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Machtwechsel auf Sri Lanka

Gabriel Dominguez9. Januar 2015

Auf Sri Lanka gibt es einen Regierungswechsel. Die Mehrheit ist Präsident Rajapaksa in seinem Machtstreben nicht mehr gefolgt. Auf den Nachfolger Sirisena warten große Aufgaben, vor allem in der Tamilenfrage.

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Wahlsieger Maithripala Sirisena (Foto: AP)
Wahlsieger Maithripala SirisenaBild: picture-alliance/AP/Eranga Jayawardena

Auf Sri Lanka hat sich das noch bis vor kurzem kaum Vorstellbare ereignet: Der scheinbar so fest im Sattel sitzende Präsident Mahinda Rajapaksa musste seine Wahlniederlage eingestehen und die Macht abgeben. Bei den vorgezogenen Präsidentschaftswahlen, mit denen sich Rajapaksa eine dritte Amtszeit sichern wollte, gewann sein Gegner Maithripala Sirisena mit etwas mehr als 51 Prozent der Stimmen gegenüber knapp 48 Prozent für den Amtsinhaber. Wahlleiter Mahinda Deshapriya in Colombo bezifferte die Wahlbeteiligung auf rund 75 Prozent.

Maithripala Sirisena wurde am 3. September 1951 in einem kleinen Dorf nördlich der Hauptstadt Colombo geboren. Er besitzt Abschlüsse in Agrarwissenschaften und in Politikwissenschaften und stieg in den 1970ern in die Lokalpolitik ein. 1989 wurde der Singhalese Sirisena als Abgeordneter in das srilankische Parlament gewählt. Wie die Mehrheit seiner Landsleute ist Sirisena Buddhist. Er gilt als bescheiden, spricht kein Englisch und trägt fast ausschließlich traditionelle Kleidung. Auch zur sozialen Elite in der Hauptstadt Colombo hielt er sich bislang auf Distanz.

Sirisena war noch bis kurz vor der Wahl enger politischer Verbündeter Rajapaksas, er war Verteidigungsminister in dessen Kabinett und später Gesundheitsminster sowie Generalsektretär von Rajapaksas Freiheitspartei (SLFP). Mit Unterstützung der oppositionellen Vereinigten Nationalpartei (UNP) gewann der 63-Jährige die Stimmen vieler desillusionierter Sri-Lanker mit dem Versprechen, die unter Rajapaksa angewachsene Machtfülle des Präsidenten zu beschneiden und mit Korruption und Vetternwirtschaft aufzuräumen. Rajapaksa hatte nach seiner Wiederwahl 2009 die Beschränkung auf zwei Amtszeiten für den Präsidenten abgeschafft und mehrere politische Spitzenämter mit Familienangehörigen besetzt.

Von Rajapaksa desillusioniert

Nach Ansicht von Jehan Perera, dem geschäftsführenden Direktor des Nationalen Friedensrates (NPC) in Sri Lanka, war der verbreitete Widerwille gegen die "Exzesse" der Regierung Rajapaksa der Schüssel zum Wahlerfolg der Opposition. Rajapaksa habe in einem Maße auf die Karte des singhalesischen Nationalismus, also der Mehrheitsbevölkerung, gesetzt, dass er die Unterstützung der ethnischen und religiösen Minderheiten verloren habe, sagte Perera der Deutschen Welle. Schließlich sei die massive Korruption auch in den Reihen der singhalesischen Elite auf Kritik gestoßen.

Der bisherige Amtsinhaber Rajapaksa bei der Stimmabgabe am 08.01.2015. (Foto: Reuters)
Der bisherige Amtsinhaber Rajapaksa bei der Stimmabgabe am 08.01.2015Bild: Reuters/Dinuka Liyanawatte

"Rajapaksa hat den Tamilen nach dem Ende des Bürgerkrieges keinerlei politischen Rechte eingeräumt", sagt Perera. "Er hat sich nicht um den Wiederaufbau ihrer Lebensgrundlage in ihrem Land gekümmert, auch nicht um ihren Wunsch, Informationen über ihre im Krieg vermissten Angehörigen zu erhalten." Statt dessen habe die Regierung die Tamilengebiete weiterhin durch das Militär regieren lasssen, bilanziert Pererea.

Darin sehen er und andere Beobachter einen Grund für die besonders hohe Wahlbeteiligung in den früheren Kriegszonen im Norden und Osten, die diesmal höher als bei vorangegangenen Wahlen war. Beobachter gehen davon aus, dass viele Tamilen ihre Stimmen für Sirisena abgegeben haben, weil sie gegen Rajapaksa stimmen wollten. Die größte tamilische Partei TNA hatte ihre Unterstützung für Sirisena ausgedrückt.

Neuer Anlauf bei Tamilenpolitik?

Die Frage, ob dessen Wahlsieg zu einem neuen Kurs gegenüber den Minderheiten führen wird, wird von Experten skeptisch beurteilt. Alan Keenan von der International Crisis Group verweist darauf, dass wichtige Themen, die die Tamilen betreffen, auf keiner Seite des Wahlkampfes eine Rolle gespielt hätten. Auch Perera kann bei Sirisena keine klaren politischen Vorstellung in Bezug auf die Tamilenfrage erkennen. Allerdings sieht er Chancen für einen Neuanfang: "Die TNA dürfte Bestandteil der nationalen Regierung werden, wie Sirisena es im Wahlkampf versprochen hatte. Sein Wahlsieg eröffnet die Möglichkeit für Diskussionen über dieses Thema zwischen verschiedenen politischen Parteien mit unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen", glaubt Perera. Es bestehe jetzt eine reelle Chance, eine für alle Seiten akzeptable Lösung zu finden.

Die Wahlbeteiligung lag bei rund 75 Prozent. (Foto: Anadolu Agency)
Die Wahlbeteiligung lag bei rund 75 ProzentBild: picture-alliance/AA/Chamila Karunarathne

Optimismus, der nicht von allen Beobachtern geteilt wird. Es wird schwer sein, religiöse, ethnische und politische Differenzen im Sinne einer Lösung der Tamilenfrage zu überwinden. Nicht zuletzt wird Sirisena einen Weg finden müssen, sich den Forderungen der internationalen Gemeinschaft nach der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen während des Bürgerkriegs zu stellen, ohne dass dadurch interne Konflikte erneut angeheizt werden, sondern es zu echter Versöhnung kommt.

Regierungs- und Wirtschaftsreformen

Sirisena war mit dem Versprechen einer Reform des Regierungssystems angetreten. Unter Rajapaksa sei der gegenseitige Kontrollmechanismus zwischen den Staatsgewalten ausgehöhlt worden, sagt Pererea. Die Politik habe sich Justiz und Verwaltung zu Diensten gemacht. Das zu ändern werde schwer sein, und wenn Sirisena keine für eine Verfassungsänderung nötige Zweidrittel-Mehrheit zusammenbekommt, vielleicht unmöglich.

Schließlich müssten auch Entscheidungen über die wirtschaftliche Entwicklung getroffen werden. Seit dem Ende des Bürgerkrieges 2009 habe das Land zwar ein Wachstum von rund sieben Prozent verzeichnet, sagt Pererea. Das sei aber hauptsächlich von staatlichen Ausgaben getragen - und von Investitionen und Finanzhilfe Chinas abhängig. In einer Neuorientierung der Wirtschaftspolitik sieht der Direktor des Nationalen Friedensrates eine Kernherausforderung für die neue Regierung unter Sirisena.