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Terror in Algerien

Die Fragen stellte Julia Elvers-Guyot11. September 2007

Die El Kaida im Maghreb hat sich zu den Selbstmordattentaten in Algerien bekannt. Präsident Abdelaziz Bouteflika vermutet ausländische Kräfte dahinter. Ein Interview mit dem Algerienexperten Werner Ruf.

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Beisetzung der Opfer des Anschlags in BatnaBild: AP
DW-WORLD.DE: Die El Kaida im Islamischen Maghreb gibt es seit Januar 2007. Sie ist eine Nachfolgegruppe der islamistischen Gruppe GSPC - wer steckt hinter diesen Gruppen?

Werner Ruf: Die GSPC ist eine Gruppe, die sich aus den berühmt-berüchtigten bewaffneten islamischen Gruppen gebildet hat. Berühmt-berüchtigt wurde sie durch die Touristenentführung 2003 in der Sahara. Das war ein ziemlich großes und ausgesprochen dubioses Unternehmen, wo niemals eine politische Forderung erhoben wurde, wo spekuliert wird, dass sie zwischen 5 und 15 Millionen Euro für die Freilassung bekommen haben. Diese Gruppe hat sich dann umbenannt in El Kaida im Maghreb - das klingt natürlich viel besser und viel gefährlicher als GSPC. Es soll nach wie vor eine Gruppe in der Kabylei geben, wo das algerische Militär derzeit große Angriffe fliegt - mit Flugzeugen, mit Artillerie-Beschuss, möglicherweise mit Napalmeinsatz. Jeden Tag kommen in der Presse Meldungen, dass die GSPC endgültig liquidiert ist, und dann tauchen plötzlich diese seltsamen Attentate auf.

Also man redet in Algerien selbst immer noch von der GSPC und nicht von der El Kaida im Maghreb?

Ja. Es gibt auch eine Meldung von Bin Ladens Stellvertreter Eiman al Sawahiri, wo er die Brüder der El Kaida des Islamischen Maghreb begrüßt. Aber inwieweit man da eine große Kommandozentrale konstruiert, die verantwortlich sein soll für diese Gruppe und sie führen soll, dass - wie teilweise spekuliert wird -, die Anschläge von Madrid und London in der Sahara ausgeheckt worden sein sollen, das scheint mir alles fürchterlich an den Haaren herbeigezogen. Tatsache ist, dass die USA im Februar dieses Jahres ein neues Oberkommando für Afrika ins Leben gerufen haben, was ausdrücklich das Ziel hat, den Terrorismus in Afrika zu bekämpfen.

Und da werden als potentiell vom Terrorismus bedrohte Staaten alle die genannt, die über Ölressourcen verfügen. Also Algerien, aber auch Mauretanien, Mali, Tschad, Nigeria usw. Man kann sich also fragen, ob hier nicht Terrorismus erfunden wird, um eine große Geostrategie voranzutreiben - wobei natürlich herauskommen kann, dass sich irgendwann irgendwelche Leute wehren und man dann tatsächlich Terroristen findet. Aber im Augenblick gibt es da nur die Tuareg, die mal wieder gegen die Regierungen von Niger und Mali kämpfen, ansonsten ist in der Sahara nichts. Und was diese GSPC, die, wenn es sie gibt, in der Kabylei, also am Mittelmeer, sitzt, mit denen in der Wüste zu tun haben soll, ist ganz unklar.

Aber tatsächlich hat der zweite Anschlag vergangene Woche ja nun in der Unruheregion Kabylei - in Dellys - stattgefunden, und die El Kaida im Islamischen Maghreb hat sich auch dazu bekannt!

Wenn sie es denn sind! Also erstmal ist unüblich - das deutet sehr stark auf El Kaida hin - dass Selbstmordanschläge verübt werden. Das hat es in dem ganzen fürchterlichen algerischen Bürgerkrieg bisher nie gegeben. Und nun hat Bouteflika nach den Anschlägen in Batna erklärt, dass hinter diesen Anschlägen ausländische Regierungen und Staaten stecken würden. Das macht die ganze Sache noch dubioser. Auf einmal soll es nicht mehr die GSPC gewesen sein, sondern Herr Staatspräsident erklärt höchstpersönlich: "Das sind ausländische Regierungen und Staaten".

Jetzt darf man sich fragen, wer das wohl gewesen sein könnte. Die Marokkaner machen so was bestimmt nicht, denn die haben selber mit Terrorismus zu kämpfen. Mit Iran hat Algerien derzeitig beste Beziehungen, was die Zusammenarbeit bei der Vermarktung von Gas und beim jeweiligen Atomprogramm angeht. Ahmadinedschad war gerade in Algier. Und die algerische Presse spekuliert jetzt darüber, ob das nicht den erheblich verschlechterten Beziehungen zu den USA anzurechnen sei, was natürlich wie alles, was in diesem Bereich geschrieben und gesagt wird, höchst spekulativ ist.

Welche Rolle spielen die USA denn in Algerien?

Bis vor gut einem halben Jahr war die Freundschaft zwischen Algerien und den USA geradezu unverbrüchlich - geradezu ein Herz und eine Seele bei der Zusammenarbeit in der Terrorismusbekämpfung. Die Algerier haben den USA Hunderte von Namen potentieller Terroristen geliefert. Das ist die eine Geschichte.

Die andere Geschichte ist Algerien als Produzent von Erdöl und Erdgas, das immer wichtiger wird. Die USA haben vor, ihren Importanteil von Erdöl und Erdgas aus Afrika bis 2013 von derzeit 12-13 Prozent auf 25 Prozent zu steigern. Dazu gehört der seit Jahren andauernde Streit um die Privatisierung der algerischen Erdölfirma Sonatrach. Vor eineinhalb Jahren wurde ein Gesetz beschlossen, das die Firma privatisieren sollte, doch Bouteflika hat das Gesetz nie unterschrieben. Die USA hatten sich natürlich ausgerechnet, wenn das privatisiert wird, den größten Teil von Sonatrach - immerhin die zehntgrößte internationale Erdölfirma - zu übernehmen. Das könnte einer der Punkte sein, warum sich die Beziehungen zwischen beiden erheblich verschlechtert haben. Und: Algerien hat im Frühjahr einen gigantischen Rüstungsdeal mit Russland abgesprochen, wo für etwa 20 Milliarden Kriegsausrüstung geliefert werden sollen.

Dr. Werner Ruf Themenschwerpunkt Friedens- und Konfliktforschung Porträtfoto
Werner RufBild: presse

Parallel dazu haben die Algerier und Gazprom lange Verhandlungen über Zusammenarbeit bei Förderungen und der Vermarktung von Erdgas geführt. - Also es gibt verschiedenste Verwicklungen, die sehr kompliziert und undurchsichtig sind. Was wirklich dahinter steckt, weiß man nicht, aber ich denke, dass die ganz einfache Lesart: 'El Kaida im Maghreb bombt im Auftrag von bin Laden' zu schlicht ist.

Werner Ruf ist emeritierter Professor für Internationale und intergesellschaftliche Beziehungen und Außenpolitik. Bis 2003 lehrte und forschte er an der Universität Kassel. Die Schwerpunkte seiner Arbeit sind Friedensforschung und Dritte-Welt-Forschung (vor allem Nordafrika/Nahost, Schwarzafrika).