London und Paris ordnen Grenzsicherung neu
18. Januar 2018Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt besucht der französische Präsident Emmanuel Macron Premierministerin Theresa May in Großbritannien - und gleich mit einer ganzen Ministerriege. Beim französisch-britischen Regierungsgipfel geht es an diesem Donnerstag vor allem um das Thema Immigration. Vor dem Treffen erklärte London, dass Frankreich von Großbritannien weitere 50 Millionen Euro für den Grenzschutz in Calais bekommt. Mit dem Geld werde die Sicherheit der britischen Grenze verbessert, sagte eine Regierungssprecherin. Frankreich hatte zuvor auf größere Finanzhilfen gedrungen, um Flüchtlinge am Überqueren des Ärmelkanals zu hindern.
Bei dem Gipfeltreffen in der britischen Militärakademie Sandhurst südlich von London soll nach Angaben des Elysée-Palastes ein neues Abkommen zur Grenzsicherung besiegelt werden. Es soll den 15 Jahre alten "Vertrag von Touquet" ablösen, der gemeinsame Kontrollen ermöglichte. An dem neuen Abkommen wird aber noch gearbeitet.
Die britische Grenze wird faktisch in Nordfrankreich bewacht: In Calais verhindern französische Polizisten, dass Migranten auf Lastwagen mit Ziel Großbritannien klettern. Pässe werden bereits von britischen Beamten im Hafen von Calais kontrolliert. Wer nicht ins Land darf, muss in Frankreich bleiben - und fliegt nicht erst bei der Ankunft in Dover auf. Umgekehrt kontrollieren Franzosen schon auf englischem Boden, ob Reisende nach Frankreich dürfen. Die 2003 unterzeichneten Vereinbarungen von Touquet sind die Grundlage für diese Kontrollen.
In weiteren Vereinbarungen aus den Jahren 2009, 2010 und 2014 verpflichtete sich Frankreich, Grenzübertritte von Flüchtlingen nach Großbritannien zu verhindern - vor allem in der Umgebung des Eurotunnels in Calais. Mit britischer Hilfe wurden Zäune und Überwachungsanlagen gebaut.
Für London ist das neue Abkommen entscheidend, da nach dem Brexit die Grenze zur EU durch den Ärmelkanal verläuft. Macron hat sich seinerseits den Kampf gegen die "illegale Einwanderung" auf die Fahnen geschrieben. Frankreich hatte im vergangenen Jahr eine neue Höchstzahl von mehr als 100.000 Asylbewerbern verzeichnet, das war ein Zuwachs von gut 17 Prozent.
Macron fordert deshalb einige Zugeständnisse von London: Nach Angaben aus dem Élysée-Palast geht es unter anderem um die Aufnahme von unbegleiteten Minderjährigen oder von Flüchtlingen, die bereits Familienangehörige in Großbritannien haben.
Das hatte Macron am Dienstag auch bei einem Besuch in der Hafenstadt Calais angedeutet, von der aus die meisten Flüchtlinge über den Ärmelkanal zu gelangen versuchen. Dort sagte der Staatschef, Calais sei keine "Geheimtür" nach Großbritannien, sondern eine "Sackgasse" für die Migranten. Die Vorgängerregierung hatte dort vor 14 Monaten ein Flüchtlingslager mit fast 8000 Menschen räumen lassen.
Der französisch-britische Regierungsgipfel findet alle zwei Jahre statt. Das halbtägige Treffen, an dem sieben französische Minister teilnehmen, beginnt mit einem Mittagessen. Am frühen Abend ist eine Pressekonferenz geplant.
Bei dem Treffen in Sandhurst soll es auch um die Beziehungen beider Länder nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union gehen. Nach Schätzungen leben etwa 150.000 Franzosen im Vereinigten Königreich und etwa ebenso viele Briten in Frankreich.
Macron und May werden bei ihrem Treffen in der Königlichen Militärakademie außerdem über ein bedeutendes Kunstwerk sprechen: Der weltberühmte Teppich von Bayeux könnte zeitweise von Frankreich an Großbritannien ausgeliehen werden. Die fast 70 Meter lange Wollstickerei aus dem elften Jahrhundert gilt als einzigartig. Der Wandteppich schildert die Eroberung Englands 1066 durch Wilhelm den Eroberer, der Herzog der Normandie war. Das Kunstwerk gehört zum Weltdokumentenerbe der UN-Kulturorganisation UNESCO.
stu/se (afp, dpa)