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Langenfeld: "Jeder sollte sich entfalten können"

Christina Ruta6. September 2012

Für Christine Langenfeld, die neue Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, ist es wichtig, dass Vielfalt in der Gesellschaft als Chance gesehen wird.

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Christine Langenfeld, Vorsitzende des Sachverständigenrats (Foto: SVR, David Ausserhofer)
Bild: SVR/David Ausserhofer

Christine Langenfeld ist die neue Vorsitzende des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Sie löst den Gründungsvorsitzenden Klaus Jürgen Bade ab, der am Donnerstag (30.08.2012) offiziell verabschiedet wurde. Der Rat besteht aus neun Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen wie Jura, Wirtschaft, Pädagogik, Soziologie und Politikwissenschaft. Getragen wird er von acht Stiftungen. Der Sachverständigenrat berät als unabhängiges Gremium die Politik in Fragen von Integration und Migration.

DW: Frau Langenfeld, welche grundlegenden Positionen vertritt der Rat in Bezug auf die Themen Integration und Migration?

Wir sind der Meinung, dass jeder Mensch, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, die Chance bekommen muss sich zu entfalten. Das bedeutet Teilhabe an Bildung, am Arbeitsmarkt, an politischen Prozessen, am wirtschaftlichen Wohlstand, am kulturellen Leben und an sozialen Kontakten. Unsere zweite Überzeugung ist, dass wir qualifizierte und gesteuerte Zuwanderung nach Deutschland brauchen, um die sinkenden Geburtenraten auszugleichen. Wir haben in einigen wichtigen Bereichen wie dem Ingenieurwesen, der Informationstechnologie oder dem Pflegebereich schon heute einen Fachkräftemangel.

Ein portugiesischer Krankenpfleger sitzt in einem Krankenzimmer eines Krankenhauses (Foto: dpa)
Deutschland braucht Fachkräfte - nicht nur im PflegebereichBild: picture-alliance/dpa

Halten Sie die Situation der Migranten in Deutschland mit Blick auf Bildungschancen und den Zugang zum Arbeitsmarkt für gut?

Die Situation hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Kinder und Jugendliche mit ausländischem Pass haben bei den Bildungsabschlüssen aufgeholt. Leider unterscheidet die Schulstatistik bislang nur nach Staatsangehörigkeit, was das Bild etwas verfälscht. Denn diese Zahlen blenden die eingebürgerten Schüler aus, die in der Schule häufig besser abschneiden. Festzuhalten ist zunächst, dass die Zahl der ausländischen Jugendlichen ohne Schulabschluss sinkt. Auch im Bereich der beruflichen Bildung geht es aufwärts, auch wegen der besseren Bildungsabschlüsse. Aber jungen Menschen mit Migrationshintergrund gelingt es immer noch deutlich seltener, nach der Schule eine berufliche Ausbildung zu durchlaufen. Und noch immer sind doppelt so viele Ausländer arbeitslos wie Deutsche.

Welche konkreten Maßnahmen fordern Sie von der Politik?

Im Bildungsbereich fordern wir, dass sich Schulen und Lehrkräfte noch besser auf die Bedürfnisse der Schüler mit Migrationshintergrund einstellen. Vor allem muss die Förderung der deutschen Sprache gestärkt werden. Hierfür müssten möglichst einheitliche Vorgaben entwickelt werden, deren Einhaltung auch gut überprüft werden kann. Die Sprachförderung darf auch nicht zu früh aufhören, sondern muss, wenn nötig, während der gesamten Schulkarriere vorangetrieben werden. Wir fordern außerdem eine Stärkung der frühkindlichen Erziehung und schließlich des dualen Ausbildungssystems in Deutschland. Das duale System ist eine wirkliche Erfolgsgeschichte und kann ein Integrationsmotor in den Berufen sein, die keine akademische Ausbildung erfordern.

Teilnehmer eines Integrationskurses "Deutsch als Fremdsprache" (Foto: picture alliance, Waltraud Grubitzsch)
Die Förderung deutscher Sprachkenntnisse soll gestärkt werdenBild: picture-alliance/ZB

Welche Mittel stehen dem Rat zur Verfügung, um seinen Positionen Gehör zu verschaffen?

Der Sachverständigenrat stellt der Öffentlichkeit wissenschaftlich fundierte Ergebnisse zu Fragen der Integration und Migration zur Verfügung und wirkt so auf die Diskussion in Politik und Gesellschaft ein - und das gelingt uns auch gut. Das Gesetz zur Fachkräftezuwanderung, das zum 1. August 2012 in Kraft getreten ist, nimmt beispielsweise eine ganze Reihe von Empfehlungen des Sachverständigenrates zu einer erleichterten Zuwanderung Hochqualifizierter auf. 

Welche Akzente möchten Sie als Nachfolgerin von Herrn Bade setzen? Welche Themen sind Ihnen persönlich ein Anliegen?

Das ist insbesondere das Thema Europa. Der Sachverständigenrat wird sein Jahresgutachten 2013 zum Migrationsraum Europa vorlegen. Wir sind der Überzeugung, dass gerade gegenwärtig die europäische Integration eine Stärkung braucht und wir wollen mit unserem Gutachten dazu beitragen. Das zweite wichtige Thema ist die Bildung, der eine Schlüsselrolle bei der Integration zukommt. Das dritte Thema ist eine Frage, die die Arbeit des Sachverständigenrates stets begleitet: Was hält eine plurale Einwanderungsgesellschaft zusammen: Was sind die gemeinsamen Werte und Normen, auf die wir uns für ein Zusammenleben verständigen? Das ist eine Frage, die die Menschen sehr bewegt. Hierbei ist es sehr wichtig, dass wir Vielfalt als eine Chance begreifen und dass die Menschen mit Migrationshintergrund wirklich das Gefühl haben, dazuzugehören. Wir setzen auf ihre Mitwirkung in allen Bereichen der Gesellschaft und in der Politik. Nur so kann unsere Demokratie weiter mit Leben erfüllt werden und gut funktionieren.

Klaus Jürgen Bade, der Vorgänger von Christine Langenfeld (Foto: privat)
Vorgänger von Christine Langenfeld: Klaus Jürgen BadeBild: privat