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Lufthansa: Die Luft wird immer dünner

11. Juni 2020

Deutschlands größter Fluglinie ist durch die Corona-Krise das Geschäft weggebrochen, stündlich verliert das Unternehmen eine Million Euro. Trotz Staatshilfen in Milliardenhöhe sind tausende Arbeitsplätze in Gefahr.

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Deutschland Bundesregierung plant offenbar Direkteinstieg bei Lufthansa
Bild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

Die hart von der Corona-Krise getroffene Lufthansa muss tiefe Einschnitte bei den Personalkosten vornehmen. Der Einbruch des Passagierflugverkehrs führt zu einem noch höheren Personalüberhang als bisher bekannt. Die Airline-Gruppe brauche nach der Krise rechnerisch 22.000 Vollzeitstellen oder rund 26.000 Mitarbeiter weniger als heute, erklärte die Lufthansa am Mittwoch nach einem Tarifgipfel mit den Gewerkschaften UFO, Verdi und Vereinigung Cockpit in Frankfurt.

Bisher war offiziell von deutlich mehr als 10.000 Arbeitsplätzen die Rede. Um dennoch möglichst wenige Beschäftigte zu entlassen, müssten die Personalkosten für den Zeitraum der Krise deutlich sinken, erklärte Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann. "Deshalb setzen wir alles daran, mit unseren Tarifpartnern bis zum 22.06.2020 zu konkreten Ergebnissen zu kommen."

Das Unternehmen will mit den Gewerkschaften Vereinbarungen über Personalkostensenkungen erzielen. Ein Sparbeitrag sei notwendig für die Zustimmung der Aktionäre zum neun Milliarden Euro schweren staatlichen Rettungspaket für die Lufthansa, hatte Vorstandschef Carsten Spohr gesagt. Insbesondere sollen die Anteilseigner einer Kapitalerhöhung um 25 Prozent zustimmen, damit der Staat in Besitz eines 20-prozentigen Anteils an dem börsennotierten Unternehmen kommt.

Deutschland Bundesregierung plant offenbar Direkteinstieg bei Lufthansa | Austrian Air
Bei den Töchtern Swiss, Austrian und Brussels Airlines stehen ebenfalls Tausende Stellen auf der Kippe.Bild: picture-alliance/picturedesk/R. Jäger

Entlassungen auch bei den Töchtern

"Ohne signifikante Senkung der Personalkosten während der Krise verpassen wir die Chance eines besseren Restarts aus der Krise und riskieren, dass die Lufthansa Group deutlich geschwächt aus der Krise hervorgeht", sagte Personal-Vorstand Michael Niggemann.

Betroffen ist nicht nur das fliegende Personal, sondern auch das am Boden oder in der Verwaltung. Die Hälfte der überzähligen Stellen entfällt der Lufthansa zufolge auf Deutschland. Bei den Töchtern Swiss, Austrian und Brussels Airlines stehen ebenfalls Tausende Stellen auf der Kippe. Nach Medienberichten geht es bei der Schweizer Tochter um bis zu 1900 Arbeitsplätze. Austrian und Brussels wollen jeweils rund 1000 Jobs streichen.

Gewerkschaften zum Verzicht bereit

Die Gewerkschaften erklärten einmal mehr ihre Bereitschaft, gemeinsam einen Weg aus der Krise zu suchen. "Die Gespräche des heutigen Tarifpartnergipfels haben gezeigt, dass wir gemeinsam eine Lösung finden wollen und werden", erklärte Markus Wahl, Chef der Pilotengewerkschaft VC.

Die Piloten haben ihr Angebot erneuert, freiwillig auf bis zu 45 Prozent ihres Gehalts zu verzichten, um so Arbeitsplätze zu erhalten. Bei den am Mittwochabend begonnenen Verhandlungen zwischen Konzernvorstand und den Tarifpartnern habe die Vereinigung Cockpit (VC) Kosteneinsparungen im Umfang von etwa 350 Millionen Euro angeboten, teilte die Gewerkschaft mit.

Die Luftfahrt brauche einen Neustart, erklärte die Flugbegleitergewerkschaft UFO. "Wir werden daher weiterhin alles versuchen, um bis zur außerordentlichen Hauptversammlung eine Lösung erreichen zu können", sagte UFO-Geschäftsführer Nicoley Baublies. Allerdings müsse die Lufthansa auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten und zur Partnerschaft mit den Gewerkschaften bereit sein.

Lohnverzicht gegen Beschäftigungssicherung

Die Lufthansa erklärte, durch Kurzarbeit und Krisenvereinbarungen sollten betriebsbedingte Kündigungen "möglichst" vermieden werden. Wie Verdi weiter erklärte, verlangt das Unternehmen Lohnkürzungen, Abstriche beim Geld für Kurzarbeiter, bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie einen Verzicht auf Tariferhöhungen.

"Es werden substanzielle Beiträge von mehr als 20 Prozent der Einkommen erwartet", erklärte Verdi-Vizechefin Christine Behle. "Wir sind uns der schwierigen finanziellen Situation natürlich bewusst, erwarten aber auch substanzielle Sanierungskonzepte über das reine Sparen beim Personal hinaus", so Behle weiter. Ohne Beschäftigungssicherung sei eine Einigung nicht möglich.

Symbolbild- Lufthansa
Nicht nur Menschen müssen gehen: Die Lufthansa wird ihre Flotte verkleinern - um rund 100 MaschinenBild: Imago/M. Aurich

Weniger Stellen, weniger Maschinen

Airlines weltweit setzen Mitarbeiter wegen der Corona-Krise vor die Tür. So schätzen die Branchenanalysten von Allianz/Euler Hermes, dass trotz insgesamt 125 Milliarden Dollar Staatshilfen für die Fluggesellschaften weltweit 750.000 und damit bis zu 30 Prozent der Arbeitsplätze drohen verloren zu gehen.

Die Lufthansa steht wie viele andere Fluggesellschaften vor einem Schrumpfkurs, um sich an die längerfristig schwache Nachfrage nach Flügen anzupassen. Das Unternehmen rechnet erst für 2023 mit einem Marktniveau wie vor der Krise. Die Flotte von 760 Flugzeugen soll dauerhaft um 100 Maschinen verkleinert werden.

Entscheidung noch im Juni

Lufthansa rechnet damit, dass die Erholung der Nachfrage im Luftverkehr nur langsam verläuft. Bis es dazu kommt, benötigt der Konzern staatliche Hilfe. Im Gegenzug für ein neun Milliarden schweres Rettungspaket einschließlich Beteiligung des Bundes an dem Unternehmen muss die Lufthansa 24 Start- und Landerechte an ihren wichtigen Flughäfen in Frankfurt und München an die Konkurrenz abgeben.

Die Aktionäre müssen auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 25. Juni noch grünes Licht für Paket geben. Lufthansa-Chef Carsten Spohr will der Hauptversammlung ein Sparkonzept präsentieren. Der Konzern, der im ersten Quartal einen Milliardenverlust eingeflogen hatte, beschäftigt rund 138.000 Mitarbeiter.

dk/fab (dpa, rtr, afp)