Martin Scorsese: Der Kult-Regisseur wird 80
16. November 2022Eine Regielegende fällt nicht vom Himmel. Und so hat auch Martin Scorsese sich seinen Weg nach ganz oben erarbeiten müssen. Mit großartigen Filmen voller ikonografischer Bilder, die sich ins Gedächtnis des Kinopublikums eingebrannt haben. Der US-Amerikaner Martin Scorsese hat seinen Platz schon lange und verdientermaßen inne. Am 17. November feiert er seinen 80. Geburtstag - und arbeitet unermüdlich weiter. Fünf Gründe, warum Scorsese zu den Großen der Filmgeschichte gehört.
1. Martin Scorsese hat etwas zu erzählen
Auch andere Regisseure des neuen amerikanischen Kinos verstehen es, spannende und unterhaltsame, manchmal interessante und oft spektakuläre Filme auf die Leinwand zu bringen. Doch bei Scorsese fällt besonders auf, wie tief er in seine Geschichten eintaucht. Das hat viel mit seiner Herkunft zu tun, seiner tiefen Verwurzelung in "Little Italy", dem italienisch geprägten Viertel New Yorks. Mit seiner frühen religiösen Prägung. Mit seinen vielfältigen Interessen.
Neben seinem stets wachen Blick auf die moderne US-amerikanische Gesellschaft mit ihren sozialen Verwerfungen, Kriminalität und Gewalt im Besonderen, hat der Regisseur ein paar "Hobbys", denen er sich auch noch widmet. Für Film- und Musikgeschichte interessiert sich der 1942 in New York geborene Amerikaner seit jeher. Und Scorsese bringt seine Themen beständig in seinen Filmen unter: das kriminelle Amerika im Großen und im Kleinen in seinen Mafia-Epen, die Suche nach dem Sinn des Lebens in seinen Religionsfilmen, sein Interesse für Musik und Film in seinen Dokumentationen. Als Zuschauer spürt man dieses dringende Bedürfnis des Regisseurs, seine Geschichten dem Zuschauer mitzuteilen.
2. Martin Scorsese versteht sein Handwerk
Interessante Geschichten im Kino zu erzählen, ist eine Sache. Aber natürlich kommt es auch auf die Art und Weise an, auf die filmische Umsetzung. Da ist Scorsese ein Meister, ein echter Profi eben, man könnte auch sagen: ein begnadeter Handwerker. Wie er die Mittel des Kinos einsetzt, ist bei diesem Regisseur fast immer bestechend und überzeugend. In seinen brutalen Mafia-Filmen stockt einem der Atem ob der gewalttätigen Szenerie, seine Musikfilme bringen das Publikum zum Schwelgen, seine eher komödiantischen zum Schmunzeln, seine religiös orientierten zum Nachdenken.
Und Scorsese kann delegieren. Er lässt den an seinen Filmen beteiligten Künstlerinnen und Künstlern viel Freiraum. Mit Hollywood-Stars kann er umgehen, einige Auftritte von Robert De Niro oder die späteren von Leonardo DiCaprio sind legendär. Zu Kameraleuten wie dem Deutschen Michael Ballhaus pflegte er eine jahrelange fruchtbare künstlerische Partnerschaft. Ebenso zu Filmkomponisten. Und zu seinen Schnittleuten. Weil Scorsese akzeptiert, dass er nicht alles gleichzeitig beherrschen kann, sind viele seiner Filme ausgereift und perfekt.
3. Martin Scorsese hat vielfältige Interessen
Martin Scorsese lässt sich nicht festlegen. Nachdem er früh in seiner Karriere mit Filmen wie "Hexenkessel" und "Taxi Driver" als Chronist der gewalttätigen amerikanischen Gesellschaft auf sich aufmerksam gemacht hat, überraschte er sein Publikum mit einem Musikfilm wie "New York, New York". Dann präsentierte er auch komödiantisch orientierte Werke wie "King of Comedy" und "Die Zeit nach Mitternacht". 1988 verblüffte er mit dem Bibeldrama "Die letzte Versuchung Christi" und 2016 mit "Silence". Scorsese wollte schließlich einmal Priester werden.
Neben seinen inzwischen 27 Spielfilmen hat Scorsese auch immer wieder Dokumentarfilme gedreht, vor allem solche, die sich seiner Leidenschaft für die Musik gewidmet haben. Bereits 1978 dokumentierte er das Abschiedskonzert der Bob-Dylan-Begleitcombo in "The Band", später folgten Filme über Dylan, die Rolling Stones und George Harrison. Auch die Kunst des Dokumentarfilms beherrscht der Italo-Amerikaner.
4. Martin Scorsese kennt die Filmgeschichte
Es ist ja kein Fehler, wenn ein Filmregisseur sich auskennt in der Geschichte seines Mediums. Manche Filmemacher, die viel wissen über Tradition und Filmkunst, über Kinogeschichte und große Regisseure, verlieren sich aber nicht selten in ihren Werken - durch zu viele Anspielungen und Verweise auf Früheres. Nicht so Scorsese. Er ist sich seiner Herkunft bewusst, kennt das amerikanische wie das europäische und auch das asiatische Kino - doch er demonstriert sein Kinowissen nicht in seinen Filmen. Scorsese pflegt seinen eigenen Stil.
Seine enormen Kenntnisse der Filmgeschichte lagert er quasi aus. Seine beiden umfassenden Dokumentationen über das US-amerikanische ("Eine Reise durch den amerikanischen Film", 1995) und das italienische Kino ("Meine italienische Reise", 1999) sind herausragende Beispiele dafür, wie man sich seiner Kinoliebe nähern kann: mit Detailwissen und Emotion, mit Hingabe und klugen Analysen.
5. Martin Scorsese ist fleißig
Wo andere Regisseure sich im Alter zurückziehen, da arbeitet Scorsese unermüdlich weiter. Dieser enorme Fleiß deutete sich schon früh an. Wie besessen arbeitet Scorsese für jedes seiner einzelnen Projekte. 27 zum Teil sehr aufwendige Spielfilme sind ja keine schlechte Ausbeute. Dazu kommen neun Dokumentation sowie Fernsehproduktionen, Kurzfilme, die Entwicklungen von TV-Serien.
Hinzu kommt sein unermüdliches Engagement für verblichene Schätze der Filmgeschichte. Weil er früh erkannt hatte, dass analoges Filmmaterial vom Verfall bedroht ist, gründete er verschiedene Institutionen, die ältere Kinofilme vor der Zerstörung retten. Er setzte sich insbesondere für den Farbfilm ein - was die Industrie mit der Entwicklung neuer Verfahren aufgriff. Er gründete 1980 mit anderen Regisseuren die "Film Foundation" und 2007 die "World Cinema Foundation", zwei Institutionen, die sich der Restaurierung und der Wiederentdeckung von Filmklassikern widmen.
Und: ein nächster Martin-Scorsese-Film ist auch in Aussicht. Mit seinem alten Partner Robert De Niro und Leonardo DiCaprio in den Hauptrollen plant der Regisseur eine Western-Verfilmung. "Killers of the Flower Moon " soll 2023 in Cannes Premiere feiern.