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Politik

Lulas letzter Kampf

22. Januar 2018

Knast oder Kandidatur? Am Mittwoch entscheidet Brasiliens Justiz über das politische Schicksal von Übervater und Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva. Dem Land droht ein politisches Erdbeben.

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Brasilien ehemaliger Präsident Lula da Silva in Curitiba
Bild: Reuters/N. Doce

Es ist ein Stresstest für die brasilianische Demokratie: Am 24. Januar entscheidet das brasilianische Bundesgericht in Porto Alegre darüber, ob Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl im Oktober dieses Jahres antreten darf oder nicht.

Wie gebannt starren das größte Land Lateinamerikas und die internationale Gemeinschaft auf diesen Tag. 43 Auslandskorrespondenten und 250 brasilianische Medienvertreter werden aus dem Gerichtssaal in Porto Alegre berichten. Der Prozess wird live im Internet übertragen.

Das öffentliche Interesse verdeutlicht die enorme politische Bedeutung des Gerichtsverfahrens. Denn von dem Urteil in Porto Alegre hängt nicht nur die politische Zukunft von Ex-Präsident Lula ab, sondern auch der gesamte Verlauf der Präsidentschafts- und Parlamentswahl in Brasilien.

"Die Wähler sollen entscheiden"

Für den bekannten brasilianischen Kolumnisten Clovis Rossi hat Lula sein politisches Kapital verwirkt. "Auch wenn Lula sich als unschuldig erweisen sollte: Er war nicht fähig den unersättlichen Appetit seiner Parteigenossen zu kontrollieren", schreibt er in der Tageszeitung "Folha de São Paulo". Entweder habe er die Korruption in den eigenen Reihen bewusst geduldet oder sie übersehen - beides, so Rossi, "sind politisch unverzeihliche Vergehen."

Großbritannien Brazil Forum in London
Der brasilianische Richter Sérgio Moro (r) und der ehemalige Justizminister José Eduardo Cardozo berichten in London über die Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung in BrasilienBild: Divulgação Brazil Forum/Cynthia Vanzella

Brasiliens 72-jähriger Ex-Präsident, der das Land von 2003 bis 2010 regierte, wurde am 12. Juli vergangenen Jahres in erster Instanz wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Doch das Urteil von Richter Sérgio Moro, der durch die Ermittlungen im Korruptionsskandal "Lava Jato" landesweite Berühmtheit erlangte, scheint der Beliebtheit des Politikers keinen Abbruch getan zu haben.  

Der Gründer der Arbeiterpartei PT liegt in den Meinungsumfragen vorn. Rund ein Drittel aller brasilianischen Wähler würden ihm am 7. Oktober ihre Stimme geben. Sollte die Berufungsinstanz in Porto Alegre das Urteil Moros bestätigen und Lula erneut verurteilen, schriebe Brasiliens Justiz Geschichte: Erstmals würde ein Staatsoberhaupt in Brasilien verurteilt und womöglich inhaftiert.

Kritik aus Deutschland

Hinter den langwierigen juristischen Gefechten verbirgt sich nach Einschätzung von Beobachtern ein politischer Streit. "Brasilianische Juristen sprechen davon, dass die Gerichte unter dem Vorwand der Korruptionsbekämpfung den politischen Kampf der brasilianischen Machtelite gegen die verhasste politische Linke unterstützen", schreibt die ehemalige deutsche Justizministerin Herta Däubler-Gmelin in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Internationale Politik und Gesellschaft" (IPG).

Däubler-Gmelin wirft Richter Sérgio Moro Voreingenommenheit vor und kritisiert einen "auffälligen Mangel an Beweisen". "Das Berufungsgericht in Porto Alegre muss Moros Urteil aufheben", fordert sie. Die Aufrechterhaltung des Urteils schade nicht nur der glaubwürdigen und wirksamen Korruptionsbekämpfung, sondern zugleich der Rechtsstaatlichkeit in Brasilien.

Demonstration Anhänger von Luiz Inacio Lula da Silva
Die Anhänger von Ex-Präsident Lula wollen vor dem Gericht in Porto Alegre ihre Solidarität demonstrieren Bild: Reuters/P. Whitaker

Wie auch immer das Urteil ausfällt - bei einer Verurteilung könnte Lula erneut Berufung einlegen, diesmal beim Obersten brasilianischen Gerichtshof in Brasília. Die Chancen, dass die Berufung angenommen würde, steigen, wenn das Urteil in Porto Alegre nicht einstimmig ausfällt.

Countdown bis zum 15. August

Angesichts der zahlreichen Möglichkeiten, die Urteilsverkündung hinauszuzögern - sei es durch Akteneinsicht, Forderungen zur Überprüfung des Richterspruchs bis hin zur Berufung in der nächst höheren Instanz - lautet die entscheidende Frage: Wird das endgültige Verdikt über Lula bis zum 15. August gesprochen sein? An diesem Tag nämlich endet die Frist für alle Parteien, ihre Kandidaten beim obersten brasilianischen Wahlgericht zu registrieren.

Die brasilianische Justiz scheint dieser Frage ein besonders großes Gewicht beizumessen. Ausgerechnet zwei Tage vor dem Beginn des Verfahrens in Porto Alegre kündigte sie die Einrichtung eines neuen Gerichtsbezirkes in der Hauptstadt Brasília an, der auf die Straftatbestände Geldwäsche, Korruption und Bandenbildung spezialisiert sein und am 27. Februar seine Arbeit aufnehmen wird.

Für den Soziologen Celso Rocha de Barros ist dies kein Zufall. "Nach dem Urteil am Mittwoch hat der 'Lava-Jato' lediglich zwei große politische Auswirkungen verursacht: Den Sturz der Regierung von Ex-Präsidentin Dilma Rousseff und den Ausschluss Lulas von den kommenden Präsidentschaftswahlen", prophezeit er. "Wenn Lula fällt, wäre es besser, wenn alle anderen auch fallen", schreibt er in der "Folha de São Paulo".