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Tut die islamische Welt zu wenig?

Christoph Strack22. Februar 2015

Der Jüdische Weltkongress (WJC) hat islamisch geprägte Staaten zu mäßigendem Einfluss auf radikale Muslime aufgerufen. Dies erläutert Vizegeneralsekretär Maram Stern in einem Interview mit der Deutschen Welle.

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Der stellvertretende Generalsekretär des Jüdischen WeltkongressesMaram Stern (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Tobias Hase

Unter Juden herrsche heute in vielen Ländern Europas eine neue "Angst eines Unwohlseins" - so drückt es Maram Stern aus, der Vizegeneralsekretär des Jüdische Weltkongresses (WJC). Heute sei es salonfähig geworden, sich gegenüber Juden negativ zu äußern und ihnen die Schuld zuzuschieben. Und diese Äußerungen fielen aggressiver aus als früher.

"Man fühlt sich nicht mehr wohl in einem Land, in dem man aufgewachsen ist. Man fühlt sich nicht mehr wohl da, wo man hingeht, sein Brot und seine Milch zu kaufen. Man fühlt sich nicht mehr wohl, ein Taxi zu nehmen, weil man nicht weiß, wer der Taxifahrer ist“, so der gebürtige Berliner, der seit Jahrzehnten in Brüssel lebt.

"Judenfreies Europa – eine Katastrophe"

"Es gibt Länder, die einen Einfluss haben und ihn leider nicht ausnutzen", beklagt Stern. "Leider bekommen wir keine Art von Gegenzeichen von der muslimischen Gesellschaft." Er persönlich vermisse, dass Länder mit starkem muslimischem Bevölkerungsanteil "etwas mehr auf die Gesellschaft eingehen". Beispielsweise könnten die Türkei oder Saudi-Arabien auf Muslime einwirken.

Stern warnte vor dem Bild eines Europas, dessen Juden aus Angst um ihre Sicherheit ausgewandert seien. "Für Europa wäre es eine Katastrophe. Dass Europa judenfrei wird, ist einfach nicht erlaubt. Das darf nicht passieren." Der Jüdische Weltkongress, der Dachverband jüdischer Gemeinden und Organisationen in rund 100 Ländern, ergreife auch für verfolgte Christen, Jesiden und muslimische Minderheiten in Syrien und Irak das Wort, betonte Stern.

"Anschläge im Vorfeld verhindern"

Der Vize-Generalsekretär des WJC forderte die Politik zu entschiedenem Handeln auf. Politiker könnten nicht nur passiv zuschauen und sich schockiert zeigen, wenn etwas passiert sei. Sie müssten "den Schritt nach vorne machen“ und mögliche Anschläge schon vorher zu verhindern versuchen. So sei es sehr wichtig, dass jüdische Einrichtungen geschützt würden, auch wenn dies nur psychologisch wirke. Er setze darauf, dass die Innenminister und die Sicherheitsbehörden dies bewerkstelligen könnten, "ohne das Gesamtbild in ein Panikbild umzuwandeln“.

"Eklatanter Widerspruch zur Demokratie"

Eine "Welle des Antisemitismus" in Europa beklagt auch der israelische Botschafter in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman. Die steigende Zahl der Übergriffe in der Bundesrepublik sei statistisch belegt, sagte Hadas-Handelsman dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag" und erneuerte das Angebot an europäische Juden zur Auswanderung nach Israel. "Wer sich bedroht fühlt, hat heute die Möglichkeit, jederzeit zu uns kommen."

Der Botschafter betonte, Judenhass stehe in einem eklatanten Widerspruch zur Demokratie. "Man muss den Leuten klar machen, dass es jederzeit auch eine andere Minderheit treffen kann - Muslime, Atheisten, Behinderte, Schwarze, kleine Menschen, große Menschen."

Yakov Hadas-Handelsman (Foto. Getty Images)
Yakov Hadas-Handelsman : "Neue Welle von Antisemitismus"Bild: Adam Berry/Getty Images

"Auch in Israel keine absolute Sicherheit "

Nach dem jüngsten Anschlag eines Islamisten in Kopenhagen, bei dem auch ein Mitglied einer jüdischen Gemeinde getötet worden war und auch schon nach den Anschlägen von Paris, bei denen ebenfalls vier Juden in einem koscheren Supermarkt getötet worden waren, hatte Israels Regierungschefs Benjamin Netanjahu europäische Juden erneut zur Auswanderung nach Israel aufgerufen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster (Foto: dpa)
Josef Schuster: "Bedrohung ist ein weltweites Phänomen"Bild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster hingegen gab zu Bedenken, auch in Israel sei eine absolute Sicherheit vor Terroranschlägen nicht gegeben. Die Bedrohung jüdischer Einrichtungen sei "letztendlich (...) ein weltweites Phänomen". Am kommenden Dienstag will Schuster gemeinsam mit Bundesinnenminister Thomas de Maiziere die Lage der jüdischen Gemeinden in Deutschland erörtern.

cs / cw (DW, epd)