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"Grundrechte nicht nur auf Papier"

Bernd Riegert6. Oktober 2015

Das "Safe Harbour"-Urteil des EuGH ist ein Erfolg für den Facebook-Kritiker Maximilian Schrems. Er hatte die Klage eingereicht. Im DW-Interview erklärt der Datenschutzaktivist die Auswirkungen des Urteils.

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Max Schrems im Hörsaal (Foto: EPA/JULIEN WARNAND)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Warnand

DW: Der EuGH hat Ihnen in weiten Teilen Recht gegeben. Wie war Ihre Reaktion auf das Urteil? Sind Sie erleichtert?

Maximilian Schrems: Ich bin glücklich, dass diese Grundrechte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch das Licht der Realität sehen. Es wird spannend zu sehen, wie sie jetzt durchgesetzt werden. Es geht nicht nur um Massenüberwachung durch die USA. Das ist auch in Europa relevant, weil wir hier ähnliche Systeme haben. Wenn ein Höchstgericht in Europa sagt, das ist zu viel des Guten, dann wird das auch in anderen Fällen noch durchaus spannend.

Was erwarten Sie jetzt von der Europäischen Kommission, deren "Safe Harbour"-Abkommen ja für illegal oder für nicht gültig erklärt wurde?

Die Kommission versucht seit zwei Jahren, irgendwie eine Lösung zu finden. Soweit man hört, hat sie in den USA weitgehend auf Granit gebissen. Die Amerikaner wollten keine Zugeständnisse machen. Jetzt wird der Druck natürlich erhöht. Die Kommission hat einen Trumpf in der Hand. Sie kann jetzt sagen: Das Gericht hat uns diese roten Linien vorgegeben, das müssen wir mindestens erfüllen. Man kann hoffen, dass nun ein bisschen mehr passiert als bisher. Denn bislang ist man in Washington zu Kreuze gekrochen und jedes Mal mit halbleeren Händen wieder zurückgekommen.

Max Schrems mit Anwalt Herwig Hofmann (Foto: EPA/JULIEN WARNAND)
Max Schrems mit seinem Anwalt Herwig Hofmann bei der Urteilsverkündung in LuxemburgBild: picture-alliance/dpa/J. Warnand

Das Urteil sagt ja nicht, dass der Datenfluss von Europa in die USA sofort stoppen muss. Was ändert sich denn jetzt eigentlich für den normalen Nutzer von Facebook, Google oder anderen Angeboten im Internet?

Für den normalen Nutzer am Bildschirm wird sich nichts ändern. Ich kann mir aber vielleicht dauerhaft etwas sicherer sein, dass meine Daten nicht irgendwo landen - zum Beispiel bei irgendeiner Behörde - wenn ich bei Facebook mit Leuten vertrauliche Dinge austausche. Dieses Vertrauen im Internet ist etwas wahnsinnig Wichtiges. Dann kann ich nicht nur sicher sein, dass ich privat bleibe, wenn ich mich in meine Höhle verkrieche, sondern, dass ich modern kommunizieren kann und trotzdem nicht total nackt werde. Das ist die eine Sache.

Die andere: Das Urteil ist ein Zeichen an die USA, dass wir unsere Grundrechte auch durchsetzen. Denn bislang ist die Meinung in den USA relativ klar: Europäischer Datenschutz ist ganz süß, aber es passiert eh nichts, wenn du dich nicht daran hälst. Wenn man Höchstgerichtsurteile hat, die diese Dinge regeln, ist das natürlich ein starkes Zeichen. Man kann nicht einfach wegschauen, sondern muss sich auch an die Regeln halten.

Hat Facebook Ihr Konto eigentlich schon gelöscht?

Nein, ich nutze Facebook noch immer ganz gerne, aber weise - ohne blöde Dinge zu posten. An sich ist die Technologie cool. Es geht auch nicht darum, gegen Facebook oder gegen neue Technologien zu sein. Es geht darum, die Technologie so zu machen, dass ich ihr als Nutzer vertrauen kann und dass nichts Absurdes dabei passiert im Hintergrund. Aber das ist genau das Problem: Viele dieser Überwachungsmechanismen laufen im Hintergrund. Ich sehe am Bildschirm die schöne Oberfläche und im Hintergrund wird mein Datenschutz verletzt oder ich werde überwacht.

Das Interview führte Bernd Riegert.