. Das Team Astana dementierte entsprechende Gerüchte, der Ausnahmefahrer würde bei ihm unter Vertrag genommen. Armstrongs früherer Teamchef Bruyneel, jetzt Manager bei Astana, sagte am Dienstag in Spanien, es habe zwar noch keine entsprechenden Kontakte gegeben. Aber, "Wenn er es ernst meint, kann ich nur sagen: ich habe ein Team und kann es mir nur schwer vorstellen, Lance bei einem Rennen in einem CSC- oder Rabobank-Trikot zu sehen." Bjarne Riis, CSC-Teamchef, sagte zur dänischen Zeitung "Politiken": "Lance, ruf einfach an!"