Portugal: Lithium oder Landwirtschaft?
3. Mai 2019Klingt eigentlich wie ein guter Plan: Weil Portugal vermutlich das Land mit den größten Lithiumvorkommen in Europa ist, will die Regierung das Erz nicht nur großflächig abbauen, sondern auch gleich zu Lithiumhydroxid, das zur Batterieherstellung nötig ist, weiterverarbeiten. Mit Energiewende und Umweltschutz die Wirtschaft ankurbeln, gleichzeitig gut verdienen und Europas Abhängigkeit von Drittländern verringern - das klingt toll; die Politiker nennen Lithium bereits das 'weiße Gold Portugals'. Nur sind die Menschen dort, wo demnächst riesige Tagebau-Bergwerke entstehen sollen, gar nicht begeistert. Sie gehen gegen die Regierungspläne auf die Barrikaden.
"Auf immer und ewig: Nein", sagt Aida Fernandes streitbar. "Die Bevölkerung ist gegen das Bergwerk und wir werden alles tun, damit der Wille der Menschen hier respektiert wird." Sie gehört zur Bürgerinitiative, die sich in dem Dörfchen Covas do Barroso vor wenigen Monaten gegründet hat, als die Dimensionen eines der geplanten Abbaugebiete bekannt wurde: Auf 700 Hektar würden bis zu 600 Quadratmeter große Löcher gegraben, 150 Meter tief. Wieder aufgefüllt werden sollen sie nicht, aus "Wirtschaftlichkeitsgründen". Auch Fernando Queiroga, der zuständige Landrat ist entrüstet: "Der Landkreis Boticas ist aufgrund der gegenwärtigen Erkenntnisse absolut gegen den Lithiumabbau. Vor allem wegen der Auswirkungen auf die Umwelt."
Umweltschäden befürchtet
Die hätten es in sich: Für ein Kilo Lithium muss etwa eine Tonne Granit zerkleinert und ausgewaschen werden - mit zum Teil höchst aggressiven Chemikalien. Nur für die Erkundung wurden in Covas do Barroso 105 Plattformen angelegt, Wälder gerodet, Baggerstraßen angelegt. In einer Region, die erst vor einem Jahr von der UNO als "landwirtschaftliches Welterbe" klassifiziert wurde. Das sorgt für böses Blut in dem abgelegenen Grenzgebiet im Nordosten Portugals, das bezeichnenderweise 'Trás-os-Montes', auf Deutsch 'hinter den Bergen' heißt. "Wir haben diese Auszeichnung von der Welternährungsorganisation wegen der Qualität unserer landwirtschaftlichen Produkte bekommen, wegen unserer nachhaltigen Landwirtschaft", stellt Bürgerinitiativenchef Gomes fest. "All das steht jetzt auf dem Spiel."
Es werde vermutet, die portugiesischen Lithiumreserven seien die sechstgrößten der Welt, erklärt João Galamba, der zuständige Staatssekretär im Umweltministerium. Neun mögliche Lithiumabbau-Orte hat seine Regierung ausgemacht, die sollen jetzt international ausgeschrieben werden. Portugal wolle sich 'aggressiv bei der Energiewende positionieren', nicht nur Abbauland sein, sondern das Lithium auch weiterverarbeiten: "Die Bergwerke und eine Lithium-Raffinerie bedeuten Tausende von Arbeitsplätzen und Investitionen von mehreren Hundert Millionen Euro." Dabei soll natürlich die Umwelt weitgehend geschützt und die betroffenen Gemeinden am Gewinn beteiligt werden, da die Lithiumvorräte in infrastrukturschwachen Regionen liegen.
Streit 'hinter den Bergen'
Viele davon in Trás-os-Montes, und genau das ist der Knackpunkt: Die Region wurde jahrhundertelang von den Regierenden in Lissabon vernachlässigt und vergessen, ja sogar bedenkenlos ausgebeutet. Verlassene Gold- und Uranminen, die schwere Landschaftsschäden hinterlassen haben, zeugen ebenso davon wie riesige Stauseen zur Energiegewinnung für die fernen Ballungsgebiete, die gegen den Willen der Bevölkerung angelegt wurden. Das hat die Menschen 'hinter den Bergen' misstrauisch und dickköpfig gemacht, auch den Landrat Fernando Queiroga: "Sie nehmen uns alles, was wir an Gutem haben. Den Nutzen jedoch hat nur Lissabon, die 'Hauptstadt des Imperiums'. Für uns bleibt nichts." Beim Lithium müsse es anders laufen, es gehöre den Bewohnern der Region, die müssten darüber entscheiden.
Orlando Alves, der Landrat des Nachbarkreises Montalegre sieht die Sache ähnlich. Dort liegt bei dem Dorf Cepeda ein weiteres großes Lithiumvorkommen. "Nichts ist uns wichtiger als die Erhaltung unserer Umwelt, unserer intakten Landschaft und unserer landwirtschaftlichen Qualitätsprodukte. Das ist uns heilig!" Ein Bergwerk oder eine Lithiumraffinerie kämen nur infrage, wenn der Umweltschutz garantiert sei - und das sei er nicht. Auch sei noch nicht geklärt, ob die Lithiummenge und seine Qualität ausreiche, die versprochene Weiterverarbeitungsfabrik zu bauen. "Sicher wollen wir Arbeitsplätze schaffen und die Landflucht stoppen. Aber nicht um jeden Preis."
Misstrauische Bevölkerung
"Ich weiss nicht wirklich, was das werden soll", sagt Armando Teixeira. Er ist einer der wenigen, die noch in dem Dorf Cepeda bei Montalegre leben. Alle anderen haben den Ort verlassen, sind auf der Suche nach einem besseren Leben emigriert. Auch seine beiden Söhne. "Es wäre schön, wenn die jungen Leute hier Arbeit hätten, aber die werden wohl viele Löcher graben und alles verändern, und das könnte die Umwelt beeinflussen." Der alte Landwirt besitzt zwei Weiden im geplanten Abbaugebiet, das bereitet ihm Sorgen. Auch die anderen Dorfbewohner seien misstrauisch, versichert Landrat Alves. Alle warteten auf die gesetzlich vorgeschriebenen Umweltstudien, die in den nächsten Monaten veröffentlicht werden sollen. An denen, so hofft auch sein Kollege aus Boticas, könnten die Lithium-Pläne der Regierung noch scheitern.
Wirklich optimistisch sind sie jedoch nicht. "Oft dienen Umweltstudien wirtschaftlichen Interessen", klagt Landrat Alves. " Und wir sind wenige Wähler hier, während es um Millionensummen geht." Und selbst wenn die Studien sich gegen die Lithiumbergwerke aussprechen sollten, bliebe der Regierung immer noch die Möglichkeit, den Abbau zu einem Projekt von 'nationalem Interesse' zu erklären und zu verwirklichen. "Das wäre eine falsche, zentralistische Entscheidung aus Lissabon, die kriminell wäre", meint Landrat Alves aus Montalegre. Sein Kollege Fernando Queiroga aus Boticas setzt noch einen drauf: "Wir hier in der Region sind zwar gastfreundlich und offen. Aber nur zu unseren Freunden. Wer uns betrügen will, der bekommt Ärger." Das Lithium, das 'weiße Gold Portugals', hat schon jetzt für mehr Ärger gesorgt, als Portugals Regierung lieb sein dürfte. Dabei will die doch nur Fortschritt 'hinter die Berge' bringen.