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Mauerfall in Los Angeles

10. November 2009

Freude und Rührung 9000 Kilometer entfernt von Berlin: Zur Erinnerung an das 20jährige Jubiläum versperrte in Los Angeles eine nachgebaute Mauer eine Hauptverkehrsstrasse. Jetzt wurde die Mauer symbolisch eingerissen.

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Mauer (Foto: dw)
Die Mauer in Los Angeles zieht viele Neugierige anBild: DW

15 Minuten vor Mitternacht beginnt Ute Lemper auf dem gesperrten Wilshire Boulevard zu singen. Auf der Hauptverkehrsstrasse zwischen Downtown Los Angeles und Pazifik haben sich einige hundert Menschen versammelt, bestaunen die zehn Original-Mauersegmente, die aus Berlin nach Los Angeles geschifft wurden und nun auf einer Wiese neben der Straße stehen.

Quer über den Wilshire Boulevard sind nachgestellte und bemalte Mauersegmente aufgestellt. Künstler haben sie in Kalifornien bemalt - mit Bildern zur Erinnerung an die deutsch-deutsche Grenze, Bildern zur Mauer zwischen den USA und Mexiko - aber auch mit fröhlichen Kunstwerken, wie mit Herzen gefüllten Luftballons, Seifenblasen und knallbunten Portraits.

"Keine Mauern mehr bauen!"

Bemalte Mauer (Foto: dw)
Künstler haben die Mauer bemaltBild: DW

Unter den Feiernden steht Angela Thompson, in Dresden geboren, mit den Eltern vor dem Mauerbau in den Westen geflohen und seit langer Zeit in Los Angeles lebend. Sie hat ihren Kindern und Enkeln schon die Mauer in Berlin gezeigt, jetzt hat sie sie zu den Segmenten am Wilshire Boulevard geführt. Sie ist von dem Projekt gerührt und begeistert. "Ich finde das sehr gut, um die jungen Leute an die Geschichte zu erinnern. Es gibt nichts besseres als Zeitzeugnisse", sagt die Mittsechzigerin. "Es gibt so viele Mauern auf der Welt. Vielleicht erinnern sich die Menschen mal daran, dass wir keine mehr bauen sollten!"

Grußwort aus Berlin

Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit schickte per Video ein Grußwort in die Partnerstadt, in dem er sich bei den US-Bürgern bedankte: Für ihre Unterstützung der friedlichen Bewegung zur Beendigung des Kalten Krieges und für die Hilfe durch die Luftbrücke.

Um Mitternacht ist es dann endlich soweit - und auch schnell wieder vorbei. Denn innerhalb von Sekunden fällt die Mauer in Los Angeles, ausgelöst durch kräftiges Ziehen an zwei dicken Stricken. Die waren in der aus leichten Bausteinen nachgebauten und auf Holzrahmen fixierten Wänden befestigt.

Junger Historiker bringt Mauer nach L.A.

Jampol (Organisator), LaBonge (Stadtrat), Sabine Drautz und Wolfgang Drautz (deutscher Generalkonsul Los Angeles) (Foto: dw)
Der Organisator Justin Jampol (ganz links) zusammen mit Wolfgang Drautz, deutscher Generalkonsul Los Angeles (ganz rechts)Bild: DW

Am kräftigsten zieht Justin Jampol an den Tauen. Der Gründer und Direktor des Wende-Museums, der weltweit größten Sammlung von Dokumenten und Objekten aus den Ostblockstaaten, initiierte die Aktion - das sogenannte "Wallproject". Er hatte die Idee, eine Mauer in Los Angeles nachzubauen, schaffte es, Originalsegmente aus Berlin via Panamakanal nach Los Angeles zu holen, organisierte Podiumsdiskussionen und das Einstürzen der Mauer um Mitternacht.

Der junge Historiker erklärt, dass das Wendemuseum immer eine Aktion plane, die Diskussionen auslöse. "Uns vom Wendemuseum war von Anfang an klar, dass das Projekt mehr sein muss als ein Nachbau dessen, was vor 20 Jahren geschah. Es hätte nicht besser laufen können!"

Jampol spezialisierte sich während des Studiums auf die Kulturgeschichte der Ostblockstaaten, sammelte Zeugnisse aus der Zeit des Kalten Krieges und gründete im Jahr 2002 das Wende-Museum. In dessen Archiv lagern unter anderem die Aufzeichnungen Erich Honeckers aus dem Gefängnis in Moabit, Lenin-Büsten, Brigadebücher und Grenzprotokolle. Jetzt sind auch die Mauerabschnitte Teil der Sammlung.

Mauer führt Menschen zusammen

Mauerstück in Hand (Foto: dw)
Mauersegmente fliegen um Mitternacht durch die LuftBild: DW

Seit mehreren Wochen stehen die Originalsegmente vom Potsdamer Platz bereits in Los Angeles. Seither versammeln sich vor dieser Mauer Fussgänger, Familien und Schulklassen. Manche kommen zufällig vorbei, andere nutzen das historische Monument bewusst als Ausflugsziel.

Ein Besucher kann kaum fassen, dass er die Mauer berühren kann. "Ich denke darüber nach, welche Menschen sie in Berlin gesehen haben. Es ist gut, so etwas auf die Reise zu schicken, um Menschen zum Nachdenken zu bringen." Ein Ehepaar hat seine Kinder zu den Segmenten gebracht. "Wir haben vorher Filme vom Mauerfall auf YouTube angeschaut und jetzt zeigen wir ihnen das Original!"

Souvenir-Jagd auch in L.A.

Kaum ist die Mauer in Los Angeles zum Einsturz gebracht, stürzen sich die Schaulustigen auf die verbliebenen Reste der Wand, sichern sich Bausteine und Kunstwerke, die daran befestigt waren - ganz im Geist der Ereignisse vor zwanzig Jahren. Eine Stunde später ist allerdings alles vorbei, und die Polizei bittet die verbliebenen Grüppchen in Feierlaune, sich auf den Weg nach Hause zu machen. Die müssen sich einen anderen Ort suchen, auf den Fall der Mauer anzustoßen.

Autorin: Kerstin Zilm

Redaktion: Anna Kuhn-Osius