Neuer und die Rolle des Torwarttrainers
12. Februar 2023Beim FC Bayern sind andere Zeiten angebrochen. Mit der Trennung von Torwarttrainer Toni Tapalovic endete eine kleine Ära. Immerhin war der enge Vertraute von Bayern-Keeper Manuel Neuer seit 2011 beim Rekordmeister tätig - genauso lange wie Neuer. Jetzt ist mit Michael Rechner ein neuer Torwarttrainer da, der in die Fußstapfen des erfolgreichen Tapalovic tritt.
Doch auch Rechner besitzt einiges an Renommee, immerhin trainierte er bei der TSG Hoffenheim, wo er seit 2008 als Torwarttrainer - zunächst in der Nachwuchsabteilung, ab 2015 dann in der Bundesliga-Mannschaft - tätig war, die aktuellen Bundesliga-Torhüter Koen Casteels, Marvin Schwäbe, Gregor Kobel und Oliver Baumann. Zudem kennt er Bayern-Trainer Julians Nagelsmann aus dessen Hoffenheimer Zeit sehr gut und war dessen Wunschkandidat.
Rechner, der "Bessermacher"
Rechner habe "Generationen von Torhütern geformt", sagte TSG-Sportchef Alexander Rosen zum Abschied. "Er ist ein Bessermacher." "Als Torwarttrainer ist er einer der Besten in Deutschland", bestätigte der Dortmunder Kobel gegenüber der "Sport Bild": "Er hat großen Anteil daran, dass ich es bis zu einem der größten Bundesliga-Klubs geschafft habe."
Beim FC Bayern arbeitet der "Bessermacher" jetzt zunächst mit der Nummer eins Yann Sommer, Ersatzmann Sven Ulreich und dem jungen Johannes Schenk zusammen. Wenn Neuer seinen Unterschenkelbruch auskuriert hat, wird auch er dazustoßen. Und genau dann könnte die Aufgabe Rechners um einiges schwieriger werden, als jetzt, wo ohne Neuer die Hierarchien klar sind.
Nach Neuers Rückkehr ins Training wird es eine besondere Aufgabe Rechners sein, dessen Vertrauen zu gewinnen. Immerhin hat der Bayern-Kapitän mit Tapalovic eine enge Bezugsperson verloren - und sich darüber in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" anschließend auch bitter beklagt. Kann Rechner die entstandene Lücke füllen?
Enges Vertrauensverhältnis
"Es ist eine persönlichere Beziehung", sagt der ehemalige Torhüter und heutige Torwarttrainer David Preece im Gespräch mit der DW über das Verhältnis zwischen Torwarttrainer und Torwart. Preece, früher Profi in England, Schottland, Dänemark und Island, ist seit fast 20 Jahren Torwarttrainer und weiß, dass sehr viel mehr dazugehört, als den Keepern die Bälle aufs Tor zu schießen. Eine persönliche Beziehung zu den Torhütern ist seiner Meinung nach unerlässlich. "Der Cheftrainer hat es mit über 35 Spielern zu tun, aber wenn man es nur mit ein paar Spielern zu tun hat, kann man so sein", sagt Preece. "Es ist ein fruchtbarerer Boden, um diese enge Art von Beziehungen aufzubauen. Das ist sehr wichtig."
Mit Tapalovic hatte Neuer eine solche Verbindung, mit Rechner wird sie möglicherweise nicht so eng werden, schon alleine aus dem Grund, dass der 36-jährige Neuer keine elf Jahre mehr mit ihm zusammenarbeiten wird. "Als Torwarttrainer muss man in einer solchen Situation anpassungsfähig sein", sagt Preece der DW. "Man muss lernen, besonders bei einem solchen Spieler, sein Vertrauen zu gewinnen. Es geht darum, zuerst diese menschliche Verbindung zu haben, vor der professionellen."
Vorsprung für Sommer?
Allerdings wird Neuer seinen neuen Torwarttrainer zunächst gar nicht täglich treffen und mit ihm arbeiten. Das passiert erst, wenn die Reha vorbei ist. Im Vergleich zu Yann Sommer startet Neuer daher mit einer Art Rückstand. Er kommt nach einer schweren und langwierigen Verletzung zurück. Mit dem Schweizer hat Rechner dann bereits ein halbes Jahr lang gearbeitet. Sollte sich Neuer, der seit seinem Bundesliga-Debüt 2006 mit dem FC Schalke bei Alemannia Aachen, stets die Nummer eins war, plötzlich auf der Ersatzbank wiederfinden, könnte auch das zu Konflikten führen.
"Aus der Sicht eines Torwarttrainers behandelt man alle Torhüter wie seine eigenen Kinder", sagt David Preece. "Man schenkt allen die gleiche Aufmerksamkeit und versucht, eine flache Hierarchie zwischen ihnen zu schaffen. Während der Spiele liegt der Fokus natürlich mehr auf dem Torwart, der gerade spielt. Das ist nicht immer einfach und erfordert ein sorgfältiges Management." Ob Manuel Neuer und Michael Rechner - und gegebenenfalls auch Yann Sommer und/oder Rückkehrer Alexander Nübel - mit der Situation professionell umgehen, wird sich vor der neuen Saison zeigen.
Rechner als "beste Lösung"
Dass Rechner - egal, wer letztlich im Tor steht - die Torhüter des FC Bayern gut trainieren und bestens einstellen wird, davon ist sein Cheftrainer überzeugt: "Michael Rechner ist ein herausragender Torwarttrainer, der innovativ ist, der einen guten Blick für Talente hat", sagt Julians Nagelsmann und bezeichnete Rechner nach der Trennung von Tapalovic als die "beste Lösung inhaltlich".
Auch dass man sich bereits aus Hoffenheim kenne, sei ein Vorteil. "Es ist immer gut, wenn man schon mal zusammengearbeitet hat. Es ist sinnvoll, Leute zu haben, die ähnlich denken. Er soll die Arbeit fortsetzen, die ich von ihm gewohnt war aus Hoffenheimer Zeiten. Dann sind wir alle, auch die Torhüter, sehr zufrieden."