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Man Ray: Meister der Fotografie

Gaby Reucher26. August 2015

Seine Bilder sind Ikonen der Fotografie des 20. Jahrhunderts, seine Frauenporträts machten ihn weltberühmt. Viele seiner erotischen Werke schlummern noch immer im Verborgenen. Vor 125 Jahren wurde Man Ray geboren.

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Man Ray Tears
Bild: Getty Images/AFP/D. Faget

Gerne wäre Man Ray als Maler bekannt geworden, doch es waren seine Fotos, die ihn weltberühmt machten. Etwa der nackte Rücken seiner langjährigen Geliebten Kiki de Montparnasse, auf den er die Schalllöcher einer Violine malte (Le Violon d'Ingres) oder die "Glasperlentränen" (Tears) aus Kikis Augen. Anfangs wollte er eigentlich nur seine Gemälde und Zeichnungen fotografisch dokumentieren, dann aber packte ihn die Experimentierfreude und die Freude am weiblichen Geschlecht, wie zahlreiche seiner erotischen Frauenporträts nahelegen.

Man Ray macht zunächst "Fotos ohne Kamera"

In den 1920er Jahren gab es in Amerika eine Auseinandersetzung über die Fotografie: Man stritt darüber, ob sie nur ein technisches Hilfsmittel sei, um die Realität abzubilden oder auch als künstlerisches Ausdrucksmittel Bedeutung habe. Letzteres bewies Man Ray in seinen sogenannten "Rayogrammen" oder "Rayographien". Dabei legte er Gegenstände auf unbelichtetes Fotopapier und setzte das Ganze verschiedenen Lichtquellen aus. Die verschwommenen Konturen dieser "Fotos ohne Kamera" fanden bei den Dadaisten und später bei den Surrealisten großen Anklang. Der Dichter Jean Cocteau bezeichnete Man Ray gar als "Poeten der Dunkelkammer".

In den 1930er Jahren machte Man Ray Karriere mit lasziven Aktfotografien. Außerdem porträtierte er berühmte Künstler, Schriftsteller und Modemacher, darunter Pablo Picasso, André Breton, Henri Matisse, Meret Oppenheim oder Coco Chanel. Doch seine Lieblingsmotive blieben schöne Frauen, wie etwa seine Geliebten, das Model Kiki de Montparnasse und Lee Miller, seine Schülerin und Assistentin. Die typisch traumhaft anmutenden Unschärfen in den Bildern erreichte er unter anderem, indem er die Bilder doppelt belichtete. Diese neuartige experimentelle Fotografie gefiel auch Modezeitschriften wie Vogue oder Harper‘s Bazaar, für die er bis zum Zweiten Weltkrieg arbeitete.

Man Ray und Marcel Duchamp

Emmanuel Radinsky alias "Man Ray" kam am 27. August 1890 in Philadelphia an der Ostküste der USA zu Welt. Den Namen Man Ray legte sich der Sohn jüdisch-russischer Einwanderer nach seinem Kunststudium in New York zu. Es war die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, die Zeit der Industrialisierung.

1915 lernte er in New York den Künstler Marcel Duchamp kennen. Die beiden wurden nicht nur gute Freunde, sondern teilten auch eine gemeinsame Kunstauffassung, die als "Dadaismus" in die Kunst- und Literaturgeschichte einging. Ihre Werke entsprangen dem Zufall – wie auch die ersten "Rayogramme" Man Rays ein Produkt des Zufalls gewesen waren.

Alltagsgegenstände wurden zu Kunstobjekten erklärt. Eines der bekanntesten Objekte von Man Ray ist ein Bügeleisen, dessen Unterseite mit Nägeln gespickt ist. Als reales Objekt ist es unbrauchbar, als Kunstobjekt hat es Geschichte geschrieben. Diese Kunst des Nonsens war ein Gegenentwurf zur etablierten Kunst des Bürgertums - ein Bürgertum, das die Welt letztendlich in den Krieg geführt hatte.

Man Ray, ein Multitalent der Moderne

Wie viele andere Künstler seiner Zeit war auch Man Ray ein Multitalent. Er schuf nicht nur Gemälde, Skulpturen, Collagen und Fotografien, sondern arbeitete auch als Regisseur und Filmemacher. Seine "Rayogramme" kamen zum Beispiel 1924 in Fernand Légers Film "Das mechanische Ballett" zur Geltung.

Seit 1921 lebte Man Ray in Paris und hatte sich den Surrealisten angeschlossen. Beeinflusst von der Psychoanalyse Sigmund Freuds setzte man auf das Unterbewusste, auf Träume als Quelle der künstlerischen Inspiration. So sagte Man Ray: "Ich fotografiere nicht die Natur, ich fotografiere meine Visionen." Wie der Dadaismus galt auch der Surrealismus als anarchische Bewegung, die ihr Ende im Zweiten Weltkrieg fand.

Man Ray floh 1940 vor den Nationalsozialisten zurück in die USA. Er beteiligte sich in Hollywood an Filmproduktionen und variierte seine früheren Kunstwerke und Fotografien. Die Anerkennung in den USA blieb allerdings aus, und so kehrte er 1951 zurück nach Paris.

Als er am 18. November 1976 starb, hinterließ er seiner Frau Juliet Browner über 4000 Werke. Heute ist die Sammlung im Besitz ihres Bruders in den USA und wird in zwölf großen Stahlkammern aufbewahrt. Die Öffentlichkeit bekommt nur wenig von diesen Werken zu sehen. Eine Stiftung verwaltet den Nachlass und hat noch bis 2046 die meisten Rechte an Man Rays Fotos und Objekten. Man darf gespannt sein, was alles zu Tage kommt, wenn der Schatz der Browners einmal gehoben wird. Garantiert werden noch viele unbekannte erotische Frauenporträts dabei sein.