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Wahl ohne Wirkung

Diana Hodali23. Juni 2014

Inmitten von Kämpfen zwischen islamistischen Brigaden und Milizen um den ehemaligen General Haftar wählt Libyen ein neues Parlament . Ob sich die Lage in dem krisengebeutelten Land dadurch entspannt, ist fraglich.

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Parlamentswahlen in Libyen (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Seit Tagen herrscht immer wieder Ausgangssperre in Bengasi. Oft kommt es zu Stromausfällen - manchmal bis zu acht Stunden am Tag. Bei den seit über einem Monat anhaltenden Kämpfen zwischen der islamistischen Gruppe Ansar al-Scharia und den Milizen des abtrünnigen Generals Chalifa Haftar wurde ein Elektrizitätswerk getroffen.

Die Menschen würden zwar versuchen, den alltäglichen Dingen des Lebens nachzugehen, schreibt die irische Journalistin Mary Fitzgerald, die in Tripolis lebt und sich derzeit in Bengasi befindet, im Kurznachrichtendienst Twitter. Aber die Stimmung in der Stadt sei besonders seit der Festnahme Ahmed Abu Chattalas durch US-Spezialeinheiten angespannt. Abu Chattala soll als mutmaßlicher Drahtzieher für den Anschlag auf das US-Konsulat in Bengasi im Jahr 2012 verantwortlich sein, bei dem ein amerikanischer Diplomat getötet wurde.

Chalifa Haftar (Foto: Reuters)
Chalifa Haftar will an die MachtBild: Reuters

Inmitten von blutigen Auseinandersetzungen hat am 25. Juni die Parlamentswahl begonnen. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hatte darauf gedrängt, dass die Wahlen zu diesem Zeitpunkt durchgeführt werden, um eine weitere Gewalteskalation zu vermeiden.

1,5 Millionen Wähler haben sich nach Angaben der Wahlkommission registrieren lassen. Das sind deutlich weniger als vor zwei Jahren - damals waren es 2,7 Millionen. 1628 Kandidaten bewerben sich um einen der 200 Sitze. Um politische Spannungen zu reduzieren, treten diesmal nur unabhängige Kandidaten an - Parteilisten gibt es nicht.

Das 2012 gewählte Übergangsparlament sollte eigentlich schon im Februar abgelöst werden, hatte sein Mandat aber bis Dezember verlängert. Die Wahl wird nun vorgezogen, denn Libyen steckt mehr denn je in der Krise.

Haftar will an die Macht

Die jüngste Eskalation begann, als der ehemalige General Chalifa Haftar mit seiner paramilitärischen "Nationalen Armee" Mitte Mai Kämpfe gegen islamistische Brigaden in Bengasi startete. Seither findet der Mann, der unter Diktator Muammar al-Gaddafi Armeechef war, dann in Ungnade fiel und beim Sturz Gaddafis half, immer mehr Anhänger - auch aus den Reihen der Armee.

Sein erklärtes Ziel ist, islamistische Streitkräfte und deren Unterstützer - auch innerhalb des amtierenden Parlaments - aus dem ganzen Land zu vertreiben. "Die einzelnen Abgeordneten wurden im Wesentlichen von verschiedenen Milizen, darunter auch Islamisten, kontrolliert", sagt Günter Meyer vom Zentrum für Arabische Studien in Mainz. Und es waren unter anderem auch diese islamistischen Milizen, die 2013 das Parlament belagerten und mit Waffengewalt die Zustimmung zum sogenannten Isolationsgesetz erzwangen.

Dieses Gesetz besagt, dass alle Personen, die unter Gaddafi eine staatliche Position innehatten, kein solches Amt oder eine politische Position mehr bekleiden dürfen. Auch wenn diese Männer ganz erheblich zum Sturz Gaddafis beigetragen haben, so wie Haftar. Ursprünglich war nach dem politischen Umbruch geplant, dass er in einem neuen Libyen Kommandant der Streitkräfte werden soll.

Jeder will ein Stück vom Kuchen

Daher fordert Chalifa Haftar zwar eine Auflösung des Parlaments - das Oberste Gericht hat bereits die Wahl des Übergangsregierungschefs Ahmed Miitig für verfassungswidrig erklärt - aber eine Verschiebung der Wahl. "Wenn es in der gegenwärtigen Situation zu einer Wahl kommt, dann ist davon auszugehen, dass Ansar al-Scharia und andere extremistische Gruppen wieder in großem Stil gewählt werden", so Libyen-Experte Meyer. Daher sehe Haftar noch keine Basis, um tatsächlich auch mit demokratischen Wahlen eine Lösung zu finden. Allerdings setze er offensichtlich auch auf die militärische Karte, um an die Macht zu kommen. Und das könne Libyen in einen Bürgerkrieg treiben.

Libyen nach Kämpfen in Tripoli (Foto: AFP)
Auch in Tripolis kam es zu GefechtenBild: MAHMUD TURKIA/AFP/Getty Images

In den vergangenen drei Jahren konnte die Macht zwischen einzelnen Städten, Stämmen, Regionen und der Zentralregierung nicht ausbalanciert werden. Während der Revolution sind viele lokale Machtzentren entstanden, in denen Städte und Stämme - teilweise gestützt auf lokale Milizen - um die politische und wirtschaftliche Vorherrschaft konkurrieren. Gaddafis Politik habe für diese Spaltung gesorgt, sagt Meyer. "Er hat die Stämme gegeneinander ausgespielt. Den Westen hat er immer bevorzugt und den Osten des Landes hat er vernachlässigt."

Parlament in Bengasi?

Und so scheint es, als solle Bengasi daher die Heimat des neuen Parlaments werden, schreibt Mary Fitzgerald bei Twitter. Im Februar hatte der Nationalkongress den Vorschlag eingebracht. Jetzt habe das Kabinett zugestimmt, so die Journalistin. "Ein solcher Schritt würde den Forderungen nach einer Stärkung des bisher diskriminierten Ostens gegenüber dem seit Gaddafi privilegierten 'Tripolitanien' entgegenkommen", sagt Günter Meyer vom Zentrum für Arabische Studien. Bengasi sei allerdings auch das Machtzentrum von Haftar. Dort könne er das Parlament kontrollieren und versuchen, die Macht an sich zu reißen. In Tripolis hatte er nicht davor zurückgeschreckt, das Parlament mit seinen Milizen zu stürmen.

Einen klassischen Wahlkampf hat es bis jetzt noch nicht gegeben, Begeisterung wie vor der Wahl von 2012 hat sich im Land nicht eingestellt. "Viele Menschen haben die Hoffnung verloren, dass ein neues Parlament demokratische Prozesse anstoßen wird", sagt Günter Meyer. Sollte es wirklich zu dieser Wahl kommen, dann werde sich an den Machtverhältnissen im Land zu diesem Zeitpunkt nichts ändern. "Dann wird das neue Parlament genauso machtlos und den Milizen ausgeliefert sein wie das alte."

Das Ergebnis der Wahl wird in einer Woche erwartet.