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Lange Haftstrafen für 45 Oppositionelle in Hongkong

19. November 2024

Es war das bislang größte Verfahren Chinas gegen pro-demokratische Aktivisten in der früheren britischen Kronkolonie. Mit zehn Jahren die höchste Strafe erhielt der frühere Jura-Professor Benny Tai.

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Der prodemokratische Aktivist und Jurist Benny Tai mit fast verzweifelter Miene
Der Jurist Benny Tai (Archivfoto) muss am härtesten für sein Engagement in Hongkongs Demokratiebewegung büßenBild: ANTHONY WALLACE/AFP

Im bislang größten Prozess gegen die demokratische Opposition in Hongkong sind 45 Aktivisten zu Haftstrafen verurteilt worden. Benny Tai, ein ehemaliger Jura-Professor, der als "Organisator" der pro-demokratischen Aktivisten bezeichnet wurde, erhielt mit zehn Jahren die höchste Strafe. 

Zu den Verurteilten zählen auch der ehemalige Studentenführer Joshua Wong, die pro-demokratischen Politiker Au Nok-hin, Andrew Chiu und Ben Chung sowie der australische Staatsbürger Gordon Ng. Sie müssen bis zu sieben Jahre und drei Monate einsitzen. Wong und 30 weitere Angeklagte hatten sich bereits zu Beginn schuldig bekannt. Von den übrigen 16 Angeklagten befanden die Richter Ende Mai dieses Jahres 14 für schuldig, lediglich zwei wurden freigesprochen. 

Der frühere Studentenführer Joshua Wong mit stolzem Blick
Der frühere Studentenführer Joshua Wong (Archivfoto) muss für vier Jahre und acht Monate ins Gefängnis Bild: Kin Cheung/dpa/picture alliance

Opposition organisierte 2020 Vorwahlen  

Die Aktivisten waren auf der Grundlage des von der chinesischen Regierung erlassenen Nationalen Sicherheitsgesetzes wegen "Verschwörung zum Umsturz" angeklagt worden. Ursprünglich hatte ihnen lebenslange Haft gedroht. Der auch als "Hongkong 47" bezeichneten Gruppe von Oppositionellen wurde vorgeworfen, vor der - später wegen der Corona-Pandemie abgesagten - Wahl für den Legislativrat, Hongkongs Parlament, im Jahr 2020 illegale Vorwahlen organisiert zu haben. Damit hätten sich die Angeklagten der Staatsgefährdung schuldig gemacht und gegen das Sicherheitsgesetz verstoßen. 

Vor dem Gerichtsgebäude führen Polizisten eine Frau ab - vermutlich eine Anhängerin der Hongkonger Demokratiebewegung
Vor dem Gerichtsgebäude führen Polizisten eine Frau ab - vermutlich eine Anhängerin der Hongkonger DemokratiebewegungBild: Tyrone Siu/REUTERS

Anlässlich der Urteilsverkündung reihten sich laut Medienberichten einige hundert Menschen vor dem Gericht in Hongkong ein, um ihre Unterstützung für die Angeklagten zu zeigen. Darunter waren auch Diplomaten aus Deutschland, der EU und anderen Ländern. Die Polizei riegelte das Gebiet um das Gebäude im Stadtteil Kowloon weiträumig ab.

Scharfe Kritik aus London und Brüssel

Großbritanniens Regierung kritisierte die Verurteilungen scharf. Chinas Sicherheitsgesetz habe die Rechte und Freiheiten der Menschen Hongkong ausgehöhlt, hieß es aus London. Die Verurteilung sei ein klarer Beweis, dass Behörden das Gesetz nutzten, um politischen Widerspruch zu bestrafen. Das Vereinigte Königreich werde sich immer für die Menschen in Hongkong einsetzen. 

Auch die Europäische Union verurteilte die Haftstrafen gegen die 45 Aktivisten. Die Urteile seien ein "weiterer beispielloser Schlag gegen die Grundrechte" und die Demokratie in der chinesischen Sonderverwaltungszone, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Brüssel. Die EU sei besorgt über die "politisch motivierte Strafverfolgung". 

Eine Sprecherin des US-Konsulats in Hongkong betonte, die Angeklagten seien "aggressiv" juristisch verfolgt und "inhaftiert" worden, "weil sie sich friedlich an normalen politischen Aktivitäten beteiligt haben". Australien zeigte sich ebenso "sehr besorgt" über die Verurteilungen. "Dies ist eine zutiefst schwierige Zeit für Herrn Ng, seine Familie und Unterstützer", so die australische Außenministerin Penny Wong. Sie wiederholte ihre "starken Einwände gegen die anhaltende breite Anwendung" des Nationalen Sicherheitsgesetzes.

Australiens Außenministerin Penny Wong mit besorgtem Gesichtsausdruck
Penny Wong: "Starke Einwände gegen die anhaltende breite Anwendung" des Nationalen Sicherheitsgesetzes in HongkongBild: Lukas Coch/AAP/AP/picture alliance

Die Sonderverwaltungszone Hongkong galt bis vor wenigen Jahren als Bastion der Meinungsfreiheit in China. Seit Peking im Jahr 2020 das sogenannte Sicherheitsgesetz erlassen hatte, gehen die Behörden in der Sonderverwaltungszone jedoch massiv gegen pro-demokratische Aktivisten und andere Peking-kritische Stimmen vor. Bei der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie 1997 an die Volksrepublik hatte diese zugesichert, das Prinzip "Ein Land, zwei Systeme", das den Menschen in Hongkong zahlreiche Bürgerrechte zusicherte, 50 Jahre lang aufrecht zu erhalten.

sti/wa (afp, dpa, rtr)