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Lösen Herpesviren Alzheimer aus?

5. Dezember 2023

Alzheimer, Demenz, Parkinson oder Multiple Sklerose - vieles spricht dafür, dass solche neurodegenerative Erkrankungen durch Virusinfektionen verursacht werden. Dabei stehen vor allem Herpesviren im Fokus.

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Frau betrachtet ihre Lippen im Spiegel
Bei Herpes denken viele zunächst an die kleinen Lippenbläschen, die das Herpes simplex-Virus Typ 1 verursacht.Bild: Christin Klose/dpa/picture alliance

Seit Jahren versuchen Forschende anhand von Datenanalysen einen direkten Zusammenhang zwischen Virusinfektionen und neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer, DemenzParkinson oder Multiple Sklerose nachzuweisen.

Dabei sind vor allem die vielen verschiedenen Herpesviren in den Fokus gerückt, die nicht nur lästige Bläschen, sondern je nach Typ auch Windpocken, Gürtelrose und das Pfeiffersches Drüsenfieber verursachen. Möglicherweise stehen Herpesviren auch im Zusammenhang mit der Entstehung von  Multiple Sklerose sowie verschiedenen Krebserkrankungen.

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Löst Herpes Alzheimer aus?

Bei Herpes denken viele zunächst an die kleinen Lippenbläschen, die das Herpes simplex-Virus Typ 1 verursacht. Typ 2 (HSV-2) ist für Bläschen im Genitalbereich verantwortlich. Frühere Datenanalysen haben gezeigt, dass Personen mit einer HSV-1 ein erhöhtes Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken.

Anhand von Blutuntersuchungen und Hirnscans konnten Forschende der Columbia-Universität in New York nun nachweisen, dass auch bei Patienten, die mit HPV-2 infiziert waren, die Großhirnrinde dünner war als bei Nicht-Infizierten. Laut der im "Journal of Neurological Sciences" veröffentlichten Studie  wurden dafür die Daten von 455 Menschen ausgewertet, die durchschnittlich 70 Jahre alt und nachweislich mit HSV-2 infiziert waren.

"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Seropositivität des Herpes-simplex-Virus 2 zu einer beschleunigten Alterung des Gehirns beitragen kann, was möglicherweise zu einer erhöhten Anfälligkeit für kognitive Beeinträchtigungen und neurodegenerative Erkrankungen in alternden Bevölkerungsgruppen führt", so die Studie.

Eine dünnere Großhirnrinde deutet sehr häufig auf eine Alzheimer-Erkrankung hin.Denn diese äußere Schicht des Großhirns ist vor allem für die kognitiven Fähigkeiten zuständig, also für die Verarbeitung der Sinneswahrnehmungen und für das Gedächtnis. Bei Alzheimer sammeln sich in der Großhirnrinde viele abnormale Proteine namens Amyloid und Tau.

Dadurch verändert sich die innere Chemie der Zelle. Das Amyloid verklumpt zu "Plaques" und das Tau-Protein lagert sich zu Faserbündeln, den sogenannten "Tangles" zusammen. Dadurch kommt es zur "Nekroptose", die Hirnzellen sterben ab.

Grafische Darstellung einer Alzheimer-Erkrankung
Bei Alzheimer sammeln sich in der Großhirnrinde viele abnormale Proteine namens Amyloid und Tau, wodurch Hirnzellen absterben.Bild: National Institute on Aging, NIH/AP/picture alliance

Beschleunigt Typ 2 die Hirnalterung?

Die neue Studie kann allerdings nicht belegen, ob HSV-2 tatsächlich Alzheimer auslöst, weil es sich um eine Korrelationsstudie handelt. Sie kann nur einen möglichen Zusammenhang zwischen einer Herpes-Infektion und dem Auftreten von Alzheimer aufdecken bzw. die Stärke dieses Zusammenhangs ermitteln. 

Fast alle Menschen haben sich in ihrem Leben schon einmal mit Herpes-Simplex-Viren Typ1 infiziert. Denn Herpesviren haben sich unglaublich gut an den Menschen angepasst. "Die Viren kennen das Immunsystem so gut, dass sie im Laufe der Evolution raffinierte Gegenmaßnahmen entwickelt haben, um die Abwehr geschickt zu täuschen", so Biologin Melanie Brinkmann, Gruppenleiterin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) und Professorin an der Technischen Universität Braunschweig.

Welche Herpesviren gibt es?

Zu den anpassungsfähigen Herpesviren gehören über 200 bekannte Mitglieder, wovon neun für den Menschen spezifisch sind. Dazu gehören neben den Herpes simplex-Viren des Typ 1 und 2 auch das Varizella-Zoster-Virus, das Windpocken und Gürtelrose verursacht sowie das Epstein-Barr-Virus, das Pfeiffersches Drüsenfieber auslöst und möglicherweise auch im Zusammenhang mit der Entstehung von Multiple Sklerose und verschiedenen Krebserkrankungen steht.

Hat man sich einmal infiziert, verbleibt das Herpesvirus ein Leben lang im Körper. Häufig treten gar keine Symptome auf und die Herpesviren schlummern im Körper im sogenannten Zustand der Latenz vor sich hin. Erst wenn der Körper durch einen starken Infekt oder durch Stress geschwächt ist, treten Symptome wie die typischen Bläschen (immer wieder) auf.

Selbst wenn der letzte Beweis für einen Zusammenhang zwischen Virusinfektionen und neurodegenerativen Erkrankungen noch gefunden werden muss, helfen diese Erkenntnisse bei der Entwicklung von wirksamen Therapien und möglichen Impfstoffen.

Was schützt vor Herpes-Viren?

Bislang gibt es noch keinen zugelassenen Impfstoff gegen Herpes-Simplex-Viren. Ein Impfstoff gegen Herpes-Simplex-2 wird gerade von BioNTech entwickelt und befindet sich in den klinischen Studien.

Wer noch keine Herpesviren in sich trägt, kann sich mit Abstand vor einer Infektion schützen. Übertragen werden Herpesviren durch Tröpfcheninfektion und Schmierinfektion bei engem Körperkontakt. Auch wer Herpesbläschen berührt, kann sich infizieren. Im Genitalbereich können Kondome die Infektionsgefahr reduzieren.

Wer Herpesviren bereist in seinem Körper hat, dem hilft ein starkes Immunsystem, um die Viren weiterhin im Schlummerzustand der Latenz zu halten. Um das Immunsystem nicht unnötig zu schwächen, sollte man daher extreme körperliche Belastungen, Stress und unnötige Infektionen vermeiden, etwa durch eine Impfung.

Auch Menschen mit einem geschwächten Immunsystem wie Ältere oder Menschen, die ihr Immunsystem medikamentös unterdrücken müssen, können sich regelmäßig gegen Infektionskrankheiten impfen lassen. Bei einem starken Immunsystem haben Herpesviren jedenfalls weniger Chancen.

 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund