Markus Schuck: Bonn ist auch Schumannstadt
3. Juni 2018Deutsche Welle: Das Motto des diesjährigen Schumannfests lautet "Amerika". Ist das Thema in Robert Schumanns Biografie begründet?
Markus Schuck: Nicht direkt. Bei der Themenfindung ging es um den 100. Geburtstag von Leonard Bernstein. Ich hatte seit langem den Traum, an diesen großartigen amerikanischen Dirigenten zu erinnern - und auch an die Werke, die er komponiert hat. Besonders jetzt, wo Amerika politisch schwierige Zeiten durchlebt. Wir haben dem Land aber viel zu verdanken: kulturelle Entwicklungen einerseits, aber auch großartige Musiker, die deutlich gemacht haben, dass Musik etwas Völkerverbindendes hat und Frieden bringen kann.
Es gibt aber tatsächlich doch bei Schumann einen kleinen Amerika-Bezug: Er hatte sich mit dem Gedanken beschäftigt, mit seiner Frau Clara dorthin zu ziehen. Ob es die Sehnsucht nach dem sprichwörtlichen Land der unbegrenzten Möglichkeiten war, ob Deutschland ihm zu eng geworden war, oder ob das große Geld lockte, etwa durch Konzerte, die seine Frau spielen könnte: Der Wunsch, dieses Land zu bereisen, war für ihn eine Sehnsucht.
Und was Bernstein und Schumann betrifft: Für den Dirigenten war Schumanns Zweite Sinfonie ein zentrales Werk. Er führte es beim ersten Auftritt in Deutschland auf und ließ es auch später bei seinen Konzerten immer wieder spielen. Er hatte eine innige Beziehung zu Schumann.
Wie äußert sich das "Amerika"-Thema im Festivalprogramm?
Beim Eröffnungskonzert wird Musik aus Bernsteins Musical "West Side Story" in einer Bearbeitung für zwei Klaviere gespielt - und später auch einmal als Orchestersuite. Hinzukommen Melodien aus George Gershwins Oper "Porgy and Bess" - einmal mit zwei Klavieren und einmal in einer Version für Geige und Klavier. Vom amerikanischen Komponisten Samuel Barber erklingt die "Summer Music", es gibt eine Hommage an Frank Sinatra und zum Abschluss gibt es Lieder von Bernstein neben Liedern lateinamerikanischer Komponisten.
Während des Festivals läuft im Programmkino zudem ein Dokumentarfilm von Axel Fuhrmann zur Entstehungsgeschichte von Bernsteins "West Side Story". Auch der Film "On the Waterfront" (Die Faust im Nacken), zu dem Bernstein die Musik schrieb, wird gezeigt sowie der Kultfilm "Koyaanisqatsi" mit Musik von Philip Glass und die amerikanische Tanz-Dokumentation "First Position".
Beim Schumannfest gibt es unter dem Titel "Zeig was du kannst" auch einen Gesangswettbewerb für Jugendliche. Was hat Robert Schumann mit Jugendförderung zu tun?
Er hat Stücke für Kinder und Jugendliche geschrieben: etwa Lieder, aber auch das "Album für die Jugend" mit dem Textanhang "Musikalische Haus- und Lebensregeln". Darin wird der Wert der musikalischen Früherziehung und Musikbetätigung von Jugendlichen dokumentiert, der auch wissenschaftlich bestätigt ist. Es geht darum, möglichst früh einzusteigen und die Stimme und das Hören zu schulen. Schließlich war Schumann auch Vater von acht Kindern. So hat er die Jugendförderung in den Mittelpunkt gestellt.
Wir, als Festival, finden einen Gesangswettbewerb das ideale Mittel, diese Idee in die heutige Zeit zu übertragen. Dabei setzen wir den Standard nicht so hoch wie etwa bei dem Wettbewerb "Jugend musiziert". Bei uns ist jeder eingeladen, teilzunehmen und kann zwei Lieder seiner Wahl vortragen.
Geht es dabei noch um Hochkultur oder ist das so offen wie bei Fernseh-Castingshows, wo bis zu 30.000 Jugendliche teilnehmen, in der Hoffnung, ein Star zu werden?
Die Frage beschäftigt uns auch: Wo fängt Hochkultur an? Wir fangen mit dem einfachsten Instrument der Welt an - mit der eigenen Stimme. Sie berührt unmittelbar und erreicht den anderen auch. Ich finde, das ist schon eine Art von Hochkultur. Dies wollen wir fördern und auch deutlich machen, dass es ungeahnte Talente gibt. Es geht darum, die eigene Stimme zu entdecken, nicht aber um die Kommerzialisierung von Stimmen und Gesang wie bei Fernseh-Castingshows.
Bei vielen Musikfestivals gilt die Finanzierungsformel: ein Drittel Erlöse aus Kartenverkäufen, ein Drittel Sponsoring und ein Drittel staatliche Zuschüsse. Gilt das auch für das "Bonner Schumannfest"?
Anfangs waren wir ein "No Budget"-Festival. Das hat sich etwas geändert. Die Stadt Bonn beteiligt sich inzwischen mit dem sehr bescheidenen Betrag von 35.000 Euro. Ein großer Teil der Arbeit wird ehrenamtlich erledigt. Wenn wir das hochrechnen würden, gäbe es einen beträchtlichen Personaletat. Über kurz oder lang brauchen wir aber einen bezahlten Personalstamm.
Wie stehen die Chancen, dass Sie diesen bekommen?
Nach 20 Jahren ist es uns immerhin gelungen, dass man in Bonn nicht nur von der Beethoven- sondern auch von der Schumann- und Macke-Stadt spricht (Anmerk. d. Red: Der expressionistische Maler August Macke (1887-1914) lebte zeitweise in Bonn). Natürlich wird im Jahr 2020 Beethoven 250 Jahre nach seiner Geburt großgeschrieben. Wir hoffen, dass Schumann in der Beethovenmanie nicht vollends untergeht. Immerhin gibt es auch ein Schumann-Jubiläum: 2019 wird dem 200. Geburtstag von Clara Schumann gedacht.
Eine Übersättigung an Beethoven wird es wohl nie geben, aber das schließt andere Themen ja nicht aus…
Wir werden gegenhalten. Die Stadt hat erkannt, dass die Vielfalt das kulturelle Profil macht. Manch amerikanischer Tourist entdeckt zufällig, dass die Schumanns in Bonn begraben sind und sagt erstaunt, "Warum hat uns das keiner gesagt?" Es war eine mühsame Arbeit, bis wir Schumann, der in Bonn verstarb, auf die Agenda heben konnten.
Markus Schuck ist Referent für politische Bildung bei der Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke e.V. in Bonn. Zusammen mit Andreas Etienne, Theaterleiter des Hauses der Springmaus in Bonn, gründete er 1998 das Festival "Endenicher Herbst", das seit einigen Jahren "Bonner Schumannfest" heißt. Das Festival fußt auf der ehrenamtlichen Tätigkeit von Schuck und seinen Mitarbeitern und hat sich zu einem Festival entwickelt, das weit über Bonn und die Region hinaus bekannt ist. Es vereint Musik, Theater, Film, Tanz und Vorträge und wird von herausragenden, vorwiegend jungen Künstlern bestritten.
In diesem Jahr findet es vom 3. bis zum 16. Juni statt.
Das Gespräch führte Rick Fulker.