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Sind 50 Prozent besser als nichts?

Interview: Brigitte Osterath14. Oktober 2013

Ein Impfstoff gegen Malaria könnte schon 2015 auf den Markt kommen. Er halbiert die Zahl der Malariafälle bei Kindern. Ein Teilerfolg, meint Infektionsepidemiologe Jürgen May im Interview.

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Ein Baby wird geimpft (Foto: ddp images/AP/Karel Prinsloo)
Bild: AP

Herr May, die Wirksamkeit des Malaria-Impfstoffs, auf dem so viele Hoffnungen ruhen, beträgt weniger als 50 Prozent, bei ganz jungen Kindern sogar nur 30 Prozent. Über die Hälfte aller Kinder erkranken also trotz Impfung. Kann man das als Erfolg bezeichnen?

Es ist ein Teilerfolg. Dieser Impfstoff hat es von allen Kandidatenimpfstoffen bisher am weitesten gebracht. Das muss man erst mal als Erfolg werten. Vielleicht ist es auch gar nicht möglich, einen hundertprozentig wirksamen Impfstoff zu bekommen.

Aber bei Impfungen gegen andere Krankheiten geht das doch auch.

Ja, die sehr guten Impfstoffe sind zu über 99 Prozent wirksam. Das sind meist Impfstoffe gegen Viren. Impfstoffe gegen Bakterien zu entwickeln, ist schon schwieriger. Und gegen Parasiten wie Malaria ist das beim Menschen bisher überhaupt noch nicht gelungen. Die Parasiten haben sich sehr gut an das Immunsystem ihrer Wirte, also in diesem Fall des Menschen, angepasst.

Aber 50 Prozent ist ja schon mal besser als nichts.

Wenn man damit 50 Prozent der Todesfälle reduzieren könnte, dann wäre das ein Riesenerfolg. Da würde niemand widersprechen, dass man so einen Impfstoff schnell auf den Markt bringen müsste. Aber man kann nicht sagen, ob durch diesen Impfstoff wirklich Todesfälle reduziert werden könnten. In der Studie untersucht wurden nur die Malariaattacken.

Das bedeutet?

Malariaattacke bedeutet eine Infektion mit den Erregern plus Fieber. Es haben fast alle Kinder in Malariagebieten Parasiten im Blut, aber nur einige Kinder erkranken, vor allem in den frühen Jahren, wenn die Immunität noch nicht ausgebildet ist. Die Impfung reduziert diese noch recht harmlosen Malariaattacken. Aber man weiß bisher nicht, ob dadurch unbedingt auch die Todesfälle sinken.

Jürgen May, Infektionsepidemiologe am Hamburger Institut für Tropenmedizin (Foto: k.a.)
Das beste Mittel gegen Malaria ist ein gutes Gesundheitssystem, meint Jürgen MayBild: privat

Warum nicht? Das hätte man in der neuen klinischen Studie vom Sommer diesen Jahres doch sehen müssen.

In so einer Studie - es wurden über 15.000 Kinder an elf Studienorten in Afrika untersucht - ist die ärztliche Versorgung der Kinder sehr gut. Das allein führt schon zu einer Senkung der Todesrate - auch bei den Kindern in der Kontrollgruppe, die gar keine Impfung bekommen haben, sondern ein wirkloses Placebo. Die Rate der Malaria sinkt allein dadurch, dass diese Studie überhaupt durchgeführt wird. Und das zeigt, dass man in Afrika den größten Effekt erzielen kann, indem man eine vernünftige Gesundheitsversorgung aufbaut. Malaria ist eine Armutserkrankung. Wenn man ein vernünftiges Gesundheitssystem aufbaut, dann kann man die Malaria auch besiegen.

Die Impfung soll aber nur gegen einen der fünf Malariaerreger wirken. Was bedeutet das?

Dieser Erreger ist Plasmodium falciparum, der die Malaria tropica verursacht. Diese Erkrankung ist für über 90 Prozent der Todesfälle verantwortlich, vor allem bei Kindern unter fünf Jahren. Die anderen Erreger führen auch zur Erkrankung, aber selten zum Tod.

In der Zusammenfassung der Studie wird erwähnt, dass die Impfung möglicherweise als Nebenwirkung eine Hirnhautentzündung verursachen kann. Was hat es damit auf sich?

Ja, das ist ein Warnsignal, das muss man beobachten. Man hat bei diesen sehr genauen Untersuchungen einen kleinen Unterschied zwischen den geimpften Kindern und der Kontrollgruppe gesehen. Ob das Zufall ist oder eine Impfnebenwirkung - was natürlich dramatisch wäre - das muss man sehen. Das wird für die Zulassung, die für das nächste Jahr angestrebt wird, wichtig sein.

Anopheles-Mücke (Foto: Patrick Pleul/dpa)
Auch wenn der Malaria-Impfstoff auf den Markt kommen sollte: Sich gegen Mückenstiche zu schützen, bleibt das A und O in der MalariavorbeugungBild: picture-alliance/dpa

Sind die klinischen Studien denn schon abgeschlossen?

Es ist ein relativ frühes Stadium, um eine Lizenz zu beantragen. Viele Dinge sind noch völlig unklar, zum Beispiel was das beste Impfschema ist, wann die Kinder geimpft werden sollten und so weiter. Das muss alles noch untersucht werden.

Beantragt man erst die Lizenzierung, wenn die Studien abgeschlossen sind, muss man wahrscheinlich noch zehn Jahre warten. Oder man beantragt die Lizenz in diesem sehr frühen Stadium - das ist zwar mutig, aber es hätte einen wichtigen Effekt: Man hätte eine Basisimpfung mit einer nicht optimalen Wirkung. Das wäre dann der Impfstoff, gegen den man alle weiteren Versuche vergleichen muss, nicht mehr gegen ein Placebo.

Das beteiligte Unternehmen GlaxoSmithKline hat verkündet, der Impfstoff könnte bereits im Jahr 2015 auf den Markt kommen. Ist das realistisch?

Ja. Es liegen Daten vor, auch bezüglich der Nebenwirkungen. Allerdings gibt es meines Wissens bisher keinen Impfstoff, der so wenig wirksam ist. Ich weiß nicht, wie die Zulassungsbehörden damit umgehen.

Der Impfstoff wurde für Kinder entwickelt. Werden ihn auch Erwachsene benutzen können, die zum Beispiel als Touristen in Malariagebiete reisen?

Das ist natürlich die große Hoffnung der Pharmaindustrie, denn damit könnte man eher Geld verdienen als mit der Impfung von Kindern in Afrika. Allerdings bräuchte man dann tatsächlich eine 99prozentige Wirksamkeit oder mehr. Ein 30prozentig wirksamer Impfstoff ist dafür nicht zu gebrauchen. Und in jedem Fall muss man den Impfstoff dann zunächst auch an Erwachsenen testen.

Professor Dr. Jürgen May ist Infektionsepidemiologe in der Sektion tropenmedizinische Forschung am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.

Das Gespräch führte Brigitte Osterath.

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