Letzter Akt eines Trauerspiels
7. Mai 2010Das Rettungspaket für Griechenland ist verabschiedet. Athen kann mit der deutschen Finanzhilfe rechnen. Doch ob die - an harte Bedingungen geknüpfte - finanzielle Unterstützung Griechenland wirklich retten kann, ist fraglich. Ob ein Land, dessen Bevölkerung in die Armut gestürzt und demoralisiert wird, die Kraft haben kann, sich von der erdrückenden Schuldenlast zu befreien, muss bezweifelt werden. Mit Recht mahnen viele Experten, dass sinkende Einkommen in Griechenland sinkende Steuereinnahmen nach sich ziehen werden, dass die Konjunktur einbrechen wird und dass man in der Rezession keine Schulden abbauen kann.
Darum sind die Zweifel an dem Rettungspaket berechtigt, ist die politische Debatte legitim und sind die Ängste der Bürger in Deutschland verständlich, die befürchten, nach der Hypo Real Estate und den maroden Landesbanken mit Griechenland nun ein weiteres Fass ohne Boden füllen zu müssen. Nicht berechtigt ist jedoch die Häme, die in den letzten Tagen und Wochen über Griechenland ausgeschüttet wurde. Und auch die Hetze, mit der die deutsche Boulevardpresse die griechischen Arbeitnehmer und Rentenempfänger verunglimpft hat, ist nicht hinnehmbar.
Welches Trauerspiel aber hat die deutsche Politik in den letzten Tagen abgegeben! Kein Wort der Empathie für die Bürger in Griechenland in der Regierungserklärung von Angela Merkel. Ausgerechnet die Bundeskanzlerin, die, wenn sie zum Beispiel von Israel spricht, immer die Verantwortung Deutschlands vor der Geschichte beschwört, hat offenbar vergessen, dass Deutschland auch in Griechenland eine Geschichte hat. Oder weiß sie nicht, dass auch dort die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg gewütet haben, dass sie Geiseln erschossen, Zivilisten ermordet, Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und die Juden von Saloniki in die Gaskammern in Auschwitz geschleppt haben?
Sollten wir also nicht auch gegenüber Griechenland Verantwortung und Solidarität empfinden? Sollten wir nicht wenigstens Mitgefühl aufbringen für die griechischen Bürger, die nun das auslöffeln müssen, was ihnen ihre korrupte politische Klasse und die internationalen Finanzmärkte eingebrockt haben.
Dass die Korruption in Griechenland weit verbreitet ist, dass das Land eine schlechte Verwaltung hat, dass Athen seine Wirtschaftsdaten gefälscht hat - das alles kann und soll nicht wegdiskutiert werden. Dass die Staats- und Regierungschefs der Eurozone aber Mitschuld auf sich geladen haben, weil sie die Hinweise darauf ignoriert und die Warnungen in den Wind geschlagen haben, das muss genauso gesagt werden.
Die europäische Einigung, die Einführung einer gemeinsamen Währung - das alles sollte Europa stabilisieren und den Wohlstand der Bürger sichern. Nun zeigt sich, dass genau das Gegenteil geschieht und sogar die Vision des einigen und friedlichen Europas gefährdet ist.
Die deutsche Politik hat in der letzten Woche nicht bewiesen, dass sie sich dieser Dramatik bewusst ist. Auch wenn sie das Rettungspaket für Griechenland auf den Weg gebracht hat - die Rettung des demokratischen, sozialen und stabilen Europas ist damit noch längst nicht gesichert.
Autorin: Bettina Marx
Redaktion: Kay-Alexander Scholz