Luft- und Raumfahrt
16. April 2012Langweilig klinge das, was er zu berichten habe, sagt Thomas Enders, der Präsident des Bundesverbandes der Luft- und Raumfahrtindustrie. So drücken sich wohl nur besonders erfolgsverwöhnte Menschen aus, wenn sie zum wiederholten Mal eine äußerst positive Bilanz ziehen können. Um 4,1 Prozent konnte die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie im vergangenen Jahr wachsen, so Enders am Montag (16.04.2012) auf der Jahres-Pressekonferenz seines Verbandes. Die Zahl der Beschäftigten stieg um 2000 auf aktuell 97.400 und der Gesamtumsatz um eine Milliarde auf 25,7 Milliarden Euro.
Besonders erfolgreich sind die zivilen Flugzeugbauer, sowie Hersteller von Triebwerken, Ausrüstungen und Werkstoffen. Sie werden durch das Wachstum in Asien und im Mittleren Osten befeuert. Nicht einmal mehr zwanzig Prozent ihrer Geschäfte macht die Zivilluftfahrt noch mit europäischen Airlines. Daher kann dieser Bereich, der zwei Drittel der gesamten deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie repräsentiert, trotz der europäischen Schuldenkrise überhaupt so erfolgreich sein.
Auftragsbücher sind voll
Ein Erfolg, der sich nach Ansicht von BDLI-Hauptgeschäftsführer Dietmar Schrick auch in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Marktforscher würden der zivilen Luftfahrt für die nächsten zwanzig Jahre ein jährliches Wachstum von vier bis fünf Prozent prognostizieren. "Wir haben volle Auftragbücher, die Produktionsraten bei fast allen Systemherstellern sollen angehoben werden", so Schick. Allein Airbus habe einen Auftragsbestand von rund 4500 Flugzeugen. Mit der Auslieferungen von 534 auf der zivilen und 29 Flugzeugen auf der militärischen Seite habe man eine Auftragsreichweite von sieben bis acht Jahren. "Ich kenne keine andere Branche, die solche Zahlen vorzuweisen hat", sagt Schick.
Im militärischen Sektor hingegen haben sich die negativen Prognosen des vergangenen Jahres erfüllt. Sprach man beim BDLI da noch von dunklen Wolken, die sich am Horizont zusammenballten, so sieht der Verband die Hersteller von militärischen Jets und Hubschraubern mitsamt ihren Zulieferern in der Ausrüster- und Werkstoffindustrie inzwischen sprichwörtlich im Regen stehen. "In der Verteidigung, wo unser Geschäft sehr stark abhängt von unseren europäischen Kunden, wo die Verteidigungsminister der europäischen Länder Budgets einsparen müssen wegen der Schuldenkrise, da kneift es uns ganz erheblich", klagt BDLI-Präsident Thomas Enders, im Hauptberuf Chef des europäischen Luft - und Raumfahrtkonzerns EADS.
Die Bundeswehr ist kein guter Kunde mehr
Besonders treffe es kleine und mittelständische Unternehmen, die angesichts zweistelliger Umsatzeinbußen zunehmend um ihre Existenz bangen müssten. Dafür verantwortlich sei die Bundeswehrreform. Die Luftstreitkräfte wollen nicht nur deutlich weniger Eurofighter-Kampfjets und Hubschrauber kaufen als ursprünglich geplant, sie verkleinern auch ihre Flotten. Dadurch würden weniger Ersatzteile gebraucht und es werde weniger repariert. Diese Entwicklung habe dramatische Folgen für die deutsche militärische Technologiekompetenz, warnt BDLI-Vizepräsident Arndt Schoenemann. Einige Firmen würden sich zukünftig aus dem militärischen Marktsegment verabschieden und zurückziehen. "Die Folgen für die Bundeswehr sind dabei kaum absehbar, aber wir können heute auf jeden Fall schon sagen, dass die industrielle Betreuungsfähigkeit für hochkomplexe fliegende Waffensysteme damit gefährdet wird. Damit steht letztlich auch die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zur Disposition."
Export ankurbeln
Der BDLI appelliert daher an die Bundesregierung, so schnell wie möglich eine militärische Luftfahrtstrategie vorzulegen. Das sei allerdings nicht "der Schrei nach mehr Geld", betont Hauptgeschäftsführer Schrick. Es gehe vielmehr um eine konkrete Marschrichtung und um Planungssicherheit. BDLI-Präsident Enders fordert zudem, ausländischen Investoren den Einstieg in die militärische Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland zu erleichtern. Bislang hat die Bundesregierung ein Vetorecht und kann laut Außenwirtschaftsgesetz ausländische Investoren ablehnen, wenn sie mehr als 25 Prozent an einer strategisch bedeutsamen deutschen Rüstungsfirma erwerben wollen. Angesichts der akuten und wohl noch lange anhaltenden "Dürrephase", so sagt Enders, müsse aber realistisch abgeschätzt werden, was die Interessen der Politik und was die Interessen der Unternehmen seien. Mit wichtigen ausländischen Anteilseignern an Bord seien durchaus größere Erfolge im Exportgeschäft möglich.