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"Made in Germany" unter Druck?

Sabine Kinkartz, Berlin27. Oktober 2015

Sechs Prozent mehr Umsatz in diesem und weitere 4,5 Prozent im kommenden Jahr – den deutschen Exporteuren geht es blendend. Trotzdem haben sie Sorgenfalten auf der Stirn. Warum?

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Symbolbild Deutschland Export
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Der deutsche Außenhandel befindet sich einmal mehr auf Rekordjagd. Auf 1.191 Milliarden Euro werden sich die Verkäufe ins Ausland in diesem Jahr erhöhen, das ist ein Plus von bis zu sechs Prozent. Die Importe können wie üblich nicht mithalten, sie wachsen um vier Prozent auf 947 Milliarden Euro. Der deutsche Exportüberschuss nimmt somit weiter zu. Ein Ende der Erfolgsgeschichte scheint nicht in Sicht. Der Branchen-Verband BGA setzt seine Wachstumsprognose für 2016 mit 4,5 Prozent an – so lautete Ende 2014 auch die Vorhersage für dieses Jahr.

Alles in schönster Ordnung, sollte man meinen. Wer Anton Börner, dem Präsidenten des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen zuhört, reibt sich indes verwundert die Augen.

Denn Börner warnt vor "schönen Zahlen", von denen man sich schon jetzt "nicht täuschen lassen" dürfe. Das Wachstum sei vor allem durch die ultralockere Geldpolitik der EZB, den daraus resultierenden schwachen Euro und die niedrigen Rohstoffpreise angetrieben worden. "Wir kommen unter Druck und müssen höllisch aufpassen."

Deutschland Anton Börner von BGA
BGA-Präsident Anton BörnerBild: picture-alliance/dpa/T. Brakemeier

Im Auge des Orkans

Ist das nun Klagen auf hohem Niveau, oder ist an den Warnungen tatsächlich etwas dran? "2016 sehe ich mit sehr großer Sorge", sagt Börner und meint damit vor allem das politische Auseinanderdriften in Europa. In Zeiten einer schlecht laufenden Weltkonjunktur, in denen die Schwellenländer und BRIC-Staaten wie Brasilien, Russland und China die Nachfrage nicht mehr antreiben, sind die traditionellen Absatzmärkte der deutschen Wirtschaft wieder stärker in den Fokus gerückt. 58 Prozent der Exporte gehen aktuell in EU-Länder, gefolgt von den USA mit neun Prozent und China mit sechs Prozent. Zahlen, die verständlich machen, dass Stabilität in Europa für die deutschen Exporteure ein hohes Gut ist.

In der Euroschuldenkrise befinde man sich im Auge des Orkans. "Das kann jederzeit wieder losgehen und ich halte das durchaus für wahrscheinlich." Dazu komme die Frage, ob die "Zentrifugalkräfte" in der EU 2016 weiter zunehmen würden. Befördert durch die Flüchtlingskrise nehme die Sprengkraft in der Union weiter zu. Die politische Gemengelage in Ungarn, Tschechien, Polen, aber auch in Österreich und in den Niederlanden sei so, dass es im kommenden Jahr durchaus zu "erheblichen Friktionen und Spannungen" kommen könne. "Dann weiß kein Mensch, in welche Richtung sich dieses Europa entwickelt."

Desaster in Russland

Nichts aber scheut die Wirtschaft mehr als instabile Verhältnisse. Was das bedeutet, ist derzeit in Russland und der Ukraine zu sehen. Um 31 Prozent sind die deutschen Ausfuhren nach Russland geschrumpft. Börner spricht von einer "desaströsen Situation". "Russland hat viel Porzellan zerschlagen." Schon aus Risikoüberlegungen könne man derzeit keine großen Investitionen tätigen. Bei den deutschen Unternehmen sei ein gewaltiger Vertrauensschaden entstanden, "der auch dann nicht wieder einfach so verschwindet, wenn der Konflikt mit der Ukraine beigelegt wird". Das werde "Jahre bis Jahrzehnte" dauern.

Ähnlich sieht es laut BGA in der Ukraine aus. "Wenn ein deutsches Unternehmen in der Ukraine investieren will, dann wird es derzeit keine Finanzierung bekommen, weil jeder sagt, das müssen sie selber finanzieren", so Börner. Das Risiko sei einfach zu hoch und daran werde sich so schnell auch nichts ändern. "Da sehe ich kein Land in Sicht." Auch auf den arabischen Raum blickt Anton Börner mit Besorgnis. Er sei lange Zeit einer der interessantesten Absatzmärkte für deutsche Produkte gewesen. "Mit den sicherheitspolitischen Risiken und dem niedrigen Ölpreis hat sich dies jedoch radikal verändert."

China schwächelt

Skeptisch ist Anton Börner auch in Bezug auf China, wo die Wirtschaft in diesem Jahr so langsam wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr wachsen dürfte. Börner geht davon aus, dass die Probleme sogar noch größer sind, als offiziell bekannt ist. "Ich weiß nicht, wie belastbar die Zahlen sind, die wir von der chinesischen Regierung bekommen." Wenn es, wie er glaubt, schlechter stehe als bekannt, dann werde das Auswirkungen haben. "Das ist keine kurzfristige Delle", so lautet die Analyse.

Keinen nachhaltigen Schaden verspricht sich der BGA indes durch den VW-Skandal. Die deutsche Wirtschaft besteht glücklicherweise nicht nur aus einem großen Autokonzern, sondern aus einer Vielzahl überwiegend mittelständischer Unternehmen, die davon nicht betroffen sind." Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei VW zwar nicht spurlos an den Kunden vorbei. "Nur mit einer restlosen Aufklärung lässt sich ein Imageschaden für den Standort Deutschland vermeiden." Von den Kunden habe die Exportwirtschaft aber die Rückmeldung, dass niemand wegen des VW-Skandals einen Auftrag in einer anderen Branche storniere.

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Volkswagen bringt "Made in Germany" nicht unter DruckBild: picture-alliance/dpa/Fredrik von Erichsen

Flüchtlinge sind eine Herausforderung

Ein viel größeres Problem könnte Deutschland indes durch den wachsenden Nationalismus im eigenen Land erwachsen. "Deutschland ist vom guten Ruf seiner Produkte und Leistungen abhängig, aber in gleicher Weise auch vom guten Ruf als offenes, freundliches und demokratisches Land", warnt Börner. Jede Form von Nationalismus, Abschottung und Protektionismus führe mindestens zu einem spürbaren Absinken des Wohlstands. "Wer diesen Ruf gefährdet, muss wissen, dass er damit gerade der deutschen Bevölkerung immens schadet."

Die Flüchtlingskrise sei eine große Herausforderung für Deutschland, vor allem mit Blick auf die dringend notwendige auch kulturelle Integration, die eine Aufgabe für mehr als ein Jahrzehnt sein werde. "Tatsache ist auch, dass diejenigen, die jetzt bereits hier sind, nur sehr eingeschränkt das hiesige Fachkräfteproblem lösen werden. Auch von der Qualifikation her sind dies nicht die Leute, die die Wirtschaft braucht." Fakt sei aber, dass die Menschen da seien und Deutschland müsse das Beste daraus machen.