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Sport: Hitzepille als Schutz vor dem Hitzschlag?

27. September 2019

Die große Hitze stellt die Athleten bei der Leichtathletik-WM in Doha vor große Herausforderungen. Wie kann man Athleten vor Dehydrierung und Überhitzung schützen?

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Frau hat eine Tablette auf der Zunge
Die Hitzepille sieht aus wie eine handelsübliche MedikamentenkapselBild: picture-alliance/blickwinkel/M. Baumann

Fast 40 Grad Celsius! Der Wetterbericht Ende September kündigt für Doha vergleichsweise hohe Temperaturen an - das sind keine gute Aussichten zum Beispiel für Marathonläufer und andere Ausdauersportler, die dort auf der IAAF Weltmeisterschaft gegeneinander antreten.

Der Sportmediziner Dr. Matthias Kieb von der Charité in Berlin unterstützt die Sportler des Deutschen Leichtathletikverbandes bei der Vorbereitung auf die WM. Er betont gegenüber der Deutschen Welle, dass es "zweifelsohne eine Weltmeisterschaft unter extremen Wetterbedingungen" wird. "Neben der Temperatur spielt unter anderem auch die hohe Luftfeuchtigkeit für das Hitzeempfinden und die sportliche Leistungsfähigkeit eine entscheidende Rolle."

Auch in der Nacht noch hohe Temperaturen

Zum Teil wurden Wettbewerbe wegen der hohen Tagestemperaturen vorsorglich in die Nachtstunden verlegt. Das betrifft etwa Geher und Marathonläufer. Aber auch dann kann es immer noch 30 Grad warm sein oder mehr. Und die Sportler müssen zudem ihren Wach-Schlaf-Rhythmus umstellen, damit sie Bestleistungen erbringen können.

Eine Möglichkeit, ihnen Abkühlung zu verschaffen, sind Kühlwesten, die zum Beispiel auch im Radsport zum Einsatz kommen. Aber auch die erreichen bei hohen Temperaturen irgendwann ihre Grenzen. 

Mehr dazu: Wie gefährlich ist Hitze für unseren Körper?

Hitzewelle Abkühlung im Sport
Abkühlung hilft - aber wann wird die Hitze Lebensgefährlich? Bild: Imago/larasch

Erkennen, wenn ein Sportler Probleme bekommt

Deshalb bieten britische Forscher um den Sportmediziner Yannis Pitsiladis von der University of Brighton Sportlern in Doha erstmals eine Hitzepille an.

Die Pille ist nicht größer als eine normale Tablette und wiegt nur 1,7 Gramm. Aber die Pille hat es in sich: Sie enthält kein Medikament, sondern nur Elektronik. Sie misst die Kerntemperatur des Körpers und sendet diese über eine Funkverbindung an ein spezielles Sport-Armband, das der Läufer mit sich trägt.

Neben dem Armband braucht der Athlet auch noch eine Smartwatch. Das Armband überträgt die Daten per Bluetooth an die Smartwatch und diese leitet sie über eine Mobilfunkverbindung an einen Server weiter.

Athleten nehmen die Pille, die sich im Magen nicht auflöst, kurz vor dem Wettkampf ein. Nach spätestens zweieinhalb Tagen scheidet der Körper sie wieder aus.

Skyline von Doha, Emirat Katar
In Doha kann es tagsüber unerträglich werden, nachts noch immer drückend heißBild: picture-alliance

Was tun, wenn die Pille Alarm schlägt?

Während der Wettkämpfe erhält das Team der Athleten die Daten und kann dann sofort erkennen, wenn die Kerntemperatur einen kritischen Wert überschreitet. In solch einem Fall kann sie den Sportler vorsorglich aus dem Rennen nehmen. Ob das in der Praxis schließlich auch so gehandhabt werden wird, ist unklar, denn kein Athlet möchte gerne aus dem Rennen genommen werden. Und niemand kann zum Abbruch gezwungen werden.

"Auch wenn ein Live-Monitoring mit dieser Pille möglich ist, so wird dies im Wettkampf in Doha wahrscheinlich nur in den wenigsten Fällen erfolgen", vermutet Dr. Kieb: "Vorstellbar wäre eine noch schnellere akute oder präventive Kühlung bei Kenntnis der aktuellen Körperkerntemperatur."

Die Auswertung der Daten werde in Doha wahrscheinlich meist im Nachgang erfolgen, sagt der Mediziner. "Die Korrelation zwischen Messwerten der Pille, dem Wettkampfergebnis und dem Wohlbefinden des Athleten kann jedoch potenziell entscheidende Hinweise und Erkenntnisse zum Beispiel für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio liefern." 

Mehr dazu: Hitzetipps aus heißen Ländern

"Goldstandard" der Körpertemperatur-Messung

Kieb hält die Hitze-Pille jedenfalls für eine gute Idee. "Sie stellt aktuell den Goldstandard der Messung der Körperkerntemperatur dar", sagt der Sportmediziner. "Wir haben sie seit einigen Monaten bereits erfolgreich ohne Komplikationen getestet. Sie war ein sehr geeignetes Hilfsmittel in der Vorbereitung auf die kommende Weltmeisterschaft."

Interview: Gut vorbereitet zum Marathon-Lauf

Der Sportmediziner betont, dass die Pille im Extremfall helfen kann, eine optimale Notfallversorgung sicherzustellen. "Zudem dient sie unter anderem [bei der Vorbereitung auf die WM] der Psychoedukation und Verbesserung der Selbstwahrnehmung der Athleten, was unter extremen Wetterbedingungen letztendlich entscheidend für die individuelle Gesundheit eines jeden Athleten sein kann."

Unkluge WM-Vergabe oder Chance zum Ausprobieren

Viele Sportler sehen es kritisch, dass sich die Verbände überhaupt erst in eine Lage gebracht haben, in der der Einsatz solcher Messmethoden nötig wird. "Wenn es mal Funktionäre geben würde, die sich um die Sportler und nicht um die Kohle kümmern, wäre die WM wohl an ein Land vergeben worden, in dem es nicht so abartig hohe Temperaturen gibt", sagte etwa Speerwerfer Johannes Vetter.

Der jüngst wiedergewählte Präsident des Internationalen Verbandes der Leichtathletikverbände (IAAF) Sebastian Coe hingegen gewinnt den extremen Voraussetzungen auch etwas Positives ab. Doha biete eine Chance, "eine Menge in Sachen Hitzemanagement" in Hinblick auf Tokio 2020 auszuprobieren. 

Vorbereitung braucht Zeit

Athleten haben jahrelang trainiert, um Medaillen zu gewinnen. Deshalb sind die Vorbereitung und die Gewöhnung an die Hitze für sie so wichtig. Das kann ihnen die messende Pille nicht abnehmen.

Die Geher unter den deutschen Leichtathleten haben dafür zum Beispiel eigens ein "Geher-Wüstencamp" eingerichtet. "Dabei steht vor allem das Hitze-Anpassungstraining über Wochen und Monate im Vorfeld der Wettkämpfe im Vordergrund", erklärt Sportmediziner Kieb.

Das Hitzecamp steht allerdings nicht in Doha, vielmehr handelt es sich um eine Hitzekammer, etwa in Potsdam oder auch im Trainingslager im kühleren Südafrika. Dort können die Athleten am Laufband und Ergometer ihre Trainingseinheiten absolvieren und sich gleichzeitig bereits an die große Hitze gewöhnen.    

 

DW Kommentarbild David Vorholt
David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion
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