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Politik

Laute Rufe nach wirklicher Seenotrettung

3. Oktober 2019

2013 mussten mehr als 360 Flüchtlinge sterben, weil ihr Kutter vor Lampedusa kenterte. Den Jahrestag der Tragödie nutzen Europarat, UNHCR und Carola Rackete, um der EU-Flüchtlingspolitik gehörig die Leviten zu lesen.

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Dichgedrängt sitzen vor Libyens Küste aufgenommene Flüchtlinge auf dem Rettungsschiff "Eleonore" (Foto: picture-alliance/dpa/J. Filous)
Dichgedrängt sitzen vor Libyens Küste aufgenommene Flüchtlinge auf dem Rettungsschiff "Eleonore" (Foto vom 31. August)Bild: picture-alliance/dpa/J. Filous

Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat die EU zu mehr Einsatz bei der Seenotrettung von Migranten im Mittelmeer aufgefordert. Die Rettung von Männern, Frauen und Kindern müsse über politische Erwägungen gestellt werden, hieß es in einer Resolution, die das Gremium bei seiner Sitzung in Straßburg verabschiedete.

Der Fokus der Europäischen Union auf Grenzkontrollen und die "Auslagerung von Asylansprüchen auf Länder außerhalb der Grenze" habe zu keinem überzeugenden Ergebnis geführt, erklärte die Parlamentarische Versammlung. Die europäischen Staaten sollten zudem den Nichtregierungsorganisationen (NGO) erlauben, Rettungseinsatze im Mittelmeer durchzuführen. Die Arbeit der NGOs dürfe nicht stigmatisiert werden, heißt es in der Erklärung weiter. Die Versammlung forderte die EU zudem auf, eine neue staatliche Rettungsmission im Mittelmeer zu starten.

Massensterben am 3. Oktober 2013

Anlass für die Resolution ist der sechste Jahrestag der Flüchtlingstragödie von Lampedusa. Bei dem Bootsunglück vom 3. Oktober 2013 vor der italienischen Insel starben mehr als 360 Flüchtlinge vor allem aus Somalia und Eritrea, als ihr Kutter kenterte. Der Europarat kümmert sich unter anderem um den Schutz und die Einhaltung der Menschenrechte in seinen 47 Mitgliedsstaaten. Die Organisation agiert unabhängig von der EU.

3. Oktober 2013: Die Leichen der Flüchtlinge werden in eine Halle auf Lampedusa gebracht (Foto: picture-alliance/dpa)
3. Oktober 2013: Die Leichen der Flüchtlinge werden in eine Halle auf Lampedusa gebrachtBild: picture-alliance/dpa

Auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen verlangte eine umfassende Wiederherstellung der Such- und Rettungskapazitäten im Mittelmeer. Während die Zahl der Ankünfte über das Mittelmeer in den vergangenen Jahren drastisch gesunken sei, steige weiter die Quote derer, die bei einer Überfahrt ums Leben kommen, kritisierte das UNHCR. Allein in diesem Jahr seien mehr als 1.000 Menschen ertrunken oder verschollen. Diese Situation sei "nicht hinnehmbar". Es müsse sichergestellt werden, dass Gerettete unverzüglich an Land gebracht und Asylsuchende auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden könnten, erklärte das Hilfswerk.

"Wir verstoßen gegen internationales Recht" 

Die deutsche Kapitänin des Rettungsschiffes "Sea-Watch 3", Carola Rackete, nahm den Jahrestag der Lampedusa-Katastrophe zum Anlass, um einen Systemwechsel bei der europäischen Politik gegenüber Bootsflüchtlingen einzufordern. Am wichtigsten sei die Schaffung sicherer und legaler Wege nach Europa, erklärte Rackete bei einer Anhörung im Europaparlament in Brüssel zum Thema Seenotrettung im Mittelmeer. Auch die Dublin-Regeln zur Verteilung von Asylsuchenden müssten reformiert werden. Ein temporäres Umverteilungssystem, das eher auf Rückführungen als Willkommen setze, sei keine realistische Lösung.

Carola Rackete bei einer Pressekonferenz in Brüssel nach der Anhörung im Europaparlament   (Foto: picture-alliance/dpa/F.Seco)
Carola Rackete bei einer Pressekonferenz in Brüssel nach der Anhörung im Europaparlament Bild: picture-alliance/dpa/F.Seco

Ende September hatten sich die Innenminister von vier EU-Staaten - Deutschland, Frankreich, Italien und Malta  - auf einen Notfallmechanismus für im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge und Migranten geeinigt. Rackete kritisierte, dass Nichtregierungsorganisationen darin verpflichtet würden, den Befehlen der zuständigen Küstenwache zu folgen. "Wenn die libysche Küstenwache uns anweist, Gerettete zurück nach Libyen zu bringen, verstoßen wir gegen internationales Recht", so die Kapitänin; denn Libyen sei laut verschiedenen Urteilen kein sicherer Hafen.

"Selbstmord-Wachen" auf der "Sea-Watch 3"

Rackete hatte zuvor ihre Odyssee mit der "Sea-Watch 3" geschildert, als Italien im Sommer dem Schiff mit Flüchtlingen an Bord 17 Tage lang die Anlandung verweigerte. Gegen Ende sei die Situation an Bord unhaltbar geworden, es seien "Selbstmord-Wachen" aufgestellt worden, um Suizide zu verhindern, sagte Rackete. Weil sie schließlich gegen italienische Anweisung Lampedusa anlief, laufen in Italien weiter Ermittlungen gegen sie.

sti/kle (dpa, epd, kna)