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Linke fordert Verbot von "Islamischer Staat"

Naomi Conrad, Bernd Gräßler und Sven Pöhle15. August 2014

Die Bundesregierung unterstützt kurdische Kämpfer im Irak, die sich dem "Islamischen Staat" entgegenstellen. In Deutschland ist die Terrorgruppe nicht verboten. Das muss sich ändern, fordert die Linke.

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Propagandabild IS-Kämpfer (Photo: Abacapres.com)
Bild: picture-alliance/abaca

"Eine Milliarde Muslime für den Islamischen Staat (IS)": So bat die radikalislamische Miliz im Internet um Unterstützung. Als er den Aufruf im Juni gesehen habe, habe er sofort mitmachen wollen, berichtet ein 24-jähriger Mann im DW-Interview. Er will anonym bleiben - nicht einmal seine Heimatstadt möchte er veröffentlicht sehen. Nur so viel: Er habe über Facebook seine Unterstützung für den IS bekundet, da "die Einigkeit der Muslime nur durch das Kalifat erreicht werden kann." Was genau er geschrieben hat, will er allerdings nicht sagen. Angst vor dem Verfassungsschutz habe er keine. Möglicherweise zu Recht: Mit seiner Sympathiebekundung in den sozialen Medien macht er sich nicht strafbar, denn bislang ist der "Islamische Staat" in Deutschland nicht verboten.

Die sunnitische Extremistengruppe (ehemals ISIS) kämpft in Syrien und im Irak. In den von ihnen eroberten Gebieten rufen IS-Kämpfer den Gottesstaat aus und bedrohen religiöse Minderheiten und Andersdenkende. Es gibt Berichte von Zwangsrekrutierungen und Mord. Auch Deutsche reisen nach Syrien, um sich den IS-Milizen anzuschließen. "Ohne Verbindungsleute hier vor Ort, die ihnen den Kontakt nach Syrien vermittelt haben, wird dies wohl kaum abgelaufen sein", sagt Ulla Jelpke von der Linkspartei. Auch seien in den vergangenen Monaten in der Bundesrepublik mehrere mutmaßliche IS-Anhänger verhaftet worden. Zuletzt kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sympathisanten der Terrormiliz und kurdischen Jesiden. Jelpke fordert ein Verbot des "Islamischen Staates" in Deutschland.

Islamischer Staat Fahne (Photo:AP)
IS-Unterstützer in MossulBild: picture alliance / AP Photo

Forderung nach Aufhebung von PKK-Verbot

Ein solches Verbot kann in Deutschland der Bundesinnenminister aussprechen. Ob dies inzwischen geplant ist, wollte die Bundesregierung nicht beantworten: "Zu Verbotsüberlegungen äußert sich der Bundesminister des Innern generell nicht", heißt es im Antwortschreiben auf eine schriftliche Anfrage von Jelpke. Die Begründung dafür: "Die mit einer öffentlichen Erörterung unvermeidlich verbundenen Warneffekte würden ein Verbot weitgehend seiner Wirksamkeit berauben." Wie viele Unterstützer der "Islamische Staat" in Deutschland überhaupt hat, ist unklar: Eine Sprecherin des Bundesamtes für Verfassungsschutz verweist auf den jüngsten Verfassungsschutzbericht. Demnach liegen keine gesicherten Zahlen über die Mitglieder oder Anhänger vor. IS-Strukturen "sind in Deutschland nicht bekannt", schließt der Bericht ab.

Die Möglichkeit eines Verbots bezweifelt daher auch Wolfgang Bosbach, der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages. Dazu müsse die IS in Deutschland entsprechend organisiert sein, was er nicht glaube, sagte der CDU-Politiker in einem Zeitungsinterview. Stattdessen wolle er Sympathie-Werbung für die Terrororganisation "Islamischer Staat" unter Strafe stellen.

Die Linkenpolitikerin Jelpke verknüpft ihre Kritik mit einer alten Forderung der Linkspartei: Das Betätigungsverbot für die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) in Deutschland müsse aufgehoben werden. In Deutschland schätzt man die Zahl ihrer Mitglieder und Anhänger auf etwa 13.000. Der jüngste Verfassungsschutzbericht bescheinigt der PKK zwar, dass sie sich in Europa um ein "weitgehend gewaltfreies Erscheinungsbild" bemühe. Allerdings versuche sie, hierzulande verstärkt junge Kurden für ihre Guerillakriegsführung in kurdischen Gebieten zu rekrutieren.

Irak Kämpfe Kurden Peshmerga (Photo: EPA/ASTR)
Peschmerga-Kämpfer: Deutschland will die Kurden unterstützenBild: picture-alliance/dpa

Realpolitik überholt Verbotspolitik

Doch diese Milizen kämpfen ebenso wie die kurdischen Peschmerga-Einheiten gegen den Vormarsch des "Islamischen Staates" im Nordirak. Zahlreiche Menschen sind auf der Flucht, darunter vor allem religiöse Minderheiten. Die PKK "schützt und rettet unzählige Christinnen und Christen" im Nordirak, betont daher der Chef der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, der ebenfalls eine Aufhebung des PKK-Verbotes fordert.

Angesichts der realpolitischen Lage im Nordirak scheint die Verbotspraxis der deutschen Innenpolitik zumindest im Moment überholt. Denn die Bundesregierung will die kurdischen Peschmerga-Einheiten im Kampf gegen die IS-Dschihadisten unterstützen. Die Peschmerga-Milizen stehen aber wiederum in Kontakt mit der PKK. Ein Kommandant der PKK sagte der britischen BBC, man erhalte auch Waffen von der Peschmerga. Schließlich kämpfe man gegen den gleichen Feind.

Derzeit prüft die Bundesregierung, ob man Rüstungsgüter wie Schutzwesten, Helme oder gepanzerte Fahrzeuge in den Nordirak liefert. Bundeskanzlerin Angela Merkel schließt Medienberichten zufolge auch Waffenlieferungen in den Irak nicht aus. "Wir nutzen den Spielraum, den uns der politische und rechtliche Rahmen für Rüstungsexporte gibt", sagte die CDU-Politikerin in einem Zeitungsinterview. Es sei entsetzlich, was Menschen im Nordirak durch die IS erlitten.