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Leben in der Warteschleife

Veronika Seidel, Sarah Modrow, Tarek Elias-Hasse20. Februar 2014

Karge Zimmer und keinerlei Privatsphäre: Moaz wohnt mit seiner Familie in der ehemaligen Bayernkaserne in München, einer Sammelunterkunft für Flüchtlinge. Seit Monaten warten sie dort auf ihre Aufenthaltsgenehmigung.

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Fluchtlingspaar aus Syrien (foto: Tarek Elias-Hasse)
Moaz und Hanaa sind seit Oktober 2013 in DeutschlandBild: DW/T. Elias-Hasse

Moaz ist mit seiner Frau und seinen drei Kindern aus Syrien geflohen. Über Lampedusa und quer durch Italien sind sie nach München gekommen. Jetzt wohnen sie in einer Sammelunterkunft, der ehemaligen Bayernkaserne – auf 24 Quadratmetern in einem früheren Büroraum.

DW: Wie hat das Leben in München für Sie begonnen?

Moaz: Ich bin am 8. Oktober 2013 in Deutschland angekommen. Wir haben noch keinen Status, da wir die Ergebnisse des Aufnahme-Interviews noch nicht haben. In diesem Interview ging es darum, warum ich mit meiner Familie nach Deutschland gekommen bin. Das ist jetzt fünf Monate her. Obwohl in den offiziellen Unterlagen steht, dass der Aufenthalt in der Kaserne nicht länger als drei Monate dauern darf. Wir haben keine Ergebnisse, keine Antworten.

Zwei Ihrer Kinder sind Autisten. Wird da besonders Rücksicht genommen?

Wir hatten uns erhofft, dass sie wegen ihrer Behinderung vernünftig betreut werden. In Deutschland haben Ärzte als allererstes mit der Diagnose angefangen. Aber seitdem warten wir immer noch auf den Bericht vom Arzt. Die Hilfe für die Kinder ist von unserem Status als Flüchtlinge abhängig. Ohne Status keine Hilfe für die Kinder.

Momentan leben Sie auf 24 Quadratmetern in einem ehemaligen Büroraum. Reicht das für fünf Personen?

Es ist eine ganz einfache und minimalistische Einrichtung. Am Anfang war das alles für uns in Ordnung, weil wir endlich ein sicheres zu Hause hatten. Wir waren zufrieden mit allem, was wir im Zimmer hatten. Wir dachten, dass wir nicht länger als zwei oder drei Monate bleiben.

Keinerlei Ablenkung für die Menschen

Sie sind jetzt aber bereits fünf Monate dort.

Mittlerweile sind wir nicht mehr zufrieden. Wir haben kein Fernsehen, wir haben kein Internet, keine Nachrichten und keine Unterhaltung. Die wichtigsten Sachen fehlen. Die Kinder haben keine Möglichkeit, die Zeit vernünftig zu verbringen. Bislang wurde hier an einem Spielplatz gebaut: Seit einem Monat ist er fertig, aber keiner darf ihn betreten. Warum das so ist, erklärt uns niemand.

Moaz zeigt seinen Asylantrag (Foto: Tarek Elias-Hasse)
Hoffnung auf die Bewilligung des AsylantragsBild: DW/T. Elias-Hasse

Wie sieht es mit der Hygiene aus?

Wir konnten unsere Kleidung anfangs zwei Monate lang nicht waschen. Es war verboten, sie im Waschbecken mit der Hand zu waschen, es war strafbar. Wir haben unsere Kleidung dann heimlich gewaschen. Mittlerweile gibt es die Regelung, dass dreimal in der Woche gewaschen wird. Allerdings nur zwölf Säcke von 40 Familien. Das ist zu wenig.

Gibt es Möglichkeiten, sich zurückzuziehen?

Nein, die Privatsphäre ist so gut wie gar nicht vorhanden. Man kann keine Tür abschließen, auch die Toilettentüren nicht. Die Durchgangstüren zwischen den Zimmern müssen auch offen bleiben. Die Sicherheitsleute nehmen keine Rücksicht auf die Privatsphäre. Nach einmal klopfen kommen sie einfach rein.

Essen müssen Sie sich nicht kaufen, weil es eine Kantine gibt.

Aber das Problem ist, dass das Essen nicht aus der Kantine mitgenommen werden darf. Es kann nur dort gegessen werden. Aber mit meinen zwei autistischen Kindern ist das schwer. Wir sind deshalb gezwungen, das Essen aufs Zimmer zu schmuggeln. Wir schmieren Brötchen und bringen sie heimlich zu unseren Kindern aufs Zimmer.

Langes Warten tötet jede Motivation

Das Leben hier haben Sie sich vermutlich anders vorgestellt.

Langsam ist das Maß voll und unsere Motivation geht nach unten. Das Einzige, was wir haben, ist die Sicherheit. Aber die Stabilität, von der wir hier in Deutschland geträumt haben, tritt nicht ein. Ich als Arzt und meine Frau als Ingenieurin sind mit der Hoffnung gekommen, uns hier weiterzubilden und arbeiten zu können. Doch der Plan geht nicht auf. Ich bin schon dankbar, dass ich hier sein darf. Aber auf der anderen Seite bin ich sicher, dass die Behörden nicht den blassesten Schimmer haben, wie mit uns Flüchtlingen in den Lagern umgegangen wird.

Wie fühlt es sich an, vom Arzt zum Flüchtling zu werden?

Persönlich habe ich nichts dagegen, in einem fremden Land als Flüchtling angesehen zu werden. Aber dass wir wirklich so behandelt werden, darüber könnte ich Depressionen bekommen. Mein inneres Gefühl ist sehr negativ, aber ich erlaube mir selbst nicht, das zu zeigen, weil für mich die Kinder immer Priorität haben. Sie sollen es nicht mitbekommen.

Sehen Sie für sich und Ihre Familie eine Zukunft in Deutschland?

Ich bin mittlerweile der Meinung, dass ich hier nicht weiter bleiben will, wenn es so weitergeht. Ich frage mich, wo die ganzen Menschenrechtsorganisationen bleiben. Man sieht sie aus der Entfernung, man hört, dass sie kommen. Aber man darf mit ihnen kein Wort wechseln. Denn ihnen werden nur die schönen Seiten der Kaserne gezeigt. In Europa generell will ich bleiben. Auf gar keinen Fall will ich zurück nach Syrien.