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Coronavirus: Wirtschaft befürchtet SARS 2.0

Brigitte Scholtes
21. Januar 2020

Der Ausbruch einer neuartigen Lungenkrankheit in China weckt an den Finanzmärkten unschöne Erinnerungen an die Folgen der SARS-Epedemie von 2003. Damals litten vor allem Luftfahrt und Tourismus.

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Bild: Getty Images/AFP/Chen Chi-Chuan

Auch an den Finanzmärkten wächst die Unruhe vor einer Verbreitung des neuen Coronavirus. 291 Krankheitsfälle gibt es bisher in China, sechs Menschen sind inzwischen gestorben. Die Sorge ist groß, dass sich das Virus schneller ausbreitet, weil wegen des Neujahrsfests in China viele Menschen unterwegs zu ihren Familien sind. Dabei erinnern sich viele wohl an das aus der gleichen Familie stammende Coronavirus SARS, das im November 2002 ebenfalls in China entdeckt worden war - damals in der Provinz Guandong.

Jetzt ist das Virus in Wuhan entdeckt worden. "Es gibt keine Direktflüge von Wuhan nach Deutschland", meint Rolf Langhammer, Ökonom des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Die Millionenstadt sei nicht in dem Maße an das internationale Flugnetz angeschlossen wie Guadong. "Von daher glaube ich auch, dass die Auswirkungen auf den internationalen Flugverkehr und vor allen Dingen auf die Reisebestellungen und die Flugbuchungen in den Griff zu bekommen sind." Dennoch verloren Aktien von Airlines am Dienstag deutlich an Wert.

Luftfahrt und Tourismus litten unter SARS

Denn die Luftfahrt und der Tourismus waren damals die Branchen, in denen sich die Auswirkungen der SARS-Pandemie besonders deutlich gezeigt hatten, erinnert sich Eric Heymann, Luftverkehrsexperte von Deutsche Bank Research. Da habe man die Auswirkungen sogar im globalen Luftverkehr gesehen: "Es waren zwei Jahre in Folge, in denen der Luftverkehr nur wenig gewachsen ist im langfristigen Vergleich, und im Tourismus hat man sogar einen Rückgang der Touristenzahlen gesehen." Das sei sehr selten; Heymann nennt als Beispiele den Angriff auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 oder das Jahr der globalen Finanzkrise 2009. "Ansonsten wächst der Tourismus ständig, aber 2003 war eines der Jahre, in denen der Tourismus tatsächlich geschrumpft ist."

Die gigantische Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest läuft an
Die gigantische Reisewelle zum chinesischen Neujahrsfest läuft anBild: Getty Images/AFP/H. Retamal

Innerhalb Chinas hatte man damals nach ersten Versuchen, den Ausbruch des Virus geheim zu halten, sich bemüht, die Auswirkungen zu beschränken: Konferenzen seien abgesagt, große Sportveranstaltungen verschoben worden, um das Risiko zu minimieren, dass Menschen in Kontakt miteinander treten, erinnert sich Heymann. Selbst die Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen sei 2003 in die USA verlegt worden, sie sollte ursprünglich in China stattfinden. Innerhalb Chinas seien die Einzelhandelsumsätze zurückgegangen.

Wirtschaftlicher Schaden noch nicht abschätzbar

Der internationale Luftverkehrsverband IATA bezifferte in der Rückschau den wirtschaftlichen Schaden für seine Branche mit zehn Milliarden Dollar. 2003 sei das "schwierigste Jahr in der Geschichte der Luftfahrt" gewesen, hieß es damals. Wie stark das aktuelle Virus die Luftfahrt beeinträchtigen könnte, das wollen die Fluglinien noch nicht einschätzen. Dafür sei es noch zu früh, ist etwa beim deutschen Branchenverband BDLI zu hören. In Asien aber gebe es auch außerhalb Chinas schon erste Vorsichtsmaßnahmen, etwa in Bangkok, berichtet Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt, er habe am Dienstag am Flughafen der thailändischen Hauptstadt schon erste Warnhinweise gesehen. "Die Flughäfen und Länder reagieren nun schneller als in der Vergangenheit", meint er. Andererseits aber sei der Verkehr von und nach China stark gewachsen, von daher sei das Risiko einer Verbreitung in dieser Hinsicht größer.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft insgesamt seien 2003 begrenzt gewesen, trotz der Verbreitung des Virus in 29 Ländern, sagt im Rückblick Handelsexperte Langhammer vom IfW. Ein Grund: China habe sich damals in einer Hochwachstumsphase befunden mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um zehn Prozent. "Man rechnet heute im Nachhinein, dass das etwa ein Prozent Wachstum gekostet hat", sagt der Ökonom. "Es war ein Nachfrageschock da am Anfang, aber er hat sich relativ schnell gelegt." Und das, obwohl SARS damals etwa 800 Menschen das Leben gekostet hat.

Das aktuelle Coronavirus könne jedoch deutlichere Effekte zeigen, weil die Wirtschaft in China angeschlagen sei, meint Langhammer und zählt die Risiken auf: ein deutlich schwächeres Wachstum, Handelskonflikt mit den USA, Schweinegrippe. Hinzu komme jetzt eine wahrscheinliche Beschränkung der Reisetätigkeit innerhalb Chinas: "Es könnte kurzfristig lokal schon größere Auswirkungen auf bestimmte Sektoren haben, ich nenne das mal 'Nachfrageschock' für die Reiseindustrie," sagt Langhammer. Das gelte jedoch nur für China, nicht für die Weltwirtschaft.

Auch die deutschen Außenhändler sehen aktuell keine Gefahr für ihre Geschäfte durch das sich ausbreitende Coronavirus in China. Falls das Virus nicht eingedämmt werden könne, müsse sich der Markt über die daraus entstehenden Abwärtsrisiken für die chinesische Wirtschaft sorgen, hieß es in einer Analyse der Commerzbank. Das könnte das Geschäftsklima "zusätzlich belasten".