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Lernfach Immigration

Devora Rogers6. Dezember 2003

Streitpunkt Zuwanderung - auch jüngst konnten sich Regierung und Opposition nicht über einen neuen Gesetzentwurf einigen. Deutschand hat Nachholbedarf in Sachen Immigration - lernen kann es von den USA.

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Schwierige Integration: Türkische Einwanderer in Berlin-KreuzbergBild: Bilderbox

Das von der Opposition bisher abgelehnte Gesetz soll die Zuwanderung nach Deutschland regeln und Richtlinien dafür geben, wie Ausländer in die deutsche Gesellschaft integriert werden sollen. Unter anderem sieht der Entwurf zu diesem Zweck Sprachkurse und Staatsbürgerkunde für Immigranten vor. Die rot-grüne Regierungskoalition sieht in der Zuwanderung ein entscheidendes Mittel, um den Problemen in Deutschand beizukommen. Die Bevölkerung schrumpft und die Menschen werden immer älter, diese Faktoren werden das Sozialsystem und den Arbeitsmarkt in den nächsten Jahrzehnten schwer belasten.

Die Spitze der CDU/CSU-Fraktion befürwortet zwar eine generelle Erneuerung des Zuwanderungsgesetzes, das Konzept der Bundesregierung lehnt sie aber in großen Teilen kategorisch ab. Die Union vertritt die Ansicht, mehr Zuwanderung sei angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland das falsche Signal.

USA als klassisches Einwandererland

Angesichts dieses Streits lohnt sich ein Blick in die Vereinigten Staaten. Seit ihren frühesten Tagen gelten die USA als "Schmelztiegel" für Einwanderer. Die Menschen haben sich den Nationalstolz ihrer Vorfahren bewahrt und nennen sich noch heute Afro-Amerikaner, Italo-Amerikaner oder Deutsch-Amerikaner. Doch obwohl sich die meisten mit ihren ethnischen Wurzeln identifizieren können, sehen sie sich in erster Linie als Amerikaner. Abgesehen von einigen dunklen Flecken in der Geschichte zeigt diese Tatsache in welch positivem Licht Immigration in den USA wahrgenommen wird.

Nach Angaben des Zentrums für Immigrations-Studien in Washington nehmen die Vereinigten Staaten jährlich 1.5 Millionen Einwanderer auf. Nach Deutschland kamen im Durchschnitt 220.000 Einwanderern pro Jahr. Umgerechnet auf die Zahl der Einwohner beider Länder hat Deutschland im Vergleich nicht einmal halb soviele Immigranten aufgenommen wie die USA.

Problemfall Staatsangehörigkeit

Ein weiterer Unterschied für die Nachkommen von Immigranten in den USA und Deutschland ist Regelung zur Staatsangehörigkeit. In den Vereinigten Staaten und vielen weiteren Ländern hat jeder der auf dem Gebiet des jeweiligen Landes geboren wurde, Anspruch auf die Staatsbürgerschaft. In Deutschland galt bis vor wenigen Jahren die Regelung, dass nur Kinder von deutschen Staatsangehörigen auch automatisch das Recht auf die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Eine Folge davon war, dass ausländische Familien die schon über 20 Jahre im Land gelebt haben, immer noch wie Ausländer behandelt wurden. Nach heute gültigem Recht erhält jedes Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, dessen Eltern mehr als acht Jahre in Deutschland leben.

Fortschritte in Deutschand

"Deutschland hat Fortschritte gemacht", sagt Cem Özdemir, Ex-Bundestagsabgeordneter der Grünen und selbst Deutscher mit türkischen Eltern. Dennoch ist er oft erschüttert vom geringen Maß an Toleranz in der deutschen Gesellschaft. " In den USA gilt Immigration als etwas positives, hierzulande wird es oft negativ gesehen", sagte er im Interview mit DW-RADIO.
Deutschland kann viel von den USA lernen wenn es um die Integration von ethnischen Gruppen geht. "Wir sollten versuchen eine 'farbenblinde' Gesellschaft zu entwickeln, in der die Herkunft keine Rolle spielt, sondern in der man danach beurteilt wird was man für das Land zu geben bereit ist", sagte Özdemir, der für die EU-Parlamentschaftswahlen 2004 kandidiert.

EU-Entwicklung interessant für USA

Diese Entwicklung könnte aber auch ganz automatisch ablaufen. Durch die EU-Osterweiterung und immer größer werdende Einwanderergruppen aus Afrika, Asien, Indien und Russland wird Deutschland seine Einstellung ändern müssen. Vangala Ram, ein US-Diplomat in Deutschland, ist überzeugt, dass auch die USA in dieser Frage noch dazulernen müssen. "Ich denke für einen Amerikaner in Europa ist es im Moment eine sehr interessante Zeit" sagte Ram. "Wir sehen wie 25 Nationen zu einer Einheit zusammenwachsen, obwohl sie verschiedene Sprachen sprechen und unterschiedliche Lebensstandards haben. Das ist natürlich etwas, was uns Amerikaner interessiert."