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Lateinamerika: Wege, die Energieprobleme zu lösen

Tobias Käufer
9. November 2024

El Salvador liebäugelt mit der Atomkraft, in Peru wird die Lithium-Förderung kritisiert. In Brasilien feiert man die Zukunft mit grünem Wasserstoff - in Chile zweifelt man. Wie Lateinamerika mit Energieproblemen umgeht.

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Lithium-Abbau am Uyuni-Salzsee in Bolivien
In Bolivien gibt es große Vorkommen an Lithium. Ende 2023 konnte Russland und China den Fuß in die Tür bekommen, um sich am Abbau zu beteiligenBild: picture alliance/dpa

Stunden oder gar ganze Tage ohne Strom in Ecuador oder Kuba, Engpässe in Brasilien: Lateinamerikas Energieversorgung erlebt schwierige Zeiten. Gründe gibt es viele. Einer ist, dass die Region, die eigentlich Vorreiter bei erneuerbaren Energien ist, nun von den Folgen des Klimawandels besonders hart getroffen wird. Wochenlange Dürren haben zu Niedrigständen in den Flüssen und Stauseen geführt, die Wasserkraftwerke antreiben sollen. Und die wiederum sorgen für den Strom aus der Steckdose - oder eben auch nicht.

Es gibt erste Verteilungskämpfe, so will Kolumbien erst mal keinen Strom mehr nach Ecuador liefern, um die eigene Versorgung nicht zu gefährden. Auch wenn die Gründe für die Engpässe in jedem Land differenziert betrachtet werden müssen, sind die Konsequenzen gleich: Stromrationierungen oder Stromausfälle. Das sorgt nun in vielen Ländern für eine Debatte darüber, wie die Energieversorgung stabiler gemacht werden kann.

Bald Atomstrom für El Salvador?

Länder wie El Salvador planen deshalb eine Reaktivierung von Plänen zur Kernenergie zurückzukehren. "In sieben Jahren wollen wir zunächst einen Forschungsreaktor und dann einen Leistungsreaktor haben", sagte Daniel Alvarez, Chef der Kommission für Wasserkraft (CEL), bei einer Fachtagung in Asuncion in dieser Woche.

El Salvador Nayib Bukele hat im Februar 2023 ein Wasserkraftwerk in San Luis de la Reina eingeweiht.
El Salvador Nayib Bukele hat im Februar 2023 ein Wasserkraftwerk in San Luis de la Reina eingeweiht. Solche Wasserkraftwerke funktionieren natürlich nur, wenn genügend Wasser da ist Bild: Camilo Freedman/SOPA Images via ZUMA Press Wire/picture alliance

Das Thema Atomstrom wird auch in anderen Ländern wieder aktuell, eine neue Generation kleinerer Reaktoren sorgt für Interesse. Die einhellige Meinung: Strom aus dem Atom sei emissionsfrei und damit eine grüne Energie.

Zweifel an der Lithium-Euphorie

Zur Energiedebatte gehört auch die Diskussion um den Rohstoff Lithium. Der ist nach heutigem Stand der Wissenschaft erst einmal unverzichtbar für den Bau von Akkus für Elektroautos. Die emissionsfreien Fahrzeuge sollen einmal die mit fossilen Treibstoffen angetriebenen Verbrenner auf den Straßen ablösen. Soweit der Plan. Doch in vielen lateinamerikanischen Ländern regt sich Widerstand.

Inmitten von Dürre-Zeiten ist das Misstrauen gegen die wasserintensive Gewinnung des Rohstoffes groß. Aus Peru wird Kritik an einem Projekt hoch in den Anden gemeldet. Dort plant Yellowcake, eine Tochtergesellschaft des kanadischen Unternehmens American Lithium, im Einzugsgebiet des Quelcaya-Gletschers in der Region Puno 9,5 Millionen Tonnen Lithium zu fördern.

Umweltaktivist Vito Calderón kritisiert das Projekt mit Blick auf die Wasserversorgung der dort lebenden Menschen: "Das Süßwasser aus diesem Gebiet fließt in das Inambari-Becken, das Urubamba-Becken und das Azángaro-Becken, das in den Titicacasee mündet", sagte Calderón bei einem Frankreichbesuch dem Portal Radio France International. Die Befürchtung der Umweltschützer: Das Wasser könnte entweder kontaminiert werden oder dem natürlichen Kreislauf entzogen werden.

Eine Luftaufnahme von Laugenbecken, die sich in der SQM-Mine in der Wüste von San Pedro de Atacama in Chile langsam in Lithium verwandeln.
Große Becken in der Atacama-Wüste in Chile enthalten Sole, die aus dem Wüstenboden hochgepumpt wird und Lithiumkarbonat enthält. Hieraus entsteht Lithium. Das verbraucht viel Grund- und FlusswasserBild: Rodrigo Abd/AP Photo/picture alliance

Mehr Realismus bei Grünem Wasserstoff

Auch der Auftakteuphorie rund um die Pläne zum grünen Wasserstoff ist inzwischen eine Art Ernüchterung gewichen. "Grüner Wasserstoff: Weltweite Zweifel am strategischer Industriezweig für Chiles Zukunft" kommentierte vor wenigen Tagen das chilenische Portal Emol und fasst damit die Stimmungslage zusammen. Die hohen Investitionskosten sorgen für Zurückhaltung.

Alex Godoy, Direktor des Zentrums für Nachhaltigkeitsforschung (CiSGER) an der "Universidad del Desarrollo" wirbt für mehr Realismus und kleine überschaubare, planbare Schritte: "Der Fahrplan sollte kurzfristige Ziele festlegen, die es ermöglichen, dass die Investitionsprojekte rentabel, aber auch umweltfreundlich sind", so Godoy.

Große Pläne in Brasilien

Im größten Land Lateinamerikas sind die Wasserstoff-Pläne dagegen gerade zu euphorisch. Im bislang strukturschwachen Nordosten könnte eine Art neues Kraftzentrum der Welt entstehen, schrieben brasilianische Medien. Es gibt wohl kaum eine Region in der Welt, in der so günstiger Strom und somit Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden kann. Einzelne Bundesländer wie Ceará und Pernambuco haben bereits Verträge mit ausländischen Investoren abgeschlossen.

März 2023: der deutsche Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck auf den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen in Brasilien
Als im März 2023 der deutsche Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck zu den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen nach Brasilien reiste, stand vor allem das Thema grüner Wasserstoff im medialen Interesse. Bild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

"Leider sind deutsche Investoren nicht darunter", sagt Ansgar Pinkowski im Gespräch mit der Deutschen Welle. Der Gründer der Agentur Neue Wege in Brasilien, hat sich auf die Beratung und Vermittlung von Energiewendethemen zwischen Brasilien und Europa spezialisiert. "Mit den kürzlich verabschiedeten Gesetzen für nachhaltigen Wasserstoff sind auch die Risiken für Investoren wesentlich geringer und kalkulierbarer geworden", sagt Pinkowski und wagt eine Prognose: "Wir werden in den nächsten Jahren ein sehr starkes wirtschaftliches Wachstum in der Region sehen von denen hoffentlich alle Bevölkerungsschichten profitieren werden."