Vom Umgang mit Elektroschrott
2. September 2015Ausgediente Fernsehapparate lagern an Straßenrändern, alte Handys landen in Hausmülltonnen, zerbrochene Energiesparlampen finden sich in Vorgärten wieder, obwohl sie hochgiftiges Quecksilber und wiederverwertbare Rohstoffe enthalten.
In Massen landen Altgeräte in den Händen krimineller Banden, die die wertvollen Bestandteile des Schrotts wie Gold, Kupfer und Palladium zu Geld machen oder in Afrikas Metropolen transportieren, wo sie oft auf Müllbergen vergammeln und die Umwelt vergiften.
"Selbst wer als Verbraucher seinen Müll zum kommunalen Werkshof oder zum Händler bringt, kann nicht sicher sein, dass der Elektroschrott ordnungsgemäß in Einzelteile zerlegt, recycelt wird und Schadstoffe entfernt werden", sagt Dr. Jaco Huisman, der wissenschaftliche Leiter der Studie von CWIT (Countering Waste Electronical and Electric Equipment Illegal Trade) gegenüber der DW.
Auftraggeber der Forschungsarbeit waren Unterorganisationen der Vereinten Nationen und Interpol, die internationale Polizeiorganisation. Die Europäische Union unterstützte das Projekt, das für zwei Jahre initiirt wurde und in diesem Monat (09/ 2015) ausläuft.
Die Experten-Gruppe sollte die Politik in den 28 EU-Mitgliedsstaaten beobachten, verfahrensrechtliche und technische Lücken aufdecken, sowie der Europäischen Kommission, den Strafverfolgungsbehörden und Zollorganisationen konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Kontrollen des illegalen Handels machen.
Das Problem ist durchaus vielschichtig. Es betrifft Gesundheit, Umweltschutz, Sicherheit, die Rohstoffwiederverwertung und hat, nicht zuletzt, Auswirkungen auf die Wirtschaft. Durch den nicht ordnungsgemäßen Umgang entsteht der Europäischen Union ein volkswirtschaftlicher Schaden zwischen 0,8 und 1,7 Milliarden Euro, so die Studie.
Projekt zur Problemlösung
Nur 35 Prozent von fast 9,5 Millionen Tonnen wurden 2012 fachgerecht in Sammlungssystemen zur Wiederverwertung entsorgt. Der große Rest wurde falsch recycelt, ins Ausland verschoben oder eben unsachgemäß entsorgt.
Mobiltelefone enthalten mehr als 40 chemische Elemente wie Brom, Cadmium, Chlor, Quecksilber und zum Teil organische Schadstoffe. Die können im gasförmigen Zustand in den menschlichen Körper gelangen und werden nur sehr langsam abgebaut. Gefährliche Stoffe, die verbrannt werden oder auf Deponien lagern, können Luft, Boden und Trinkwasser verseuchen. "Es gibt zu wenige Recycling-Unternehmen, die gründlich arbeiten, das ist ein großes Problem, aber auch die Tatsache, dass Kleingeräte einfach im Hausmüll entsorgt werden, ist inakzeptabel", kritisiert Jaco Huisman. Es gebe zu wenig Transparenz in Bezug auf den Umgang und den Verbleib der Einzelteile, so der Wissenschaftler. Qualität und die Kontrolle der Entsorgung müssten verbessert werden.
Eine Richtlinie, die ignoriert wird
Rein theoretisch regelt die EU-Richtlinie 2002/96/EG die Elektro- und Elektronikgeräte-Abfall-Entsorgung. Diese sollte die Mitgliedsstaaten verpflichten, bis zum 13. August 2004 nationale Gesetze zu verabschieden und ein Rücknahmesystem einzuführen. Experten wie Huisman bemängeln, dass ein Drittel der EU-Länder diese Vorgaben noch nicht umgesetzt haben.
In Deutschland trat das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) im März 2004 in Kraft. Doch auch hier werden 60 Prozent des Elektromülls nicht ordnungsgemäß verwertet. Ursprünglich waren die Hersteller für die Entsorgung verantwortlich. "Doch die Produzenten sind mit der Kontrolle des gesamten Metallstoffhandels und der Recycler überfordert", meint Huismann. Es brauche daher aktive Kontroll- und Strafverfolgungsbehörden.
Dem stimmt David Malone, Rektor der Universität der Vereinten Nationen zu. Produzenten, Händler, Recyclingunternehmen, Gesetzgeber, Strafverfolgungsbehörden, Wissenschaft und Hilfsorganisationen müssten viel besser zusammenarbeiten. In einzelnen EU-Ländern wie in den Niederlanden, Frankreich und Österreich funktioniere das System. Verboten werden müsse auch die Bargeldzahlung bei der Abwicklung von Geschäften. Durch Überweisung auf Bankkonten könne verhindert werden, dass Schrottteile illegal ins Ausland verschoben würden und dann irgendwo verschwänden, regt Jaco Huisman an.
Kompressoren und CD-Laufwerken besonders lukrativ
Stark zugenommen hat der Diebstahl von Einzelteilen alter Kühlschränke oder Computern. Als Sperrmüll deklarierte Altgeräte werden von Besitzern meist abends auf die Straße gestellt. CD-Laufwerke oder Kühl-Kompressoren, an der Rückwand der Gehäuse befestigt, werden dann nachts gezielt entwendet, wobei oft Öl und das extrem umweltschädliche FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) freigesetzt werden.
Recycling-Unternehmen, die sich auf die fachgerechte Demontage und Entsorgung der Geräte spezialisiert haben, nehmen ausgeschlachtete Kühlschränke oft gar nicht mehr an. Nur vereinzelte Kommunen haben als Konsequenz ihr Entsorgungssystem umgestellt: Sie verzichten auf feste Abholtermine, weisen die Eigentümer an, nach Absprache die Geräte erst am Abholtag draußen abzustellen.
Ein Pfandsystem für die Rückgabe von gebrauchten Elektro- und Elektronikgeräten könne helfen, den immensen Schaden einzudämmen, rät die Expertengruppe um Jaco Huisman. Der Export von gebrauchten PCs und Handys in Entwicklungsländer sei auch keine Lösung, denn einerseits gebe es dort auch keine fachgerechte Recycling-Infrastruktur. Andererseits kauften Menschen weltweit zunehmend Neuware. Die Experten schlagen im Bericht vor, Strafermittlungs- und Verfolgungsbehörden besser auszubilden und international zu vernetzen. Laut Interpol werden nur 0,5 Prozent der angezeigten Fälle geahndet. Vor allem aber raten sie den EU-Staaten, sich endlich auf einheitliche Richtlinien zu verständigen.