Krisenmanagement in der Kritik
15. November 2013Innenminister Manuel Roxas in Erklärungsnot. Genau eine Woche, nachdem der verheerende Taifun über die Philippinen hinwegfegte, verteidigte er in der verwüsteten Stadt Tacloban das Krisenmanagement der Zentralregierung. Die steht international massiv in der Kritik: Es würde viel zu lange dauern, bis die Menschen in den betroffenen Gebieten endlich die dringend benötigte Hilfe bekämen, so der Tenor. Ein Vorwurf, der durch die erschütternden Eindrücke aus den Katastrophengebieten ständig neue Nahrung bekommt. Die Bilder verzweifelter Überlebender, die sich traumatisiert durch die Trümmerwüste bewegen, nach verschollenen Angehörigen suchen, Helfer um Nahrung und Wasser anflehen, gehen seit Tagen um die Welt.
"Die Not ist groß, sie ist dringlich, und man kann nicht sofort jeden erreichen", sagt der Minister vor der Presse. In einer Situation wie dieser könne es einfach nicht schnell genug gehen. Das sieht auch Professor Ed Tayao so. Der ehemalige Direktor der philippinischen "Local Government Development Foundation" bestätigt im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Die aktuelle Katastrophe ist beispiellos. Egal welche Vorbereitungen es hätte geben können - es wäre einfach nie genug gewesen." Für Anne-Hélène Vasudevan von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Manila kommen im Fall der Philippinen die "Rahmenbedingungen" erschwerend hinzu: "Aufgrund der geographischen und politischen Struktur des Landes - mit mehr als 7000 Inseln und über 1200 Gemeinden - ist eine effektive Bereitstellung grundlegender sozialer Dienstleistungen wie Gesundheitsvorsorge, Bildung und auch Katastrophenschutzmaßnahmen nur dezentral möglich." Grunddlage ist eine 1991 verabschiedete Gemeindeverwaltungsordnung, in der die Gewaltenteilung zwischen der Zentralregierung in Manila und den lokalen Verwaltungsebenen geregelt ist.
Katastrophenschutz ist Sache der lokalen Behörden
So liegt beispielsweise der Katastrophenschutz im Verantwortungsbereich der jeweiligen Lokalregierung. "Der Sinn und Zweck dieser Regelung konnte in der Vergangenheit immer wieder relativ erfolgreich demonstriert werden", versichert Anne-Hélène Vasudevan. Außerdem seien viele Gemeinden aufgrund der hohen Anzahl an Taifunen pro Jahr erfahren im Umgang mit Katastrophen. Sich auf einen Jahrunderttaifun ausreichend vorzubereiten sei aber kaum möglich. "Wie kann den Betroffenen vor Ort zügig geholfen werden, wenn die Ersthelfer, die Mitarbeiter von lokaler Regierung, Feuerwehr und Polizei sowie das Krankenhauspersonal selbst zu Opfern geworden und die lokalen Regierungs- und Infrastrukturen zusammengebrochen sind? In solch einer Situation kann nur noch die Zentralregierung helfen", bringt es Vasudevan auf den Punkt.
Die Regierung in Manila muss sich jetzt gegen die Kritik wehren, ihr Krisenmanagement sei unzureichend gewesen. "Der Vorwurf an die Adresse der Zentralregierung ist zum Einen, dass sie die Katastrophe ein Stück weit unterschätzt hat", sagt Jasmin Lorch, Philippinen-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Zwar habe es Warnungen an die lokale Bevölkerung gegeben, sich in Sicherheit zu bringen, doch die Menschen seien in einigen Regionen nicht weit genug ins Hinterland gebracht worden. Natürlich übertreffe das Ausmaß der Katastrophe alles auf den Philippinen bisher dagewesene, "aber andererseits ist es natürlich so, dass die Philippinen immer wieder von Naturkatastrophen ähnlicher Art betroffen sind und nach wie vor nicht ausreichend Präventions- und Reaktionskapazitäten aufgebaut haben, weder ziviler Art noch militärischer Art."
Die Suche nach dem Schuldigen
Die Regierung in Manila ihrerseits gibt den Vorwurf weiter. "Die Zentralregierung neigt dazu, die Schuld bei den lokalen Regierungen zu suchen und dort abzuladen", so Ed Tayao. Es würde schlicht erwartet, dass die Provinzen und Entscheider vor Ort in der Lage seien, Krisen zu managen. "Aber die Lokalregierungen sind zurzeit nicht funktionsfähig, und es ist auch nicht klar, wann sie wieder handlungsfähig sein werden."
Tayao fordert, dass die Zentralregierung diese Kritik annimmt und nicht barsch zurückweist. Stattdessen müsse man im Interesse des ganzen Landes aus der Katastrophe lernen und strukturelle Schwächen überwinden. "Wir müssen uns fragen, wie unsere Regierungsinstitutionen und zentralen Schaltstellen so organisiert werden können, dass sämtliche Aktivitäten im Katastrophenfall und im Alltag besser koordiniert werden können."
Doch um das zu erreichen, müsste es einen umfassenden Kurswechsel in der Politik des südostasiatischen Inselstaates geben, erklärt SWP-Expertin Jasmin Lorch. "Ein generelles Problem der philippinischen Politik ist es, dass Institutionen nicht besonders stark sind." Zwar sei Staatspräsident Benigno Aquino für seine Reformen und auch für Fortschritte im Kampf gegen die Korruption sehr gelobt worden. "Aber gleichzeitig ist es so, dass es auf den Philippinen schon immer sehr viel Korruption gab und nach wie vor gibt, dass die politische Führung sich maßgeblich zusammensetzt aus alteingesessenen Eliten." Wenige wirtschaftlich mächtige Familien teilen sich auch die politische Macht, und das " steht natürlich dem Aufbau von stabilen und handlungsfähigen Institutionen entgegen".