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Afghanistan Freilassungen

Waslat Hasrat-Nazimi10. Januar 2013

Mit einer Welle von Entlassungen mutmaßlicher Taliban-Kämpfer will die Regierung Karsai eine Annäherung an die Extremisten bewirken. Dass diese Strategie aufgeht, wird von Beobachtern bezweifelt.

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Befreite Gefangene aus dem Bagram-Gefängnis in Afghanistan (Foto: DW)
Bild: DW/Qadir Wafa

Die Ansprache des Gouverneurs der Provinz Ghazni an 16 freigelassene Ex-Häftlinge des Militärgefängnisses Bagram war aufmunternd gemeint: "Ich habe den Wunsch, dass ihr einen positiven Neuanfang wagt. Das ist unser Volk und es gibt nicht gut oder schlecht. Gleichgültig, was in der Vergangenheit war, Gott wird euch verzeihen." Die Heimkehrer mögen sich nicht mit negativen Gefühlen oder Rachegelüsten beschweren, so der Provinzchef. Doch genau das befürchten viele Bewohner Ghaznis: Dass die Freigelassenen sich wieder den Taliban anschließen und weiter gegen die Regierung kämpfen werden, die sie für Monate oder Jahre eingesperrt hat.

"Politische Gefangene"

Unter den Freigelassenen gibt es verschiedene, die beteuern, keinen Gesetzesbruch begangen und niemals den Taliban angehört zu haben. So wie Mawlawi Dschan Mohammad. Er sei zu Unrecht festgehalten worden, sagt der Mullah gegenüber der Deutschen Welle. Ob er so aussehe, als ob er eine Rakete bedienen könnte, fragt er. "Glauben Sie, ich wüsste, wie man mit einer Kalaschnikow schießt? Wie ich wurden Menschen festgenommen, die gerade zu Hause waren oder in ihren Geschäften. Einige sogar aus der Schule heraus. Ich schwöre bei Gott, ich habe keine Waffen zu Hause!"

Bei vielen Gefangenen fehlt es tatsächlich an Beweisen, um diese weiter in Haft zu halten. Von afghanischer Seite heißt es, dass es viele politische Gefangene in Bagram gebe. Beobachter sehen dennoch in den bisherigen und geplanten weiteren Entlassungen eine Bedrohung für Sicherheit und Frieden. Aber die Regierung von Präsident Karsai in Kabul will auf diesem Wege Verhandlungen mit den Taliban vorantreiben. Auch Pakistan entließ 26 gefangene Taliban. Vorausgegangen waren wochenlange Verhandlungen Pakistans mit dem Hohen Friedensrat Afghanistans. Dessen Sprecher Ismail Qassemyar sieht darin einen wichtige Hilfe für den Friedensprozess. "Diese Gefangenen Pakistans gehören zur Führung der Taliban. Sie haben Einfluss und ihre Freilassung wird Auswirkungen auf ihre Mitstreiter haben."

Präsident Karsai vor der Presse in Kabul (Foto: Reuters)
Präsident Karsai will mit den Taliban verhandelnBild: Reuters

Neue potenzielle Attentäter

Der stellvertretende Sprecher des afghanischen Parlaments, Abdul Zahir Qadir, sieht die Maßnahmen der afghanischen und pakistanischen Regierung jedoch kritisch. "Es gibt keine klare Position und keinen richtigen Mechanismus für den Frieden. Der bisherige Friedensprozess bringt keine Ergebnisse. Wo sind jetzt die Gefangenen, die in Pakistan freigelassen wurden?" Qadir befürchtet, dass die freigelassenen Taliban erneut Attentate verüben werden. Damit wäre diese Friedensinitiative gescheitert, so Qadir.

Asmatullah Ghiljay vom Regional Studies Center for Afghanistan gibt zu bedenken, dass Pakistan auch bisher niemals hochrangige Taliban-Kämpfer dem Zugriff der USA oder Afghanistans überlassen habe. Zwar seien in der Vergangenheit Extremisten an Kabul oder die USA übergeben worden, aber "die wirklich wichtigen Talibankämpfer können immer noch offen ihre Aktivitäten fortführen. Sie halten ihre Versammlungen weiterhin in Nord-Wasiristan, Quetta und Peshawar ab", so Ghiljay.

Militärgefängnis von Bagram bei Kabul (Foto: Getty Images)
Militärgefängnis von Bagram bei KabulBild: Getty Images

Viele weitere Entlassungen geplant

Im vergangenen September übergaben die Amerikaner die Verantwortung für das Militärgefängnis von Bagram und seine rund 3.000 Insassen an die afghanische Seite. Seitdem wurden mehrere hundert Gefangene freigelassen, zuletzt eine Gruppe von 80 am vergangenen Freitag (05.01.2013). In den kommenden Monaten soll die Gesamtzahl der aus Bagram Entlassen auf rund 1.200 steigen.