Max von Oppenheims Orientschätze
Bilanzen interessierten den Bankierssohn Max Freiherr von Oppenheim nicht. Seine Leidenschaft war die Kultur des Orients. Er sammelte Kunst- und Gebrauchsgegenstände und entdeckte nebenbei einen antiken Fürstensitz.
Archäologische Schätze vom Tell Halaf
Diese eindrucksvollen Fundstücke stammen vom Hügel Tell Halaf, einst der Wohnsitz eines aramäischen Fürsten aus dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr. Der Hügel liegt in Syrien am Ufer des Habur und ist zugleich der Ort der biblischen Stadt Guzana. Max von Oppenheim (1860-1946) entdeckte dort 1899 antike Paläste und gut erhaltene Bildwerke und Skulpturen - der Fund war eine archäologische Sensation.
Orientliebhaber mit Sammeltrieb
Die Bonner Ausstellung "Abenteuer Orient. Max von Oppenheim und seine Entdeckung des Tell Halaf" zeigt vom 30. April bis 10. August 2014 mehr als 500 Exponate, darunter antike Skulpturen und Reliefs aus Stein, Grabbeigaben, orientalische Kleidung und Gebrauchsgegenstände. Gesammelt hat sie Oppenheim auf seinen Forschungsreisen in den Orient.
Vom Attaché zum Archäologen
Max Freiherr von Oppenheim stammt aus der Kölner Bankiersfamilie Oppenheim. Nach seinem Jura-Studium reiste er in die Gebiete, die heute zum Libanon, Irak, zu Syrien, Ägypten und zur Türkei gehören. Finanzielle Unterstützung für seine Forschungsreisen erhielt Oppenheim, der zwischen 1896 und 1909 Attaché am deutschen Generalkonsulat in Kairo war, von seinen Eltern.
Begeisterung für Beduine
Oppenheim, hier auf einem Pferd sitzend, lernte in Kairo Arabisch. Im Gegensatz zu vielen anderen Europäern sprach er auch mit den umherziehenden Wüstenbewohnern, den Beduinen, und mit Einheimischen aus einfachen Verhältnissen. Er pflegte Kontakte zu Vertretern des Panislamismus, die sich von der kolonialen Herrschaft befreien wollten – und erntete so Misstrauen bei den Briten, den Kolonialherren.
Wertvoller Tipp von Einheimischen
Beduinen sollen Oppenheim von gruseligen Steinbildern berichtet haben, vor denen sie sich so gefürchtet hätten, dass sie diese wieder vergruben. Er ließ sich den Ort zeigen und stieß auf Tell Halaf, einen aramäischen Fürstensitz aus dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr. Da er auf seinen Reisen oft von Berufsfotografen begleitet wurde, ist die spektakuläre Entdeckung gut dokumentiert.
Grabungen dauerten zwei Jahre
1911 kehrte Oppenheim zum Fundort zurück. Die Ausgrabung, zu der rund 500 Einheimische verpflichtet wurden, begann im August und dauerte zwei Jahre. Zutage treten der West-Palast, Reliefs mit Darstellungen von Tieren und Menschen, faszinierende Steinskulpturen, der Nord-Ost-Palast, Stadtmauern, Stadttore, Grabstätten und ein so genannter Kultraum.
Ausfuhr von Kulturgütern
Im frühen 20. Jahrhundert war es üblich, dass die Europäer die gefundenen Schätze - mal offiziell, mal heimlich - ausführten und in die nationalen Museen brachten. So konnten sie ihre Macht demonstrieren und sich als Kulturnation präsentieren: mit umfangreichen Sammlungen antiker, historischer und kurioser Objekte wie etwa den türkischen Badestelzen aus dem 18. oder 19. Jahrhundert.
Oppenheim bunkerte seine Schätze
Zunächst blieben viele Fundstücke im Osmanischen Reich, weil sich Oppenheim nicht mit den Antikenbehörden über die Ausführung des Schatzes ins Deutsche Reich einigen konnte. Überlassen hat er den Osmanen die Figuren und Wandbilder jedoch nicht. Sie wurden in sein Expeditionshaus "Wüstenschloss" gebracht. Teile seiner Sammlung lagerte Oppenheim auch in seiner Villa in Kairo.
"Piepmatz" im Tell Halaf-Museum
Während des Ersten Weltkriegs war Oppenheim in der deutschen Botschaft in Konstantinopel zuständig für Propaganda. Nach dem Krieg gründete er das Orient-Forschungs-Institut, eine Stiftung und 1930 das Tell Halaf-Museum in Berlin, das im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff zerstört wurde. Übrig blieben Fragmente, die im Keller des Berliner Pergamonmuseums verstaut und vergessen wurden.
Zweifelhafte Rekonstruktion
Oppenheim, der ein Jahr nach Kriegsende starb, hatte genaue Vorstellung davon, wie kunstvoll das Portal des West-Palastes ausgesehen haben könnte. Seine Rekonstruktionsentwürfe sind jedoch nicht schlüssig, denn die Maße stimmen nicht mit den gefundenen Steinplatten und Skulpturen überein. Trotzdem wurde sein Entwurf zum Vorbild für die Fassade des Nationalmuseums im syrischen Aleppo.
Aufwendige Restaurierung
Erst nach der Wiedervereinigung finanzierten die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Stiftungen des Bankhauses Sal. Oppenheim eine aufwendige Restaurierung der teils jahrtausendealten Überreste vom Tell Halaf, die knapp neun Jahre dauerte. Erstmals zeigt die Bundeskunsthalle in Bonn die Eingangsfassade des West-Palastes mit originalen Elementen und in einer virtuellen Filmrekonstruktion.