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Machtkampf um Energiewende

Gero Rueter22. März 2013

Heftig wird über die Energiewende gestritten. Regierung, Opposition und Länderchefs können sich nicht über eine klare Linie und die Kostenverteilung einigen. Es geht um viele Interessen und die Wählergunst.

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Ein Windrad steht in Jaenschwalde vor dem Kohlekraftwerk Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dapd
Kohlekraftwerk und WindenergieBild: dapd

Rund 25 Prozent des deutschen Strombedarfs wird inzwischen aus Wind-, Sonnen-, Wasserkraft und Biomasse gedeckt, 2010 waren es nur 17 Prozent. Geht der Ausbau wie in den letzten Jahren weiter, könnte der Anteil des regenerativen Stroms im Jahr 2020 bei über 50 Prozent liegen.

Derzeit tragen die Kosten für den Umstieg auf erneuerbare Energien vor allem private Stromverbraucher und der Mittelstand. Die energieintensive Industrie, die rund ein Fünftel des deutschen Stroms verbraucht, wurde in den letzten Jahren zunehmend von der Umlage zum Aufbau der erneuerbaren Energien (EEG) befreit.

Die EEG-Umlage stieg in den letzten Jahren stark an. 2008 betrug sie etwa 1,1 Eurocent pro Kilowattstunde (kWh), 2013 schon 5,3 Cent/kWh. Und selbst bei einem äußerst geringen weiteren Ausbau erneuerbarer Energien könnte sie im nächsten Jahr weiter steigen und bei über sechs Cent liegen.

Kampf um Interessen und Wählergunst

Mit einer sogenannten Strompreisbremse wollen Umweltminister Peter Altmaier und Wirtschaftsminister Philipp Rösler die EEG-Umlage begrenzen. Sie schlagen vor, die Industrie stärker an der Umlage zu beteiligen und die Vergütungen für die regenerative Stromerzeugung stärker als geplant abzusenken. Wirtschafts- und Umweltverbände, Stromerzeuger und die Opposition lehnen diese Pläne ab und präsentieren eigene Konzepte.

Kanzlerin Merkel mit Bundesumweltminister Altmaier und Bundeswirtschaftsminister Roesler (Foto: Roberto Pfeil/dapd)
Kanzlerin Merkel mit Bundesumweltminister Altmaier und Bundeswirtschaftsminister RoeslerBild: dapd

Bei der Debatte geht es um viele Interessen. Die stromintensive Industrie will die Situation nicht verändern und lehnt es ab, sich an einer Umlage zu beteiligen. Sie profitiert im besonderen Maße von der Energiewende und den gesunkenen Preisen an der deutschen Strombörse. In der EU ist der deutsche Börsenstrom inzwischen der Günstigste.

Opposition und Verbraucherverbände befürworten dagegen eine gerechtere Umlage und fordern eine stärkere Beteiligung der Industrie. Umweltverbände, die Branche der Erneuerbaren und Regionalpolitiker, die die Energieerzeugung vor Ort gerne stärken würden, warnen zudem vor Vergütungskürzungen und damit vor einem Abbremsen der Energiewende.

Die großen Stromkonzerne, die ihre Gewinne vor allem mit Kohle- und Atomstrom machen, haben wiederum ganz andere Interessen. Ein langsamerer Ausbau der Erneuerbaren käme ihnen entgegen. Denn sie verlieren durch die regenerative Stromerzeugung, die vor allem von Bürgern, Landwirten und Stadtwerken betrieben wird, an Umsatz und Gewinn.

Windpark mit Traktor Foto: Paul Langrock / Ostwind Alle Windparks sind in Deutschland. Unter den Dateien stehen die Namen der Windparks. Verwendung nur Berichterstattung Ostwind
Regionale Wertschöpfung: Landwirte und Bürger werden zu EnergieerzeugernBild: Paul Langrock/OSTWIND

Die Parteien agieren zwischen den vielen Interessen, -haben aber auch die Bundestagswahlen im September Blick. Wer sich zugleich als Fürsprecher von günstigen Strompreisen, Klimaschutz und Wirtschaftinteressen positioniert, erhält womöglich wertvolle Wählerstimmen.

Börsenstrompreis bestimmt die Umlage

Häufig wird die EEG-Umlage als Barometer für die Kosten der erneuerbaren Energien und für die Energiewende gesehen. Doch bei genauer Betrachtung wird deutlich, dass ganz unterschiedliche Faktoren die Umlagenhöhe bestimmen. Ein wichtiger Faktor sei dabei der Börsenpreis, sagt Felix Matthes, Forschungskoordinator vom unabhängigen Öko-Institut: "Wenn der Börsenstrompreis sinkt, dann steigt die Umlage."

Derzeit liegt der Börsenstrompreis in Deutschland bei rund 4,3 Cent/kWh. Die Umlage zur Förderung der Erneuerbaren ergibt sich aus der Differenz zwischen Börsenstrompreis und der gesetzlich garantierten Vergütung. Bei einer Windstromvergütung von rund 7,6 Cent/kWh ergibt sich derzeit ein umzulegender Zuschuss von 3,3 Cent/kWh. Im Jahr 2008 lag der Börsenstormpreis jedoch bei 7,1 Cent/kWh, die Mehrkosten für die Vergütung des Windstrom betrugen nur 0,5 Cent/kWh, die Umlage war 2008 entsprechend gering.

Ein Mitarbeiter der Strombörse European Energy Exchange (EEX) in Leipzig Foto: Jan Woitas/dpa
In der EU ist der Deutsche Börsentrompreise am günstigstenBild: picture-alliance/dpa

Dass der Börsenstrompreis so stark gesunken ist und durchaus weiter fallen könnte, hänge mit den energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusammen, meint Matthes. Derzeit sorgen vor allem die gesunkenen CO2-Zertifikate für eine günstige Kohleverstromung und damit zu niedrigen Börsenstrompreisen.

Wären die Preise für die CO2-Verschmutzungsrechte heute höher, so wie im Jahr 2008, dann "läge der Börsenstrompreis bei acht Cent und die Zusatzkosten für die erneuerbaren Energien wären entsprechend gering", erklärt Matthes.

Verantwortlich für sinkende Börsenstrompreise sind aber auch die erneuerbaren Energien. Nach Einschätzung von Felix Matthes haben diese "einen preissenkenden Effekt von knapp einem Cent".

Mehr Transparenz in der energiepolitischen Debatte

Um mehr Transparenz in die energiepolitische Debatte zu bringen, hat Matthes im Auftrag der Agora-Energiewende einen Rechner für die Öffentlichkeit und Experten entwickelt. Zahlreiche Parameter lassen sich hier verändern, mit ein paar Mausklicks wird zum Beispiel errechnet wie hoch die EEG-Umlage bei sinkenden oder steigenden Börsenstrompreisen, gebremsten oder beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren ist.

Interessant ist bei diesen Rechnereien vor allem eines: Der viel diskutierte Ausbau der erneuerbaren Energien spielt bei der Umlage die geringste Rolle. Einen viel stärkeren Einfluss haben der Börsenstrompreis und die Umlageverteilung zwischen Kleinverbrauchern und Industrie.

Machtkampf hinter den Kulissen?

Politiker aller Parteien und Energieexperten sind sich einig, dass das bisherige Fördermodell so nicht mehr funktioniert und weiterentwickelt werden muss. So sieht der Energieexperte der Grünen im Bundestag, Hans Josef Fell in der aufgeladenen Debatte vor allem einen "Machtkampf zwischen der alten fossilen und atomaren Energiewirtschaft und dem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien“. Im DW-Interview kritisiert er die "unehrliche Debatte" und findet, dass das konventionelle Energiesystem noch "ein Stück geschützt" werden soll.

Der Wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Joachim Pfeiffer, strebt zwar auch eine schnelle Reform des Umlagesystems an, doch es schwebt ihm dabei etwas ganz anderes vor. Er möchte die Förderung der erneuerbaren Energien möglichst schnell beenden und sie schnell in den Markt integrieren. "Die erneuerbaren Energien sind Planwirtschaft so wir sie jetzt haben", kritisiert er im DW-Interview und betont: "In vielen Bereichen sind die Erneuerbaren auch ohne Förderung bereits wettbewerbsfähig."

Die Interviews zu der EEG-Umlage mit Felix Matthes vom Öko-Institut, Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, und Joachim Pfeiffer, Wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: siehe Links.