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Leonid Wolkow: So gefährlich leben Putins Kritiker

14. März 2024

Leonid Wolkow, langjähriger Vertrauter des toten Kremlkritikers Alexej Nawalny, wurde in Litauen angegriffen und verletzt. Genaue Details sind unbekannt, doch klar ist: Wer Putin kritisiert, lebt offenbar gefährlich.

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Leonid Wolkow | russischer Oppositioneller wurde angeriffen
Wurde in Litauen tätlich angegriffen: Leonid WolkowBild: Emmanuele Contini/NurPhoto/IMAGO

März 2024 - Leonid Wolkow 

Der langjährige Vertraute des im Februar verstorbenen Kremlkritikers Alexej Nawalny wurde am 12. März vor seinem Haus in der litauischen Hauptstadt Vilnius mit einem Hammer tätlich angegriffen und an Kopf, Arm und Bein schwer verletzt.

Wer hinter dem Angriff steckt, ist noch unklar, aber Wolkow selbst beschuldigt den russischen Präsidenten Wladimir Putin, ihn angeordnet zu haben. Die BBC zitiert Wolkow mit den Worten, es sei "ein offensichtlicher, typischer Gangstergruß von Putin, dem Banditen aus St. Petersburg" gewesen.

Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis schrieb auf der Social Media-Plattform X, Ermittlungen zum Aufspüren der Täter seien aufgenommen worden: "Die zuständigen Behörden arbeiten daran. Die Täter werden für ihre Tat zur Rechenschaft gezogen werden."

Februar 2024 - Alexej Nawalny

Wolkows langjähriger Weggefährte Alexej Nawalny war am 16. Februar in russischer Gefangenschaft gestorben. Angeblich, so berichten es russische Medien, sei der 47-Jährige bei einem sogenannten Spaziergang in einer Strafkolonie in der russischen Polarregion plötzlich zusammengebrochen. Rettungsversuche seien erfolglos geblieben. Nawalnys Vertraute zweifeln an dieser Darstellung, manche sprechen gar von einer gezielten Tötung.

Alexej Nawalny steht im Dezember 2019 mit einer orangefarbenen Jacke im Flur, während das Büro seiner Anti-Korruptions-Stiftung (FBK) von der Polizei durchsucht wird - im Hintergrund stehen zwei vermummte Sicherheitsbeamte
Alexej Nawalny: Ständiger Verfolgungsdruck, bis zum SchlussBild: Dimitar Dilkoff/AFP

Denn im August 2020 war Putins schärfster Kritiker bereits mit dem chemischen Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet worden. Nawalny fiel auf einem Inlandsflug von Tomsk nach Moskau ins Koma. Weil eine Behandlung im sibirischen Omsk fruchtlos bleibt, wird er schließlich in die Berliner Charité verlegt. Das rettete ihm vorerst das Leben. Kaum genesen, kehrte Nawalny nach Russland zurück, wo er sofort festgenommen und in Straflager gesteckt wurde.

August 2023 - Jewgeni Prigoschin

Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, stirbt laut russischen Behörden bei einem Flugzeugabsturz am 23. August 2023 auf halber Strecke zwischen Moskau und St. Petersburg im Gebiet Twer, Ursache bislang ungeklärt. Allerdings gehen weite Teile der russischen Öffentlichkeit wie auch westliche Regierungen davon aus, dass der Privatjet des 62-jährigen Prigoschin gezielt zum Absturz gebracht wurde.

Moskau Jewgeni Prigoschin und Putin
Damals noch Putins Koch - Jewgeni Prigoschin und der russische Präsident 2011 in MoskauBild: Misha Japaridze/AP/picture alliance

Alle zehn Insassen an Bord der Maschine kommen laut Behörden ums Leben, darunter auch Prigoschins  Stellvertreter und Mitbegründer der Wagner-Gruppe, Dmitri Utkin, sowie weitere Wagner-Vertreter. Prigoschin war der Kopf der von ihm gegründeten Privatarmee Wagner und im späteren Verlauf ein vehementer Kritiker der russischen Militärführung im Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Ende Juni 2023 hatte Prigoschin eine bewaffnete Meuterei gegen Russlands militärische Führung angezettelt und die Militärzentrale in Rostow-am Don besetzt. Die Meuterei wurde jedoch nach rund einem Tag beendet. Putin nannte ihn einen "Verräter", zu einem Showdown kam es allerdings nicht. Spätestens seit dem Kurzaufstand gab es jedoch Spekulationen über einen baldigen Tod Prigoschins.

September 2022 - Fenstersturz des Rawil Maganow

Der Vorstandschef des russischen Ölkonzerns Lukoil kommt beim Sturz aus dem sechsten Stock eines Moskauer Krankenhauses ums Leben. Die Polizei geht von einem Suizid aus, bei Maganow seien in der Klinik neben Herzproblemen eine Depression diagnostiziert worden. Der russische Ölriese Lukoil hatte als erstes großes russisches Unternehmen ein Ende des Krieges in der Ukraine gefordert. Maganow ist nicht der erste ominöse Todesfall bei Lukoil seit Ausbruch des Krieges - Manager Alexander Subbotin soll bei einer okkulten Behandlung gegen Alkoholsucht ums Leben gekommen sein.

August 2019 - Tiergarten-Mord mitten in Berlin

Selimchan Changoschwili, ein Georgier tschetschenischer Herkunft, der einst im Kaukasus gegen die Russen gekämpft hat, wird von einem Auftragsmörder am helllichten Tag in der deutschen Hauptstadt mit drei Kugeln in Kopf und Rücken erschossen. Der Täter, der russische Geheimdienstmitarbeiter Wadim Krassikow, wird noch am Tatort festgenommen und zwei Jahre später zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

April 2019 - Parallelen zu Nawalny bei Dmitrij Bykow

Der Dichter und Satiriker Bykow, der Wladimir Putin gerne scharfzüngig in Versform kritisiert, ist auf einer Lesereise in Sibirien, als auch ihm im Flugzeug schlecht wird. Aus bis heute ungeklärten Gründen liegt er fünf Tage im Koma und muss künstlich beatmet werden. Präsent waren dieselben Geheimdienstmitarbeiter, die auch beim Giftanschlag auf Nawalny mitgewirkt haben sollen.

September 2018 - Vergiftungsymptome bei Pjotr Wersilow

Der Künstler und Pussy Riot-Aktivist klagt nach einem Gerichtstermin in Moskau über Seh-, Sprech- und Bewegungsstörungen. Beim Finale der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Moskau war Wersilow auf das Spielfeld gerannt, um auf die Polizeigewalt im Land aufmerksam zu machen. Später wird auch er in der Berliner Charité behandelt, deren Ärzte eine Vergiftung für wahrscheinlich halten.

Kritiker in Lebensgefahr

März 2018 - Nervengift auf der Türklinke bei Sergej Skripal

Der russische Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia werden bewusstlos auf einer Parkbank in Skripals Wohnort Salisbury in Großbritannien gefunden. Beide überleben den Anschlag mit dem Nervengift Nowitschok, im Gegensatz zu der Britin Dawn Sturgess, die ebenfalls mit dem Nervengift in Berührung kommt. Die britische Polizei geht davon aus, dass das Gift als klebrige Substanz auf der Türklinke verteilt wurde.

Februar 2015 - Mord an Boris Nemzow in Sichtweite des Kremls

Der frühere Vizeministerpräsident der Russischen Föderation unter Boris Jelzin und prominente Putin-Kritiker geht mit seiner Freundin auf der Großen Moskwa-Brücke im Zentrum Moskaus nach Hause, als ein Auto mit vier Insassen kurz hinter ihm anhält und Nemzow mit vier Kugeln in Rücken und Hinterkopf erschossen wird. Drei Stunden zuvor hatte er in einer Radiosendung Wladimir Putin erneut scharf kritisiert. 2017 werden drei Tschetschenen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, Auftraggeber und Motiv sind bis heute unklar.

Blumenmeer mit Kreml im Hintergrund
Blumenmeer mit Kreml im Hintergrund - Gedenken zum Tod von Boris Nemzow am 27.2.2021Bild: Sergey Satanovskiy/DW

Juli 2009 - Natalja Estemirowa tot im Straßengraben

Die Historikerin und damalige Leiterin der Menschenrechtsorganisation Memorial wird vor der Tür ihres Hauses in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny entführt und wenige Stunden später in der Nachbarrepublik Inguschetien in einem Straßengraben mit mehreren Kopf- und Brustschüssen tot aufgefunden. Estemirowa hatte russische Sicherheitskräfte und die berüchtigten Todeskommandos des kremltreuen Republikchefs Ramsan Kadyrow für Entführungen und Rechtsverletzungen verantwortlich gemacht. Die Untersuchung des Mords verlief ohne Ergebnis.

Rote Rosen auf dem Porträt von Natalja Estemirowa
In Moskau werden rote Rosen zur Trauer auf das Porträt von Natalja Estemirowa gelegtBild: Yuri Kochetkov/epa/dpa/picture alliance

Januar 2009 - Nationalisten ermorden Stanislaw Markelow und Anastassija Baburowa

Der Menschenrechtsanwalt und Memorial-Mitarbeiter wird auf offener Straße in Moskau mit einem Kopfschuss getötet. Markelow hatte tschetschenische Familien vertreten, deren Angehörige Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden waren und die rechtsradikale Szene ausgeleuchtet. Bei dem Anschlag kommt auch die Journalistin der oppositionellen Zeitung Nowaja Gaseta Baburowa ums Leben. Die Täter stammen aus einer faschistischen Organisation. Ob es sich um einen Auftragsmord handelt, bleibt ungeklärt.

November 2006 - Eine Tasse Tee für Alexander Litwinenko

Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter und spätere Überläufer und Putin-Gegner erliegt in einem Londoner Krankenhaus qualvoll einer Vergiftung mit dem radioaktiven Stoff Polonium-210. In seinem Buch "Der FSB sprengt Russland" hatte er dem Geheimdienst vorgeworfen, Explosionen von Wohnhäusern im Jahr 1999 wie auch einige andere Terroranschläge in Russland organisiert zu haben, um den Krieg in Tschetschenien zu rechtfertigen und Wladimir Putin an die Macht zu bringen. An einer Hotelbar soll Litwinenko das Gift in den Tee gemischt worden sein. Niemand kommt für die Tat hinter Gitter.

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Oktober 2006 - Mord im Fahrstuhl an Anna Politkowskaja

Die regierungskritische Journalistin der Nowaja Gaseta, die 2004 vermutlich im Flugzeug auch mit einer Tasse Tee vergiftet werden sollte, wird im Aufzug ihres Hauses durch fünf Kugeln in Brust und Kopf getötet - ausgerechnet an Putins Geburtstag. Politkowskaja galt als moralische Anwältin Tschetscheniens und hatte sowohl die dortigen Zustände als auch die Kriegsverbrechen der russischen Armee kritisiert. Fünf mutmaßlich Beteiligte erhielten lange Haftstrafen, die Hintermänner sind bis heute nicht gefunden.

Demonstrantin ein Bild von Anna Politkowskaja in die Höhe
In Sankt Petersburg hält 2016 eine Demonstrantin ein Bild von Anna Politkowskaja in die HöheBild: Peter Kovalev/TASS/dpa/picture alliance

Juli 2003 - Qualvoller Tod für Juri Schtschekotschichin

Der Journalist der Nowaja Gaseta, der in den späten 1990er-Jahren Abgeordneter der Opposition in der Staatsduma war und die Korruption und das organisierte Verbrechen in Russland anprangerte, stirbt einen wochenlangen, qualvollen Tod durch eine mysteriöse Vergiftung. Die Haut trennt sich vom Körper, ein Organ nach dem anderen versagt. Russische Behörden verweigern die Autopsie seiner Leiche, die Krankenankte verschwindet. Die Untersuchung einer Hautprobe in London deutet später auf das giftige Schwermetall Thallium hin, das der sowjetische Geheimdienst KGB bevorzugt einsetzte.

April 2003 - Politikermord an Sergej Juschenkow

Der frühere russische Informationsminister und Co-Vorsitzende der Partei "Liberales Russland" und Putin-Gegner Sergej Juschenkow wird vor seinem Haus in Moskau durch mehrere Schüsse in die Brust ermordet, der Mord nie aufgeklärt. Juschenkow war Mitglied im Geheimdienstausschuss der Staatsduma und einer der schärfsten Kritiker des Tschetschenienkrieges und der KGB-Nachfolgeorganisation FSB. Er ist der zweite Politiker der liberalen Partei, der einem Attentat zum Opfer fällt. Bereits im August 2002 wurde Wladimir Golowljow erschossen, als er seinen Hund spazieren führte.

Dieser Artikel wurde erstmals 2023 veröffentlicht und zuletzt am 13.3. aktualisiert.

Porträt eines blonden Manns im schwarzen Hemd
Oliver Pieper DW-Reporter und Redakteur