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Politik

Libyen - Ägypten als Vermittler?

Kersten Knipp | Mehyeddin Hussein
9. Juni 2020

Der ägyptische Präsident al-Sisi hat einen Plan zur Beendigung des Kriegs in Libyen vorgelegt. Allerdings ist Kairo keineswegs unparteiisch - und das ist nicht die einzige Hürde für einen Erfolg der Initiative.

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Libyen | Tripolis | Angriff Khalifa Haftar | Krieg
Trümmer in Tripolis: Seit zehn Jahren herrscht in Libyen Bürgerkrieg Bild: Getty Images/AFP/M. Turkia

Erst ein Waffenstillstand, dann von den Vereinten Nationen überwachte Wahlen zu einem so genannten Präsidentschaftsrat . Dieser soll schließlich eine neue Verfassung erarbeiten, auf deren Basis dann ein neues, gesamt-libysches Parlament gewählt werden soll: Das sind die wesentlichen Eckpunkte des vom ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi am Samstag (6.6.) in Kairo vorgestellten Plans zur Beendigung des fast seit zehn Jahren andauernden Bürgerkriegs in Libyen.

"Es kann keine Stabilität in Libyen geben, wenn nicht friedliche Mittel zur Lösung der Krise gefunden werden, die die Einheit und Integrität der nationalen Institutionen respektieren", erklärte al-Sisi und fügte ein vorsichtiges Eigenlob hinzu: "Die Initiative könnte für Libyen ein Neuanfang sein.''

Für den an der Universität Gießen lehrenden Geograf Andreas Dittmann ist klar:  "Der ägyptische Vorschlag kann keine neutrale Initiative sein", da Ägypten in Libyen offen den Rebellengeneral Chalifa Haftar unterstütze. Aber grundsätzlich seien alle Gespräche und Initiativen besser als eine Fortsetzung der Kämpfe, sagt Dittman, der zur politischen Geografie Libyens forscht.

Beifall von erwarteter Seite

Haftar und der ägyptische Präsident al-Sisi gelten ideologisch als Seelenverwandte. Beide stehen für stramm autoritäre Machtverhältnisse in ihren Ländern - und beide eint dabei eine entschiedene Gegnerschaft zu den Muslimbrüdern und deren regionalen Verbündeten oder Förderern, wozu neben Katar vor allem die Türkei gezählt wird.

Ägypten Kairo 2019 | Abdel Fattah al-Sisi, Präsident & Chalifa Haftar
Politische Verbündete und ideologische Seelenverwandte: Ägyptens Präsident al-Sisi (r) und General Chalifa HaftarBild: picture-alliance/Anadolu Agency/H. Presidency of Egypt

Tatsächlich fand al-Sisis' Vorstoß vor allem in den Golfstaaten Rückhalt, die mit Ausnahme Katars durchweg die Exilregierung in Tobruk und den ihr verbundenen Rebellengeneral Haftar unterstützen. Katar hingegen, zusammen mit der Türkei der wichtigste Verbündete der von Premier Fajis al-Sarradsch geführten Regierung der Nationalen Einheit, äußerte sich zunächst nicht zu dem Vorschlag.

Ähnlich gespalten war die Reaktion in Libyen selbst. General Haftar war eigens zu al-Sisis Erklärung nach Kairo gereist. Auch Aguila Saleh, der Sprecher des Exilparlaments von Tobruk, war präsent. Die von Haftars Widersacher al-Sarradsch geführte und international anerkannte Regierung in Tripolis hingegen war nicht bei der Vorstellung des Friedensplans vertreten. Ein Sprecher al-Sarradschs wies die Initiative des ägyptischen Präsidenten sogar unmissverständlich zurück. "Wir haben diesen Krieg nicht angefangen", erklärte er, "aber wir werden entscheiden, wann und wo er endet".

Erdogan empfängt Libyens Ministerpräsident
Fajis al-Sarradsch, Ministerpräsident der libyschen Übergangsregierung, hat die Friedensinitiative Kairos zurückgewiesenBild: picture-alliance/dpa/Turkish Presidency

Der militärische Hintergrund

Damit spielte er auf die militärischen Erfolge an, die die für al-Sarradsch kämpfende Nationale Libysche Armee kurz vor al-Sisis Erklärung verzeichnet hatte. Am Donnerstag vergangener Woche hatten Truppen der international anerkannten Einheitsregierung eigenen Angaben zufolge die Kontrolle über die Hauptstadt Tripolis und ihre Vororte zurückerlangt. Möglich war dies laut Beobachtern vor allem wegen einer massiven militärischen Unterstützung durch die Türkei. Zugleich rückten die Truppen der Einheitsregierung weiter auf die Stadt Sirte vor.

Durch die Geländegwinne ist die Regierung al-Sarradsch in eine unerwartet starke Position geraten. Der in Paris lebende arabische Politikwissenschaftler Zidan Khalif sieht allein schon deswegen wenig Chancen für Kairos Friedensinitiative. "Die ägyptische Initiative ist schwach und wird keinen Erfolg haben", so Khalif. "Sie ist nichts weiter, als der Versuch al-Sisis, Haftars Ansehen zu wahren, nachdem dieser aus der Region um Tripolis vertrieben wurde."

Infografik Karte Politische Akteure in Libyen  und regionale Akteure DE

Kein Frieden ohne Erdogan?

Insbesondere die fehlende Einbindung der Türkei lasse die Initiative unrealistisch erscheinen: "Der türkische Präsident Erdogan ist gegen sie. Und die Türkei hat inzwischen enorme Macht in Libyen", betont der Experte. Nur dank ihrer Unterstützung sei es al-Sarrasch gelungen, Hafter aus der Region Tripolis zu vertreiben.

Die meisten Experten sind sich einig, dass eine Lösung in Libyen viele machtvolle Akteure einbinden muss, neben Ägypten, den VAE und der Türkei gehört dazu auch Russland, das bisher ebenfalls das Lager um Hafter unterstützt und dazu passend auch den ägyptischen Friedensplan begrüßt hat.

EU spricht nicht mit einer Stimme

Demgegenüber biete die Europäische Union in Libyen kein überzeugendes Bild, meint Experte Andreas Dittmann. "Während die meistens EU-Staaten die Regierung al-Sarradsch unterstützen, steht Frankreich an der Seite von General Haftar. Die Pariser Regierung setzt vor allem auf die Eindämmung radikaler Islamisten im Umfeld der Sahelzone."

Libyen Truppen von General Haftar zurückgedrängt
Anhänger der libyschen Übergangsregierung feiern die Gebietsgewinne ihrer Truppen Bild: Getty Images/AFP/M. Turkia

Ganz andere Prioritäten habe hingegen Italien. "Der römischen Regierung geht es vor allem um die Eindämmung der Flüchtlingsbewegungen." Darum seien gerade diese beiden EU-Staaten verstärkt in Libyen engagiert. In einem indirekten Sinne seien die beiden EU-Staaten damit in Libyen sogar beinahe Kriegsgegner, meint Geograf Dittmann.

Vorsichtige Unterstützung für die ägyptische Friedensinitiative kam immerhin von der deutschen Bundesregierung, die Anfang des Jahres selbst eine größere Initiative zur Beilegung des Libyen-Konflikts gestartet und dabei ebenfalls als ersten Schritt einen Waffenstillstand angestrebt hatte. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin erklärte am Montag, man hoffe auf einen Erfolg der ägyptischen Initiative. "Wir sehen aber gleichzeitig mit großer Sorge, dass sich die militärische Lage am Wochenende in Richtung weiterer Eskalation bewegt hat."

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika