Mali: Neuer starker Mann heißt Bah N'Daw
22. September 2020In Mali wird der pensionierte Oberstmajor Bah N'Daw als Präsident des Nationalen Komitees für die Errettung des Volkes (CNSP) den Übergang leiten. N'Daw ist politisch kein unbeschriebenes Blatt: Der 70-Jährige hatte bereits wichtige Posten in der Hierarchie des malischen Staates und Militärs inne. So war er bereits Adjutant des kürzlich verstorbenen ehemaligen Präsidenten Moussa Traoré. 2014 war er zudem kurzzeitig Verteidigungsminister in der Regierung des geputschten Ex-Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta.
Ein militärisch-militärisches Tandem an der Spitze
Oberst Assimi Goïta, Anführer der Putschisten, die Ex-Präsident Keïta Mitte August zu Fall gebracht haben, soll Vizepräsident des CNSP werden. Ein Militär und ein ehemaliger Militär sollen also übergangsweise die Geschicke Malis bestimmen. Eine Konstellation, die für viel Kontroverse in Mali und in der ganzen Region sorgt.
Die Protestbewegung vom 5. Juni (M5-RFP) kritisiert die Art, wie die jüngsten Personalentscheidungen zustande kamen. Sie sei nicht fair, erklärt Choguel Kokalla Maïga, Koordinator von M5-RFP, im DW-Interview. Seine Bewegung sei nicht angemessen am Nominierungsverfahren beteiligt gewesen: "Imam Mahmoud Dicko, den wir als unsere moralische Instanz ansehen, wurde als Berater in das Ernennungsgremium eingeladen." Dort habe es aber keine Debatte gegeben, sondern es sei nur eine Mitteilung vorgelesen worden, so der Repräsentant der Protestbewegung.
Immerhin: Bei den Gesprächen vor eineinhalb Wochen einigten sich Militärs, Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft darauf, dass sich weder der Interimspräsident noch sein Vize nach Ablauf der 18-monatigen Übergangszeit in ein öffentliches Amt wählen lassen dürfen.
In der Zivilgesellschaft gibt es vor allem kritische Stimmen: Die Bloggerin und Menschenrechtsaktivistin aus Timbuktu, im Norden des Landes, Fatoumata Harber, auch bekannt als Tunbutu Woy, ist der Meinung, dass mit den jüngsten Personalentscheidungen der Protestbewegung M5-RFP der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Der Übergang unter ziviler Führung sei vereitelt worden. "Es war zu erwarten, dass die Macht in den Händen der Junta bleibt", so die Aktivistin.
Forderung der ECOWAS erfüllt?
Laut dem Soziologen Brema Ely Dicko stellt die Wahl eines ehemaligen Obersts an der Spitze des Übergangs ein Bollwerk dar, das Assimi Goïta und seine Kameraden des CNSP gegen die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS einsetzen. Die ECOWAS hatte der Militärjunta nach dem Putsch vom 18. August ein Ultimatum gestellt. Bis zum 22. September müssten ein ziviler Präsident und Ministerpräsident eingesetzt werden, forderten die Regierungschefs der Region nach einem Gipfeltreffen in der nigrischen Hauptstadt Niamey.
"Die ECOWAS hatte ja einen zivilen Übergang gefordert. Und jetzt hat die Junta einen ehemaligen Soldaten im Ruhestand, also sozusagen einen Halbzivilisten, präsentiert", sagt der Soziologe. Seiner Meinung nach kann mit der Nominierung aber nach vorne geschaut und ein echter Zivilist als Premierminister ernannt werden.
Die Diskussion dreht sich jetzt um die Frage, ob die jüngsten Entscheidungen über das Präsidenten- und Vizepräsidentenamt die ECOWAS-Kriterien erfüllen. Die Regionalgemeinschaft wird noch diese Woche ihre Vermittler nach Mali schicken. Die Organisation hatte Sanktionen gegen Mali verhängt, die aufgehoben werden sollten, sobald eine neue Übergangsführung eingesetzt würde. Oberst Goita forderte bereits bei Feierlichkeiten anlässlich des 60. Jubiläums der malischen Unabhängigkeit an diesem Dienstag, die ECOWAS sollte die Sanktionen aufheben.
"Ein ruhiger Mann"
Allaye Bocoum, Aktivist in der SADI-Partei (Afrikanische Solidarität für Demokratie und Unabhängigkeit), kennt den designierten Übergangspräsidenten N'Daw persönlich: "Wir sind seit circa 13 Jahren Nachbarn und ich kann sagen: N'Daw ist ein sehr bescheidener, ruhiger Mann und ein Mann, der meines Wissens noch nie Probleme mit jemandem hatte."
Der neue Übergangspräsident und sein Vize sollen am Freitag offiziell ins Amt eingeführt werden.