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Laschet und Scholz streiten, Baerbock wirkt entspannt

12. September 2021

Die Spitzenkandidaten von CDU/CSU, SPD und Grünen treffen in der Wahlsondersendung von ARD und ZDF aufeinander. Es wird vor allem ein Streitgespräch zwischen den beiden Männern.

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Deutschland | Bundestagswahl | TV-Triell der Kanzlerkandidaten
Bild: Michael Kappeler/AFP/Getty Images

Das Positive vorweg: Endlich ist Wahlkampf in Deutschland. Die Spitzenkandidaten-TV-Sendung von ARD und ZDF braucht nicht lange, um die beiden Haupt-Streithähne gegeneinander aufzubringen: Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat vergangene Woche eine Razzia im Finanzministerium von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz durchgeführt, es geht um Geldwäsche oder besser um die Frage, ob Scholz als Minister energisch genug dagegen vorgegangen ist.

Angriff - und Konter

CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, greift Scholz frontal an: "Wenn mein Finanzminister so arbeiten würde wie Sie, dann hätten wir ein Problem." Scholz kontert, gegen sein Ministerium werde gar nicht ermittelt, sondern die Staatsanwaltschaft habe lediglich Informationen erhalten wollen: "Herr Laschet, Sie müssen sich vorwerfen lassen, ganz klar: Diesen falschen Eindruck haben Sie absichtlich erweckt." 

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Zwei Männer streiten, eine Frau hört zu: Szene vor Beginn der Sendung in ARD und ZDFBild: Michael Kappeler/AFP/Getty Images

Hitzig und lebendig im Wahlendspurt

Hitzig geht es zu, es ist klar zu spüren: Es sind nur noch zwei Wochen bis zu Wahl. "Triell", so heißt die Sendung offiziell. Das ist eigentlich eine unmögliche Wortschöpfung, es meint so etwas wie ein Duell zu Dritt, aber das Wortungetüm zeigt, wie sich die Zeiten verändert haben: Lange Jahrzehnte haben nur die beiden Spitzenkandidaten von CDU/CSU und SPD in Deutschland um die Kanzlerschaft gekämpft, es gab stets "Duelle" im Fernsehen, jetzt sind drei Kandidaten da: Olaf Scholz, der aktuelle Vizekanzler und Finanzminister, für die Sozialdemokraten. Armin Laschet, der CDU-Chef, für die Union aus CDU und CSU, und die Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock. 

Laschet muss in die Offensive gehen

Zündstoff hat es schon vor der Sendung genug gegeben: Laschet hat seine Zurückhaltung aus weiten Teilen des Wahlkampfes in den letzten Tagen aufgegeben und bläst zur Attacke. Es bleibt ihm auch kaum etwas Anderes übrig. Glaubt man einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA vom Wochenende, dann kommt die SPD auf 26 Prozent der Stimmen, die Union aus CDU und CSU auf etwa 20 Prozent und die Grünen auf 15 Prozent. Und das, obwohl die Union lange in den Umfragen vorn lag. Erst in den letzten Wochen haben die Sozialdemokraten überholt. Am Samstag hat Laschet sicher auch deshalb zum Angriff auf die SPD geblasen: Auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg sagte er wörtlich: "In all den Entscheidungen der Nachkriegszeit standen Sozialdemokraten immer auf der falschen Seite." Immer wenn es Krisen gegeben habe, habe die SPD an Steuererhöhungen und ans Schulden-Machen gedacht. Umgehend sprach die SPD von einer "Schmutzkampagne".

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Armin Laschet weiß: Er muss angreifen, um die Wahl noch gewinnen zu könnenBild: Daniel Lakomski/Jan Huebner/imago images

Annalena Baerbock hört zu - und wirkt befreit

Annalena Baerbock, die Grünen-Vorsitzende und Kanzlerkandidatin, deren Partei noch im Frühjahr manche Umfrage angeführt hat, kommt auch wegen dieser Zuspitzung zwischen Union und SPD in der gut 90-minütigen Sendung zunächst so gut wie gar nicht vor im Streit der beiden Männer. Immer wieder fallen sich die beiden Politiker ins Wort, Baerbock schweigt. Zumal es bei vielen Themen sehr kleinteilig zugeht. Die Lehren aus der Corona-Krise? Es gibt leichte Nuancen in den Ansichten: Baerbock lehnt eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte und Pfleger nicht grundsätzlich ab, Laschet und Scholz sehr wohl. Die mangelnde Digitalisierung in Deutschland? Baerbock sagt, die Union aus CDU und CSU habe in 16 Jahren an der Macht weder den Kampf gegen den Klimawandel noch die Digitalisierung zur Chefsache gemacht. Die Grünen wollten deshalb 50 Milliarden Euro investieren, in die Infrastruktur, in den Bahnausbau, in Windanlagen. Jetzt müsse gehandelt werden, "sonst wird es richtig teuer". 

Deutschland | Bundestagswahl | TV-Triell der Kanzlerkandidaten | Baerbock
Befreit nach schwierigen Wahlkampfwochen: Annalena Baerbock ist klar - Kanzlerin wird sie nicht mehrBild: Michael Kappeler/AFP/Getty Images

Hier wirkt Baerbock entspannt und sicher, was auch damit zu tun hat, dass ihr klar ist, dass sie nach einem schwierigen Wahlkampf mittlerweile kaum noch eine reelle Chance auf das Kanzleramt hat. Weniger ambitioniert klingen da Scholz und Laschet. Beide wollen den Benzinpreis aus Klimaschutzgründen nur moderat anheben. All diese Debatten wirken nicht so, als könnten die Kandidaten aus dem Wortwechsel wirklich Kapital schlagen. 

Außenpolitik? Afghanistan? Kein Thema!

Zwei Wochen vor der Wahl dominiert die Innenpolitik. Auffällig ist: Es geht um die Rente, um Steuern, um Bürokratie, um die Idee einer Bürgerversicherung. Klar zu merken ist dabei auch, dass SPD und Grüne sich bei diesen Themen näher sind. Die Außenpolitik kommt bei der Debatte kaum vor, kein Wort zu Afghanistan, auch nicht zum Jahrestag der Anschläge des 11. September. Auch die Themen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus oder die Spaltung der Gesellschaft werden nicht angesprochen.

Erste Umfragen sehen Scholz als Sieger

Lebhaft immerhin geht es zu, vor allem Laschet greift Scholz immer wieder an. Aber ob die Menschen in Deutschland jetzt besser wissen, welche Partei sie am 26. September wählen sollen, ist eine andere Frage.

Deutschland | Bundestagswahl | TV-Triell der Kanzlerkandidaten | Scholz
Ruhig und solide: Erste Umfragen sehen Scholz als Gewinner des TriellsBild: Daniel Lakomski/Jan Huebner/imago images

Noch sind nach Umfragen 30 Prozent der Wähler nicht sicher, für wen sie sich in 14 Tagen entscheiden sollen. Armin Laschet sagt dann in seinem Schlußplädoyer, er wolle die Menschen nicht gängeln und ihnen vorschreiben, was sie zu denken haben. Baerbock entgegnet, jetzt brauche es einen wirklichen Aufbruch, vor allem beim Klimaschutz. Und Scholz erklärt, es gehe um die Zukunft Deutschlands, vor allem um eine neue Solidarität , die sich schon während der Pandemie und beim Sommer-Hochwasser gezeigt habe. Eine schnelle Umfrage von ARD und ZDF zur Halbzeit des Schlagabtausches sah Scholz klar als Gewinner der Sendung.