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Libanon: Die Zigarre als Statussymbol

Dario Sabaghi
27. Juli 2023

Die Krise im Libanon hält offenbar niemanden vom Rauchen ab. Während der Genuss von Wasserpfeifen noch immer für fast jeden erschwinglich ist, ist Zigarrenrauchen dagegen zu einem gesellschaftlichen Statement geworden.

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Libanon Zigarren-Club Mareva Beirut
Zigarren mit Bauchbinde auf Tabakbett in edler Zigarrenkiste im Zigarren-Club Mareva BeirutBild: Dario Sabaghi /DW

Wenn man an Cafés und Restaurant in Beirut vorbeigeht, kann man den intensiven Fruchtaromen nicht entgehen, die aus den Shisha-Bars auf die Straße wehen.

Hookah, auch als Narghile oder Shisha bekannt, ist eine Wasserpfeife, mit der Tabak oder auch aromatisierter Tabak geraucht wird. Hookahrauchen ist dabei mehr als Tabakgenuss, es ist auch eine gesellschaftliche Aktivität und gerade im Libanon ein Ritual, das sowohl von Männern als auch Frauen aller Gesellschaftsschichten gepflegt wird.

Der 28-jährige Tony arbeitet in einem Café in Furn El-Chebbak am Rande eines Außenbezirkes der libanesischen Hauptstadt. Dort nimmt er gerade glühende Holzkohlestückchen aus einem verrußten Becken und legt sie in eine Hookahschale. Diese Schale besteht aus perforierter Aluminiumfolie und enthält aromatisierten Tabak. Schnell bringt Tony die heiße Hookah zu einem Kunden. "Wir haben täglich hunderte Kunden - viele von ihnen Stammgäste. Sie wollen hier entspannen, ihren Alltagsproblemen entfliehen", sagt er zur DW.

Für viele Libanesen ist das Hookahrauchen eines der wenigen Dinge, die sie sich noch leisten können in einem Land, das seit 2019 in einer tiefen Wirtschaftskrise gefangen ist. Der Krise zum Trotz ist die Hookah für weite Teile der Bevölkerung eine Gewohnheit geblieben.

Auf der anderen Seite ist das Rauchen von Zigarren zu einem Privileg einer reichen Elite geworden, die sich diesen Luxus noch leisten kann. Dieser Trend offenbart einmal mehr den tiefen Graben, der sich zwischen Reichen und Armen in der Krise aufgetan hat.

Die Trümmer des Getreidesilos, an dem sich eine schwere Explosion ereignete
Nach der schweren Explosion im Beiruter Hafen 2020 - Der Libanon ist weiter von Krisen geprägtBild: Marwan Naamani/dpa/picture alliance

Hookah gegen den Stress

Somar ist 28 Jahre alt und chillled mit einem Freund vor einem Café - er raucht Apfel-Tabak nachdem er gerade seine Arbeit in einer Haartransplantationsklinik beendet hat.

Das Rauchen von Narghile sei im Libanon weit verbreitet, sagt er. "Alle lieben es", sagt er zur DW. "Wenn du es nach der Arbeit rauchst, reinigt es die Gedanken, du fühlst dich glücklich und befreit vom Stress."

Somar bezahlt etwa 2,70 Euro für die Hookah im Café. Aber, sagt er, andere Cafés verlangten mehr als das Dreifache, abhängig von der Lage des Cafés und der Qualität von Tabak und Service.

Schwieriges Geschäft

Hookah rauchen ist im Libanon weit verbreitet, ist aber trotzdem nicht automatisch eine Goldgrube für jeden. Der 25-jährige Mazen hat ein kleines Geschäft für Wasserpfeifenbedarf in einem sunnitisch geprägten Viertel Beiruts. Der DW erzählt er, sein Laden liefe nicht gut. "Während der Pandemie war es besser: Im Lockdown rauchte jeder zu Hause, zum Beispiel auf dem Balkon. Jetzt aber ist das Geschäft zurückgegangen, trotz meiner günstigen Preise."

Einige Straßen weiter will Hammad Tabak in einem kleinen Laden kaufen, der mit bunten Hookah-Pfeifen dekoriert ist. Der DW erzählt der 35-jährige Techniker: "Wir haben Spaß am Rauchen und wir mischen gern verschiedene Aromen." Als Hammad gegangen ist sagt der Ladenbesitzer, sein Geschäft liefe gut: Die Leute rauchten zu Hause, weil sie nichts zu tun hätten.

Holzkohle-Briketts für Hookahs im Libanon Zigarren-Club Mareva in Beirut
Für die Wasserpfeife zu Hause: Holzkohle-Briketts für Hookahs im Zigarren-Club Mareva Bild: Dario Sabaghi /DW

Wachstum in der Krise

Aber nicht alle können es sich leisten, jeden Tag zu rauchen. Für den Rentner Samir ist das Hookahrauchen zu einer Gewohnheit geworden. "Apfel-Tabak zu rauchen ist mein Zeitvertreib – nicht einfach ein Vergnügen. Ich versuche, jeden Tag eine bis eineinhalb Stunden zu rauchen, aber ich kann mir das nicht jeden Tag leisten, auch wenn es mich weniger als zwei Euro im Café kostet."

Die Beiruter Zeitung Al-Modon schreibt, die Zahl der Zigarettenraucher im Libanon sei in den vergangenen Jahren stabil geblieben. Die Zahl der Hookahraucher sei jedoch angestiegen und habe sich mehr als verdoppelt. 

Die Produktion von Hookah-Mischungen ist deutlich gewachsen: Wurden 2020 rund 225.000 Einheiten hergestellt, waren es im vergangenen Jahr bereits mehr als doppelt so viel: fast 600.000. Für die kommenden Jahre wird weiteres Wachstum vorhergesagt.

Sind Zigarren das neue Statussymbol?

Das deutsche Internet-basierte Statistik-Portal Statista veröffentlichte im Mai Zahlen, wonach 2022 nirgendwo auf der Welt mehr Geld für Zigarren ausgegeben wurde als im Libanon.

Der Statista-Analytiker Deepanshu Onkar sagte DW, dass der Libanon eine deutlich höhere Raucherquote habe als jedes andere Land. Onkar fügte hinzu, Tabak-Produkte seien "nicht-elastische" Wirtschaftsgüter und Zigarren im Besonderen würden daher unabhängig von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nachgefragt. "Jene, die sich Zigarren leisten können", sagt er, "müssen sich eben nicht einschränken." 

Auch in Deutschland ist Zigarrenrauchen eher was für Gutbetuchte... 

Fürstliche Preise im armen Land

Die beiden Mitdreißiger Woody Ghsoubi und Ehefrau Najat Abdo betreiben einen Zigarrenklub in Beirut. Zigarren seien nicht typischerweise ein Luxusprodukt, sagt Woody Ghsoubi, aber die Libanesen betrachteten sie als ein Symbol für den sozialen Status. "Es hat viele Krisengewinnler gegeben und die geben nun großzügig Geld aus für Zigarren und andere teure Dinge, betrachten sie als Luxusgüter."

Die Preise für Ghsoubis Zigarren reichen von neun US-Dollar das Stück bis zu mehr als 100. Einige, wie etwa die Davidoff Oro Blanco, kosten sogar 600 Dollar.

Die beiden haben ihr Geschäft 2020 eröffnet, trotz der Pandemie und der Wirtschaftskrise. Trotz einiger Rückschläge sei das Geschäft ein Erfolg, sagt Ghoubi. "Unsere Kunden geben im Durchschnitt rund 500 US-Dollar für Zigarren und Alkohol aus."

Alles nur Geschmackssache?

In Ghsoubis Geschäft steht ein Humidor, in dem sich Jan-Paul Abdallah eine Zigarre aussucht. Der Manager einer Broker-Firma erzählt, sein Vater hätte Zigarre geraucht und er selbst habe damit als 19-Jähriger angefangen. "Ich denke niemals drüber nach, wie viel Geld ich für Zigarren ausgebe. Aber ich hab einen Durchschnitt von wenigstens zehn bis zwanzig Dollar pro Tag. Oder anders gesagt: Ich gebe monatlich etwa 300 bis 600 Dollar dafür aus."

Abdallah sagt, Zigarrenrauchen sei nicht unbedingt ein Statussymbol. "Ich rauche nicht Zigarren wegen meines Status. Ich rauche sie, weil ich es mag.  Ich weiß, dass viele Zigarren als Statussymbol ansehen. Aber mir ist das egal."                               

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert