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Mafiamethoden bei VW, Daimler, BMW & Co?

24. Juli 2017

Haben große deutsche Autohersteller Preise und Technologien abgesprochen? Der Verdacht steht im Raum. Gewerkschafter, Politiker und Experten fordern die Konzerne auf, das Gesetz des Schweigens zu durchbrechen.

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Marlon Brando in dem Film The Godfather
Bild: picture-alliance/Mary Evans Picture Library

Das Nachrichtenmagazin "Spiegel" hatte am Wochenende über ein angebliches Autokartell berichtet, in dem sich Vertreter von VW, Audi, Porsche, BMW und Daimler schon seit den 1990er Jahren gemeinsam über alle Bereiche der Entwicklung verständigt haben sollen. Dabei sei es um Benzin- und Dieselmotoren, Bremsen, Kupplungen und Getriebe gegangen. Die Hersteller sollen auch die Auswahl von Lieferanten, die Preise von Bauteilen und die Abgasreinigung ihrer Dieselmotoren sowie Kosten und Zulieferer abgesprochen haben.

Es könnte auch eine Verbindung zur Diesel-Affäre geben, falls es Absprachen über zu kleine Tanks für Harnstoff (AdBlue) gegeben haben sollte. Dieser Stoff kann Stickoxide aus Abgasen effizienter entfernen.

Treffen die Vorwürfe zu, steht ein illegales Kartellverhalten im Raum. Damit können etwa Preise gegenüber Kunden künstlich hoch gehalten und bei den Zulieferern gedrückt werden.

Auslöser sind zwei Selbstanzeigen

VW reichte dem "Spiegel"-Bericht zufolge vor rund einem Jahr einen Schriftsatz bei den Wettbewerbsbehörden ein. Darin soll der Autobauer selbst erklärt haben, es bestehe "der Verdacht" von "kartellrechtswidrigem Verhalten".

Auch der Stuttgarter Daimler-Konzern soll demnach einen Schriftsatz eingereicht und ebenso wie Volkswagen Selbstanzeige bei den Kartellbehörden erstattet haben. Diese Maßnahme solle, etwa wie bei Steuerhinterziehern, vor Strafe schützen.

Lehre aus dem LKW-Kartell?

Daimler hat sich in den vergangenen Jahren zumindest teilweise aus den geheimen Gesprächsrunden der großen deutschen Fahrzeughersteller zurückgezogen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf zwei Insider. Grund sei das 2011 aufgeflogene Lkw-Kartell gewesen.

Damit sei der Stuttgarter Konzern offenbar der einzige Hersteller gewesen, der auf das aufgeflogene Lastwagen-Kartell reagiert habe. Daimler war von der EU-Kommission wegen der Teilnahme an Preisabsprachen für LKW zu einem Bußgeld von knapp 1,1 Milliarden Euro verdonnert worden.

Daimler führte dem Bericht zufolge 2011 spezielle Kartellrechts-Lehrgänge ein. In diesen hätten Juristen der Belegschaft beigebracht, was erlaubt ist und was nicht. Zugleich sollen die Schwaben begonnen haben, sich aus den geheimen Treffen mit VW, Audi, Porsche und BMW teilweise zurückzuziehen. Ob das genügt, um Daimler vor einem neuen Bußgeld zu bewahren, bleibt abzuwarten.

Die EU prüft schon mal

In Brüssel werden derweil Informationen über ein mögliches Kartell zwischen den großen deutschen Autobauern geprüft. "Die Europäische Kommission und das Bundeskartellamt haben Informationen zu dieser Angelegenheit erhalten, die aktuell von der Kommission geprüft werden", sagte ein Sprecher.

Auch dem Bundeskartellamt liegen Informationen "zu möglichen Absprachen im technischen Bereich zwischen deutschen Autoherstellern" vor. Im Bereich des Kartellrechts innerhalb der EU führe entweder die Bonner oder die Brüsseler Behörde ein Kartellverfahren. Dabei arbeiteten Kartellamt und EU-Kommission eng zusammen. Laut Nachrichtenagentur Reuters wird sich wohl die Wettbewerbsbehörde der Europäischen Union der Sache annehmen.

Was sind "Sachverhaltsvermutungen"?

Vorläufig bestreiten aber alle am mutmaßlichen Kartell Beteiligten ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten. Daimler sprach von "Spekulationen", VW-Chef Müller in der "Rheinischen Post" von "Sachverhaltsvermutungen".

BMW stellte mit Blick auf die AdBlue-Tanks jedoch klar: "Den Vorwurf, dass aufgrund zu kleiner AdBlue-Behälter eine nicht ausreichende Abgasreinigung in Euro-6-Diesel-Fahrzeugen der BMW Group erfolgt, weist das Unternehmen entschieden zurück."

In einer Mitteilung des Münchener Autokonzern heißt es: "Fahrzeuge der BMW-Group werden nicht manipuliert und entsprechen den jeweiligen gesetzlichen Anforderungen." Dies treffe auch auf die BMW-Dieselautos zu.

"Kein Kavaliersdelikt"

Der Automobilexperte Stefan Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management warnt davor, die jüngsten Enthüllungen auf die leichte Schulter zu nehmen: "Ein mögliches Auto-Kartell ist alles andere als ein Kavaliersdelikt. Vor dem Hintergrund des Diesel-Skandals sind verbotene Absprachen auch eine Art Super-GAU für die Glaubwürdigkeit der deutschen Automobilindustrie."

Stefan Bratzel Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) Center of Automotive Management
Automobilexperte Stefan BratzelBild: Center of Automotive Management

Der Betriebsrat von Volkswagen dringt auf eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung, die der Konzern inzwischen für kommenden Mittwoch (26.07.2017) angekündigt hat.

Die Empörung ist groß

Vertreter fast aller politischen Parteien in Deutschland haben sich in dieser Sache zu Wort gemeldet und fordern rückhaltlose Aufklärung. SPD-Partei-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz spricht von einem "ungeheuerlichen Vorgang": "Es wäre ein gigantischer Betrug zu Lasten der Kunden und der oftmals mittelständischen Zulieferunternehmen. In diesem Fall müssen die verantwortlichen Manager die Konsequenzen tragen."

Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat die deutsche Autoindustrie aufgerufen, "reinen Tisch zu machen". Wenn sich die Vorwürfe erhärteten, dann müsse der Industrie klar gesagt werden: "Recht und Gesetz gelten auch für die Autoindustrie", sagte Kauder in der ARD. Dem Qualitätssiegel "Made in Germany" nütze die Debatte mit Sicherheit nicht. Die Branche müsse nun die Vorgänge in ihren Reihen aufklären.

Wo ist der Minister?

Die Grünen verlangen ein Sondertreffen des Verkehrsausschusses im Bundestag. Beantragt werde "eine kurzfristig einzuladende Sondersitzung für Ende Juli", kündigte Verkehrsexperte Oliver Krischer an. Man wolle so Klarheit über die möglichen "Machenschaften des Autokartells" bekommen, die - sollten sie sich bestätigen - "ungeheuerlich" seien.

Die Linksfraktion im Bundestag fordert ebenso eine rasche Sondersitzung des Verkehrsausschusses. "Der Verkehrsminister muss erklären, was er im Zusammenhang mit den`ungeheuerlichen Vorwürfen gegen die führenden deutschen Automobilhersteller zu tun gedenkt", erklärte Herbert Behrens, Verkehrsexperte der Fraktion und Ex-Chef des Untersuchungsausschusses zum VW-Abgas-Skandal, die Initiative.

Aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Parlament habe er erfahren, dass es viele Treffen zwischen Vertretern aus Ministerien und Konzernen gegeben habe. "Will Dobrindt wieder behaupten ahnungslos zu sein, wie beim Thema Abschalteinrichtungen?", fragte Behrens mit Blick auf Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

dk/hb (dpa/rtr/afp)