"US-Demokraten haben schweren Stand"
3. November 2014Professor Seth Masket ist Politikwissenschaftler und lehrt an der Universität Denver.
DW: Was sind die wichtigsten Wahlkampfthemen in Colorado?
Seth Masket: Zur Zeit geht es vor allem um das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, genauer gesagt das Thema Abtreibung und Verhütung. Darüber wurde hier bereits in früheren Wahlkämpfen viel diskutiert. Der republikanische Herausforderer Cory Gardner, der zur Zeit noch Mitglied des Repräsentantenhauses ist, will dem ungeborenen Fötus die gleichen Rechte zubilligen wie jedem lebenden US-Bürger.
Das wird von vielen als eine ziemlich extreme Position gegen das Recht auf Abtreibung gesehen. Seit er sich für den Senatssitz bewirbt, hat er seine Haltung etwas abgeschwächt. Senator Mark Udall, der demokratische Amtsinhaber, verteidigt seit langem das Recht auf Abtreibung. Er versucht Gardner an seinen früheren Aussagen zu messen und seine extreme Haltung herauszustellen. Aber soweit ich sehe honorieren die Wähler, dass Gardner weniger radikal argumentiert als viele seiner republikanischen Vorgänger.
Welche anderen Themen spielen eine Rolle im Wahlkampf?
Im Hintergrund spielt auch die Wirtschaft eine Rolle. Udall hat auf die positive Entwicklung hier in Colorado und im gesamten Land verwiesen, Gardner entgegnet, dass die Arbeitslosigkeit immer noch zu hoch und das Wachstum zu gering sei. Bis zu einem gewissen Grad geht es auch um Energiepolitik. Udall ist bei der Ölförderung für Beschränkungen, um die Umwelt zu schützen. Gardner spricht sich für eine aggressivere Ölförderung aus.
Sind das auch Themen, die bei den Midtermwahlen in anderen Bundesstaaten eine Rolle spielen?
Bis zu einem gewissen Grad: Ja. Über Abtreibungsrechte wird in einigen Staaten gestritten. In Colorado, wo das Rennen so knapp ist, nutzen die Demokraten das Thema, um die Frauen für sich zu mobilisieren. Das hat sich schon bei vergangen Wahlkämpfen für die Demokraten ausgezahlt, als sie ein sehr knappes Rennen dadurch für sich entscheiden konnten.
Wie stark würde der Wahlausgang in Colorado das politische Klima in den USA verändern?
Zur Zeit weiß keiner, welche Partei künftig den Senat kontrollieren wird. Am Ende könnte ein Sitz den Ausschlag geben. Es kommt also darauf an, wie die Wähler in einer Handvoll äußerst knapper Wahlgänge entscheiden. Was in Colorado passiert, könnte große Auswirkungen auf die letzten beiden Amtsjahre Präsident Obamas haben, zum Beispiel auf die Steuer- oder Einwanderungspolitik, auch auf die Nachbesetzung des Obersten Gerichts.
Die Demokraten sind in Colorado in den vergangenen Wochen bei den Umfragen zurückgefallen. Warum?
Das ist nicht nur in Colorado passiert, sondern landesweit. Die Demokraten sind in einer schwierigen Situation. Das ist normal in einer Midtermwahl, in der die Anhänger des Präsidenten weniger zu den Wahlurnen gehen als seine Gegner. Das trifft diesmal besonders zu angesichts eines nicht gerade tollen Wirtschaftswachstums und einer stagnierenden Entwicklung bei den Einkommen der Arbeitnehmer. Hinzukommt dass der Präsident ziemlich unbeliebt ist.
Kann man von einem landesweiten Anti-Obama Effekt sprechen?
Ja, auf jeden Fall.
Das "Wallstreet Journal" macht für den schweren Stand der Demokraten ihre stark regulative Regierungstätigkeit verantwortlich, die in viele Lebensbereiche eingreift. Würden Sie sich dem Urteil anschließen?
Ja, das könnte man so sehen. In Colorado haben die Demokraten überall die Mehrheit. Sie haben die Kontrolle in der Volksvertretung und sie stellen den Governeur. Und sie haben wie Demokraten regiert - etwa indem sie schärfere Waffengesetze beschlossen oder der Energieindustrie Zügel angelegt haben. Das machen Demokraten eben wenn sie regieren. Und das hat Widerstände hervorgerufen, die die Republikaner besonders motiviert haben, sich voll ins Zeug zu legen.