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Ökostrom fürs brasilianische Netz

Nadia Pontes25. April 2012

In Brasilien können Verbraucher nun selbst gewonnenen Strom aus erneuerbaren Energien in das Versorgungsnetz einspeisen, um ihre Stromrechnung zu senken. Finanzielle Unterstützung für eine Umrüstung gibt es aber nicht.

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Eine Solarzellenanlage (Foto: BSW-Solar)
Bild: BSW-Solar

Am Fuße der Serra do Mar, des Küstengebirges im Bundesland São Paulo, generieren die Bewohner einer kleinen Urwaldsiedlung ihren eigenen Strom. Seit der Gründung des Ökodorfs 1999 versorgen Fotovoltaik-Anlagen durch die Umwandlung von Sonnenlicht die Steckdosen mit Strom. 2009 kam eine Mikroturbine hinzu, die Wasserkraft in elektrische Energie umwandelt - für die Haushalte und für das Büro des Ipema, des Instituts für Permakultur und Ökodörfer im atlantischen Regenwald.

Computer, Drucker, Beamer, aber auch Waschmaschinen, Mixer, Fernseher und Lampen – alles hier funktioniert mit lokal hergestellter Energie, erklärt Ipema-Gründer Marcel Bueno. Und doch: Die Gemeinschaft produziert mehr Strom als sie verbraucht. Besonders nachts, wenn all diese Geräte nicht genutzt werden, bleibt das Potenzial der Generatoren ungenutzt.

Die brasilianische Lösung

Die jüngste Änderung in den Richtlinien der brasilianischen Stromagentur Aneel eröffnet neue Möglichkeiten: Verbraucher, die Zuhause Strom aus erneuerbaren Energien generieren, dürfen seit vergangenem Freitag (19.4.2012) den Überschuss in das lokale Versorgungsnetz einspeisen. Das gilt für Mikrogeneratoren (bis 100 kW) und Minigeneratoren (von 100 kW bis 1 MW), die erneuerbare Energien nutzen: Solar-, Wind-, Wasserkraft und Biomasse. Die Regierungsbehörde nannte der DW gegenüber als Vorteile "wirtschaftlichere Investitionen in Verteilernetze, Reduktion energetischer Verluste und bessere Stromversorgung."

Branchenspezialisten begrüßten die Gesetzesänderung. Die Entscheidung fördere eine effizientere Nutzung elektrischer Energie, meint Professor Nivalde J. de Castro, der die Erforschung erneuerbarer Energien an der Bundesuniversität von Rio de Janeiro koordiniert. Er hebt zwei Vorteile hervor: "Wenn die Verbraucher ihren Strombedarf nicht mehr allein aus zentral gewonnener Energie decken, sondern einen Teil selbst generieren, sinkt die Notwendigkeit, große Wasserkraftwerke und Windparks zu bauen und die Versorger müssen weniger in den Ausbau der Verteilernetze investieren."

Luftaufnahme des Itapu-Staudamms an der Grenze von Brasilien zu Paraguay (Foto: AP)
Vor Ort gewonnener Strom entlastet die WasserkraftwerkeBild: AP

Keine Subventionen

Wer allerdings in Brasilien seinen eigenen Strom produzieren will, muss sämtliche Kosten selbst tragen. Die Netzbetreiber müssen nicht einmal bei der Installation der Geräte helfen, mit der die eingespeiste Energiemenge gemessen wird. Und steuerliche Anreize gibt es auch nicht. Brasilianer müssen also deutlich knapper kalkulieren als Deutsche, denen das EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) die Abnahme für nachhaltig gewonnenen Strom zu einem Fixpreis garantiert, der in der Regel über dem Marktpreis für Strom liegt.

In Brasilien können kleine Stromproduzenten noch nicht einmal den Marktpreis verlangen. Die Netzbetreiber sind lediglich verpflichtet, eingespeiste Energie als Guthaben anzurechnen, dass der Verbraucher mit einer Frist von bis zu drei Jahren aufbrauchen kann. "Finanziell lohnt sich die Investition also nur, wenn über die Jahre die Ersparnisse bei der Stromrechnung die Anschaffungs-, Aufbau- und Betriebskosten übersteigen", betont de Castro. Eine günstige Solaranlage mittlerer Leistung zum Erhitzen von Wasser koste umgerechnet zwischen 400 und 600 Euro, ein richtig gutes Gerät sogar circa 2000 Euro, sagt Bueno. "Angesichts dieser Kosten wird der Verbraucher lieber weiter Strom vom Versorger beziehen“, befürchtet er und meint, „deshalb sollte die Regierung Steuerbefreiung für Solarthermie- und Fotovoltaik-Anlagen gewähren."

Deutsche Pionierarbeit

Die deutsche Regierung leistete 1990 Pionierarbeit zur Dezentralisierung der Stromversorgung. Mit der ersten Auflage des EEG verpflichtete sie Netzbetreiber Kleinproduzenten Strom abzukaufen. Da die Einspeisevergütung mithilfe von Steuergeldern über dem Marktpreis für herkömmlich erzeugten Strom gehalten wird, kann die Installation von beispielsweise Fotovoltaik-Anlagen ein lukratives Geschäft für Kleinproduzenten sein.

Eine Fallstudie des brasilianischen Energie- und Bergbauministeriums zeigt, dass der unmittelbare Effekt eine drastische Belebung des Marktes für erneuerbare Energien war. Die jüngsten Zahlen der deutschen Regierung zeigen, dass nachhaltige Energiequellen 2010 in Deutschland mit ihrer Kapazität von 55.596 MW 17,1 Prozent des Energiebedarfs des Landes decken konnten.

Auswirkungen auf Brasilien

Die Aneel hofft auf einen ähnlichen Effekt in Brasilien. "Die Erwartung ist ein deutlicher Impuls für die nachhaltige Entwicklung des brasilianischen Marktes für erneuerbare Energien hin zur adäquaten Verwertung der natürlichen Ressourcen und einer effizienten Nutzung der Stromnetze", erklärt die Stromagentur. Die Forschergruppe um Professor de Castro ist da skeptischer: "Wir glauben nicht an einen allzu großen Effekt", sagt der Experte und verweist ebenfalls auf fehlende steuerliche Anreize. "Die ersten Interessenten dürften große Mehrfamilienhäuser oder Wohnanlagen mit mehreren Gebäuden sein."

Dass man in Brasilien weiterhin keine monetären Anreize setzt, um die Dezentralisierung der Stromproduktion zu stimulieren, kommentiert der Energieexperte so: "Brasilien verfügte immer über einen Überfluss an energetischen Ressourcen: Wasserkraft, Windkraft und nun wird das Land auch zu einem großen Gasförderer."

Bueno wartet jedenfalls erst einmal ab: Ob er das Ökodorf in São Paulo an das nationale Stromnetz anschließen wird, weiß er noch nicht. Doch in einem ist er sich mit mehr als zehn Jahren Erfahrung als Selbstversorger sicher: "Damit Brasiliens Wirtschaft weiter wachsen und den täglich steigenden Energieverbrauch bedienen kann, muss es die Stromgewinnung dezentralisieren."